Ein feiner Kerl

Oberster Gerichtshof in den USA

Als Präsident George W. Bush vergangene Woche den Berufungsrichter John Roberts für einen Sitz im Obersten Gerichtshof nominierte, präsentierte er ihn als einen »außerordentlich fähigen« Mann. »Er hat ein gutes Herz, und er hat die Qualitäten, die die Amerikaner von einem Richter erwarten: Erfahrung, Weisheit, Fairness und Höflichkeit.« Damit erfülle er die nötigen Voraussetzungen, um die zurückgetretene, gemäßigt konservative Richterin Sandra Day O’Connor ersetzen zu können, meint Bush.

Der bislang außerhalb Washingtons wenig bekannte Jurist hat einen mustergültigen Lebenslauf. Roberts wuchs in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf und studierte an der Eliteuniversität Harvard. Danach assistierte er dem Präsidenten des Obersten Gerichthofes William Rehnquist und arbeitete als juristischer Berater unter Ronald Reagan und unter George Bush senior. 2003 wurde er an das einflussreiche Washingtoner Berufungsgericht geholt.

Der katholische Saubermann befand sich in den vergangenen zwei Jahren als Berufungsrichter häufig im Einklang mit der stramm konservativen Ideologie, die derzeit im Weißen Hauses vertreten wird. Der linksliberale Think-Tank »People for the American Way« bezeichnete seine Nominierung daher auch als »beunruhigend«. In einem Bericht der Gruppe heißt es: »Roberts steht u.a. der Reproduktionsfreiheit der Frau feindlich gegenüber. In Verhandlungen positionierte er sich in Bezug auf die Religions- und Redefreiheit so, dass es diesen fundamentalen Rechten gegenüber abträglich ist.« Auch andere Gruppen, wie die Frauenrechtsorganisation Now und die Bürgerrechtsorganisation ACLU, haben starke Vorbehalte gegen ihn geäußert.

Im von den Republikanern dominierten Senat, der seine Nominierung bestätigen muss, gilt eine deutliche Mehrheit für den Kandidaten als sicher. Es ist anzunehmen, dass die Republikaner geschlossen für ihn stimmen werden. Aber auch einige demokratische Senatoren wie Joe Lieberman begrüßten die Nominierung dieses »feinen Kerls«. Zwar gibt es die Möglichkeit einer so genannten Sperrminorität, aber sie erscheint angesichts der Kräfteverhältnisse momentan unerreichbar.

Der rechte Rand der Republikaner, allen voran die Publizistin Ann Coulter, macht sich allerdings Sorgen darüber, ob Roberts der richtige Mann ist, um den gewünschten konservativen Backlash auf allen Ebenen voranzutreiben. Bisher hat sie sich für die Nominierung eines Vertreters der so genannten Originalisten stark gemacht. Diese Rechtsschule versucht, die Verfassung nach der ursprünglichen Intention der Verfasser zu interpretieren. Ihre zentrale Aufgabe sehen die Originalisten darin, möglichst alle progressiven und aus ihrer Sicht nicht verfassungsgemäßen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes beispielsweise in Bezug auf die Bürgerrechte rückgängig zu machen. Ob sich Roberts als Originalist versteht, wird sich in den kommenden Monaten herausstellen.

Auf jeden Fall hat Bush jetzt die Gelegenheit, den vakanten Sitz im Obersten Gericht mit einem Konservativen zu besetzen. O’Connor hat in den 24 Jahren, in denen sie dort tätig war, oft zusammen mit den liberalen Richtern votiert. Ein »richtiger« Konservativer an ihrer Stelle würde die Mehrheit des neunköpfigen Gerichts weiter nach rechts verschieben. Damit ständen dann den drei liberalen Richtern vier Konservative und zwei generell nach rechts tendierende Kandidaten gegenüber.

william hiscott