Mit dem Segen der Kirche

Nach Informationen des UN-Tribunals in Den Haag schützt der Vatikan einen kroatischen Kriegsverbrecher. von boris kanzleiter, belgrad

Wo Nation und Kirche ein enges Verhältnis pflegen, ist meist auch das heilig gesprochene staatliche Verbrechen nicht weit. Diese Beobachtung bestätigte sich in den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien und deren Folgen auf grausame Weise. Die organisierte Religion, ob muslimisch, orthodox oder katholisch, war ein wichtiges ideologisches Hilfsmittel für die nationalistischen Mobilisierungen. Die Priester weihten dabei nicht nur die Waffen. Sie profitieren auch von dem lebenslangen Unglück, das diese unter Gläubigen wie Ungläubigen gleichermaßen verbreiteten. Nirgendwo in Europa werden heute so viele neue Gotteshäuser errichtet wie auf den Trümmern des zerstörten ehemaligen Jugoslawien.

Vergangene Woche hat die Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Carla del Ponte, endlich die längst überfällige Diskussion darüber angestoßen, welche Rolle der Vatikan und die katholische Kirche bei der Kriegshetze in Kroatien und Bosnien spielten. In einem Interview mit der britischen Tageszeitung Daily Telegraph sagte sie, sie habe gesicherte Informationen, dass sich der wegen Kriegsverbrechen und vielfachen Mordes an serbischen Zivilisten gesuchte kroatische General Ante Gotovina in einem Franziskanerkloster aufhalte.

Zum Schritt an die Öffentlichkeit entschloss sich del Ponte, weil sie bei der Suche nach Gotovina vom Vatikan nicht unterstützt wurde. Trotz mehrerer Anfragen bei hohen Funktionären des Vatikans und Papst Benedikt XVI. persönlich habe sie keinerlei Signale für Kooperationswillen erhalten. Das habe sie »extrem enttäuscht«, erklärte sie. Ihren Informationen zufolge könne der Vatikan Gotovina innerhalb weniger Tage lokalisieren. »Sie sagen, sie hätten keine Informationen, aber ich glaube das nicht.«

Vor dem Gericht in Den Haag spielte die verbrecherische Rolle der Geistlichen während des Krieges bisher keine Rolle. Mit Rücksicht auf die Mobilisierungskraft der Kirchenmänner wurden als Kriegsverbrecher bislang nur Politiker und Militärangehörige angeklagt, aber keine Priester, Popen oder Imame. Immerhin hatte del Ponte in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass die bärtigen Popen der serbisch-orthodoxen Kirche mutmaßlich Hilfe beim Schutz des flüchtigen bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic und seines Militärchefs, General Ratko Mladic, leisteten.

Die Empörung in der katholischen Kirche und der kroatischen Öffentlichkeit kennt seit del Pontes Interview keine Grenzen. Anton Suljic, ein Sprecher der kroatischen Bischofskonferenz, hält die Vorwürfe für absurd. »Die Anklägerin in Den Haag ist, aus welchen Gründen auch immer, eine frustrierte Frau, und wir können ihre Aussagen nur auf ihre emotionale Situation zurückführen.« Mit diesen Worten versuchte er, die Chefanklägerin lächerlich zu machen. Vatikansprecher Joaquin Navarro Valls wollte sich zu dem Thema nicht äußern.

Dass del Ponte aber nur an der Oberfläche des Problems kratzte, machten einige Franziskanermönche in mehreren Interviews mit der kroatischen Tageszeitung Slobodna Dalmacija deutlich. Sie erklärten, sie würden Gotovina auch nicht verraten, wenn sie wüssten, wo er sich aufhalte. Denn der General sei ein »Märtyrer und Held« und kein Kriegsverbrecher. In den Augen der katholischen Kirche gibt es nämlich überhaupt keine kroatischen Kriegsverbrecher, da sich Kroatien nur gegen die »serbische Aggression« gewehrt habe, wie es in offiziellen Verlautbarungen heißt. Kein Wunder, dass die weit über 200 000 aus Kroatien vertriebenen Serben nicht in das Land zurückkehren.