Genügend Anzüge

Die Verhandlungen über das nordkoreanische Atomprogramm

Christopher Hill, der US-amerikanische Chefunterhändler bei den Sechsparteien-Gesprächen über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm in Peking, hat sich auf langwierige Verhandlungen gut vorbereitet. Ihm sei es egal, wie lange der Gesprächsmarathon dauere, er habe »genügend Anzüge eingepackt«, sagte Hill kurz nach seiner Ankunft in Peking. Die wird er aller Voraussicht nach auch brauchen.

Zwar kam es Mitte Juli immerhin schon einmal zu bilateralen Verhandlungen zwischen den USA und Nordkorea, doch mehr als eine für die Atmosphäre günstige Geste war das nicht. »Auch wenn die USA und Nordkorea detaillierte Gespräche geführt haben, haben sie ihre unterschiedlichen Auffassungen nicht in dem Umfang verringert, dass sie Fortschritte verkünden könnten«, meinte ein Delegierter Japans.

Im Prinzip sind sich alle Parteien zwar vollkommen einig darüber, dass die koreanische Halbinsel wieder eine atomwaffenfreie Zone werden soll. Doch Nordkorea versucht, den Preis für die Aufgabe seines Nuklearprogramms so hoch wie möglich zu treiben, und man ist offensichtlich unschlüssig, an welchem Punkt der Prozess der Denuklearisierung beginnen soll.

Nordkorea hat einige Maximalforderungen gestellt, auf die einzugehen den USA schwer fallen dürfte. So möchte Nordkorea den Waffenstillstandsvertrag aus dem Jahr 1953 durch einen Friedensvertrag ersetzt wissen und letztlich die USA auch zur Aufgabe des »nuklearen Schirms« in der Region auffordern. Die in Ostasien stationierten US-Atomstreitkräfte sollen Südkorea, aber auch Japan schützen. Womit schon das nächste Problem auftaucht: Japan, selbst Teilnehmer der Gespräche in Peking, wird kein Interesse daran haben, auf den Schutz durch die US-Atommacht zu verzichten, nur um den als unberechenbar geltenden nordkoreanischen Diktator Kim Jong-il zufriedenzustellen. Zumal Nordkorea in den vergangenen Jahren immer wieder öffentlich erklärt hat, dass es Raketen besitze, die auch Japan erreichen könnten.

Die USA müssen auch ihren wichtigsten Bündnispartner im pazifischen Raum ruhig stellen. Nordkorea fordert außerdem von den USA eine wirtschaftliche Entschädigung für die Verluste des Landes infolge des Abbaus des Nuklearwaffenprogramms. Ein solches Abkommen wurde jedoch bereits in den neunziger Jahren geschlossen. Es scheiterte, und beide Seiten schieben sich die Schuld dafür zu. Die US-Regierung versprach zwar wirtschaftliche Hilfe, die Wahrung der Souveränität Nordkoreas und einen Verzicht auf einen Angriff. Ein Abkommen aber würde sie wohl nur unterzeichnen, wenn die nordkoreanische Abrüstung durch strenge Inspektionen überprüft werden könnte.

Ein verwegener Vorstoß in diese Richtung wurde von den Nordkoreanern unterdessen schon abgelehnt: Christopher Hill schlug zur Beschleunigung des Abrüstungsprozesses vor, dass US-Inspektoren schon im September nach Nordkorea reisen sollten, um die nuklearen Anlagen zu inspizieren und einmal zu erkunden, wie hoch der Aufwand der Abrüstung sein würde.

Bevor die US-Regierung Zugeständnisse macht, würde sie gern wissen, ob Kim Jong-il nicht womöglich nur blufft. Nordkorea verfügt über atomwaffenfähiges Material, unklar ist jedoch, ob das nicht gerade als High-Tech-Standort bekannte Land auch die schwierigere Aufgabe bewältigt hat, einsatzfähige Atomwaffen herzustellen. Solange diese Frage nicht geklärt ist, dürften die Verhandlungen ergebnislos bleiben. Was Christopher Hill dazu nötigen könnte, sich in Peking weitere Anzüge zu kaufen.

martin schwarz