Das System wird inspiziert

Am 24. und 25. September finden in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern die europäischen Aktionstage gegen das Lagersystem für Flüchtlinge statt. von martin kröger

Als Asylberechtigte anerkannt wurden 34 Personen.« Die Zahlen des Bundesinnenministeriums für August diesen Jahres sprechen eine eindeutige Sprache. Bereits im letzten Jahr verkündete Otto Schily, dass die Asylbewerberzahlen auf den Stand von 1984 gesunken seien. In diesem Jahr sind sie noch geringer. »Die Erfolge des neuen Zuwanderungsrechts bei der Bekämpfung des Asylmissbrauchs sind überaus deutlich«, betonte Schily vor kurzem.

Zum neuen Zuwanderungsrecht gehören auch die so genannten Ausreiselager, in denen Flüchtlinge bereits bei ihrer Ankunft untergebracht werden, um sie dann unter Druck zu setzen, Deutschland wieder zu verlassen. Gegen diese staatlichen Einrichtungen richtet sich die diesjährige zweitägige Aktionstour gegen das europäische Lagersystem. »Überall auf der Welt kämpfen Menschen gegen Lager, teils von innen, teils von außen«, schreiben Flüchtlingsorganisationen wie die Brandenburger Flüchtlingsinitiative, The Voice und das No-Lager-Netzwerk in ihrem Aufruf.

Ausgangsort der Aktionstour wird das erste deutsche Modellprojekt eines Ausreiselagers in Bramsche-Hesepe bei Osnabrück sein. Seit dem Jahr 2000 untersucht die niedersächsische Landesregierung dort, wie sich die »freiwillige Rückkehr«, wie es im Behördenjargon heißt, beschleunigen lasse. Dabei werden in Bramsche Flüchtlinge untergebracht, über deren Asylverfahren noch nicht entschieden wurde, dessen Ergebnis aber vom Bundesamt für Migration als negativ vorhergesagt wird. Bei einer derzeitigen Anerkennungsquote von 0,9 Prozent betrifft das fast alle.

Gemeinsam mit der Bürgerrechtsorganisation »Komitee für Grundrechte und Demokratie« wollen die Veranstalter am ersten Tag eine »öffentliche Inspektion« in Bramsche veranstalten. In dem Lager kommt es seit geraumer Zeit immer wieder zu Protesten der Insassen, die eine Schließung und ein unbefristetes Bleiberecht fordern. »Wir wollen mit möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern das Lager Bramsche-Hesepe besichtigen und mit den Menschen, die dort zu leben gezwungen sind, und denen, die dort arbeitend ihr Einkommen verdienen müssen, über ihre Sicht auf das Lager sprechen«, schreibt das »Komitee für Grundrechte und Demokratie«.

Es gehe darum, die staatlich gewollte Isolation und Desintegration wenigstens für einen Tag zu durchbrechen. Außerdem sollen Kontakte zu den Bürgern in Bramsche aufgenommen werden, um sie für das Leben der Flüchtlinge in dem Komplex zu sensibilisieren und dazu zu bringen, sich für eine Schließung des Abschiebe- und Ausreiselagers einzusetzen.

Nach der Inspektion soll es einen gemeinsamen Konvoi nach Mecklenburg-Vorpommern geben, wo der zweite Teil der Aktionstour stattfinden soll. Auch dort bezieht sich die Tour auf lokale Proteste von Flüchtlingen. Zwar sicherte die rot-rote Landesregierung in Mecklenburg in ihrer Koalitionsvereinbarung zu, die oft fernab von den Städten gelegenen und von den Bewohnern selbst als »Dschungelheime« bezeichneten Unterkünfte zu schließen, trotzdem gibt es solche Heime immer noch, so etwa in einer alten Kaserne in Retschow in der Nähe von Bad Doberan.

Besorgt haben die Flüchtlingsorganisationen auch die Bekanntmachung des Schweriner Innenministeriums zur Kenntnis genommen, dass in der Zentralen Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Boizenburg zukünftig auch Bürgerkriegsflüchtlinge sowie abgelehnte Asylbewerber untergebracht werden sollen, wodurch ein kombiniertes Ausreise- und Abschiebelager wie in Bramsche entstehen würde.

Informationen: www.nolager.de