Peking-Ente ohne Rice

Die Krise um das nordkoreanische Atomprogramm ist vorerst entschärft. Doch erst die Überprüfung des nordkoreanischen Verzichts auf Nuklearwaffen wird zeigen, wie haltbar die Einigung ist. von martin schwarz, wien

Es wird wohl einer der bizarrsten Staatsbesuche sein, die es jemals gab, wenn US-Präsident George W. Bush gemeinsam mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Il durch Pjöngjang spaziert. Das würde geschehen, sollte der US-Präsident die Einladung annehmen, die sein nordkoreanischer Amtskollege dieser Tage ausgesprochen hat. Sowohl Bush als auch sein Vater und Außenministerin Condoleezza Rice seien in Pjöngjang herzlich willkommen, ließ der Diktator ausrichten. Gerne würde er mit seinen amerikanischen Gästen über die Verbesserung der bilateralen Beziehungen sprechen. Ein wenig erinnert die Einladung des Diktators an jene, die Saddam Hussein nur wenige Wochen vor Kriegsbeginn über den amerikanischen Fernsehsender CBS dem US-Präsidenten übermittelte.

Doch die Chancen auf einen Besuch einer hochrangigen amerikanischen Delegation in Nordkorea stehen schlecht. Auch wenn sich Nordkorea nunmehr nach einem zweijährigen Verhandlungsmarathon dazu verpflichtet hat, auf sein Atomwaffenprogramm zu verzichten, ist der Durchbruch bei den Gesprächen in Peking nicht viel mehr als eine Absichtserklärung und die weiteren Modalitäten alles andere als geklärt. Schließlich wird es bei der Realisierung dieses Abkommens noch eine ganze Menge an Streitpunkten zu überwinden geben.

So ist etwa noch immer ungeklärt, wie weit Nordkorea künftig in der Lage sein soll, die Kernenergie zumindest friedlich zu nutzen. Im Abschlussdokument der Pekinger Gespräche ist lediglich die Rede davon, dass man die Lieferung von Leichtwasserreaktoren nach Nordkorea »zu einem gegebenen Zeitpunkt diskutieren« werde, das Regime in Pjöngjang hat aber schon kurz nach der Einigung diese Lieferung zur Bedingung für die Beendigung des Atomwaffenprogramms erklärt.

Freilich hat man dies nun wieder verworfen, doch spätestens bei der nächsten Gesprächsrunde im November könnte das Thema wieder aktuell werden. Auch besteht Nordkorea auf dem Prinzip der »Gleichzeitigkeit«. Das Regime wird also auf Energielieferungen aus Südkorea mit dem Abbau der nuklearen Drohkulisse reagieren, aber keinerlei Vorleistungen erbringen. 1994 hatte man ja schon eine ähnliche Vereinbarung mit den USA geschlossen, doch die versprochene Unterstützung aus Washington traf derart spärlich ein, dass Nordkorea nun äußerst zurückhaltend bei vertrauensbildenden Maßnahmen sein wird.

Unklar ist nach wie vor auch, wer denn nun die Verschrottung des nordkoreanischen Atomarsenals überprüfen soll. Zwar hat das Regime versprochen, wieder in den Kreis der Mitgliedsstaaten des Atomwaffensperrvertrags zurückzukehren, Kontrollen durch die Inspektoren der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) sind dennoch äußerst unwahrscheinlich. Vielmehr wird Nordkorea wohl darauf bestehen, amerikanische Inspektoren von der Friedfertigkeit des Regimes zu überzeugen. Doch gänzlich unklar ist dabei, ob diese Inspektoren ungehindert alle Einrichtungen besuchen können oder bei jeder Gelegenheit von den Nordkoreanern in die Irre geführt werden.

Unklar ist auch die Reaktion der IAEA in Wien. Wenn Nordkorea dem Atomwaffensperrvertrag erneut beitritt, müsste das Regime zumindest angekündigte Inspektionen wieder zulassen. Doch die Nordkoreaner wissen spätestens seit dem Irak-Konflikt, wie wenig Gewicht die beruhigenden Aussagen der IAEA-Inspektoren in Washington hätten. Noch also sind die Nachrichten aus Peking mit Vorsicht zu bewerten, denn wenig spricht dafür, dass aus Kim Jong Il ein zweiter Muammar Gaddafi wird, der sich vom Rabauken zum Musterschüler wandelt.