Ein Führer in Gummistiefeln

Angesichts der verheerenden Überschwemmungen hat der rumänische Ministerpräsident seinen Rücktritt zurückgezogen und sich vom Parlament das Vertrauen aussprechen lassen. von roland ibold

Das rumänische Wort für »ja« lautet »da«. Es ist auch das Kürzel für das Mitte-Rechts-Bündnis »Allianz Wahrheit und Gerechtigkeit«, das seit Dezember in Rumänien an der Regierung ist. Das Bündnis sagt »ja« zu einem Beitritt des Landes zur EU, zur Liberalisierung der Wirtschaft und zur Bekämpfung der institutionellen Korruption. Für die zügige Privatisierung von Staatsunternehmen, die Regelung der Eigentumsverhältnisse und die Umstrukturierung von öffentlichen Ämtern hat die Regierung Gesetzesreformen angekündigt. Die EU belohnte sie dafür im April mit der Ankündigung, dass Rumänien 2007 der Union beitreten könne.

Zwei Monate später sah dann alles schon wieder ganz anders aus. Am 7. Juli kündigte Ministerpräsident Calin Popescu Tariceanu seinen Rücktritt an. Am Montag vergangener Woche sagte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn nach einem Treffen mit Tariceanu, die Regierungskrise und die damit einhergehende Verlangsamung der Reformbestrebungen könnten den EU-Beitritt des Landes verzögern. Zwei Tage später erklärte Tariceanu, er werde nun doch nicht zurücktreten. Seinen Sinneswandel begründete er allerdings nicht mit der Sorge um den EU-Beitritt, sondern mit der Hochwasserkatastrophe im Land. »Ein mutiger Führer verlässt sein Volk in schweren Zeiten nicht«, teilte er den Fernsehzuschauern in Gummistiefeln und Regenjacke in den Fluten stehend mit. 23 Menschen sind bisher durch die Wassermassen gestorben. Tariceanu bat das Parlament, ihm das Vertrauen auszusprechen. Was es am Donnerstag vergangener Woche auch tat. Nach außen zeigten die Parlamentarier Zusammenhalt, doch häufen sich nun die Probleme für den Ministerpräsidenten.

Er hatte Anfang Juni seinen Rücktritt angekündigt, da die Opposition, die aus der sozialdemokratischen PSD und der ultranationalistischen Partei Großrumänien (PRM) besteht, vor dem Verfassungsgericht erfolgreich gegen »seine« Justizreform geklagt hatte. Die Regierungskoalition konnte die Reform im Parlament knapp durchsetzen. Maßnahmen zur Leistungskontrolle der Justizangestellen und ein verbindliches Rentenalter für Richter sollten eine personelle Umgestaltung der Justiz möglich machen. Das Rechtssystem ist bis dato eng mit den Strukturen der PSD verknüpft und handelt in deren Sinne. Die PSD ist auch die stärkste Partei im Parlament. Von Neuwahlen erhoffte sich Tariceanu für die Regierungskoalition eine sichere Mehrheit. Allerdings sank die Beliebtheit der Koalition in Umfragen in den vergangenen Wochen von 55 auf 48 Prozent. Möglicherweise auch ein Grund für den Sinneswandel des Ministerpräsidenten.

In den rumänischen Medien wird Tariceanus »Rücktritt vom Rücktritt« als Zeichen der Schwäche der Regierung gesehen. In der Zeitung Evenimentul Zilei hieß es, nach dem Glaubwürdigkeitsverlust sei das Ende seiner Amtszeit nur noch eine Frage der Zeit. Innerhalb seiner Nationalliberalen Partei wird die Forderung lauter, ihn von der Spitze der Partei und als Ministerpräsidenten abzulösen. Die Machtkämpfe zwischen den rumänischen Parteien um Institutionen und Strukturen gehen unter dem Druck des EU-Beitritts weiter, was der Korruptionsbekämpfung nicht dient.

Linke Gruppen versuchen, sich abseits der Parteientristesse eigene Freiräume zu schaffen. Im März organisierten Linke in Timisoara das No-Border-Festival, zwei Monate später ein feministisches Kulturfestival. In Bukarest konnte im Juni der zuerst verbotene und von Rechten attackierte CSD schließlich durchgesetzt werden. Das seien alles »Premieren in Rumänien«, wie die anarchistische Osteuropa-Zeitschrift Abolishing the Borders from below in ihrer Juni-Ausgabe stolz berichtete.