Kadhimija zum Frühstück

Was verpasst man als Langschläfer im Fernsehen? elke wittich hat sich durch die Morgenmagazine gezappt

Es scheint sie zu geben, Menschen, die, nachdem sie sich frühmorgens aus dem Bett gequält haben, dazu in der Lage sind, andere Dinge zu tun als ganz still dazusitzen und darauf zu warten, dass sie endlich wach genug sind, um so komplizierte Dinge wie Kaffeekochen in Angriff zu nehmen. Für sie wurde das Frühstücksfernsehen erfunden, eine zutiefst verachtenswerte Veranstaltung, in der es hauptsächlich darum geht, dass widerlich ausgeschlafene Moderatoren fröhlich vor quietschegelben Tassen herumsitzen und über die weltweiten Ereignisse der zurückliegenden Nacht und des Tages zuvor plaudern.

Aber will man das wirklich? Um 7 Uhr 40 über die neuesten Modetrends aus Mailand informiert werden? Und ist überhaupt irgendjemand in der Lage, sich zu einer derart unmöglich frühen Uhrzeit schon Dinge zu merken? Nein, deswegen bemüht man sich beim ZDF-Morgenmagazin auch beim Verlesen der Kurznachrichten um einen demonstrativ lockeren Tonfall, der wohl vor allem eines signalisieren soll: Wieder ins Bett gehen gilt nicht, so schlecht ist die Welt nun auch wieder nicht.

Auf Sat.1 läuft derweil ein nur bedingt erträglicher Sketch mit der aus unerfindlichen Gründen als großartige Komikerin geltenden Cordula Stratmann, woraus folgt: Wer früh Fernsehen schauen will, sollte wenigstens wach und zielsicher genug sein, um auf die Knöpfchen der Fernbedienung zu drücken. Um eventuell beim ZDF zu landen, wo Cherno Jobatey nach einem großen Schluck aus seiner Tasse, in ein unangenehmes Falsett verfallend, eine Live-Schalte zum zuständigen Meteorologen ankündigt. Der steht nicht etwa in einem Studio vor einer Karte herum – vor einigen Jahren beschlossen die Verantwortlichen der meisten Sender nämlich, dass Wetterverkündiger ins Freie gehören und zum Beispiel im Sommer mit hochgekrempelten Jeans in der Ostsee herumzuwaten und im Winter in dicke Anoraks gehüllt auf der Zugspitze zu bibbern haben. Warum ist unklar, zumal Zuschauer durchaus in der Lage sein dürften, mittels eines kurzen Blicks aus dem Wohnzimmerfenster wesentliche Details wie Regen, Schnee oder Sonnenschein selber zu erfassen.

Aber sei’s drum, stehen die Meteorologen halt in der Landschaft herum. An diesem Morgen handelt es sich um einen Mann in roter Windjacke auf einer Alm, der eine zweifellos zugedröhnte, weil stoisch gelassene Kuh saubermacht. Und der kein Wort über die Aussichten verliert. »Das macht er gut!« kommentiert die Moderatorin enthusiastisch, bevor sie zu den Nachrichten in ein anderes Studio gibt. Sprecherin Susana Santina sieht beruhigend unausgeschlafen aus, aber die anfängliche Sympathie für die in ein knallweißes Ensemble Gewandete weicht, denn die Frau kann trotz des offenkundigen Schlafdefizits schwierige Wörter wie die Namen der Orte der jüngsten Attentate im Irak aussprechen.

Das ist unschön, zumal man selber immer noch nicht in der Lage ist, irgendetwas anderes zu tun, als halb bewusstlos herumzusitzen. Aber halt! Auf dem Bildschirm passiert wieder etwas unbedingt Weckendes, der Mann mit der Kuh ist wieder da. Und er referiert, dass man »ganz knapp den ersten richtigen Schnee verpasst« habe, während er dem Rindvieh voller Elan auf den Hintern patscht. Das gibt ein unschönes Geräusch, aber das Vieh steht weiter glotzäugig in der Berglandschaft herum, während die rote Windjacke über Temperaturen und Regenwolken redet. Und urplötzlich ganz furchtbar aktiv wird, weil es gilt, Kuh Frieda für den bevorstehenden Almabtrieb mit viel Blumen und Gestrüpp als eine Art Pfingstochse zu verkleiden. Gut, die ausgeklügelte Kreation des Wettermannes wird man als Fan des Mayrhofener Rinder-Auflaufs nicht bestaunen können, da es sich bedauerlicherweise bloß um die Generalprobe für das am nächsten Tag stattfindende große Ereignis handelt, aber es ist nett, dass man mal gesehen hat, wie Kuh-Ikebana funktioniert. Das findet auch Jobatey, der sich enthusiastisch für »die Informationen« bedankt.

Dann lässt er zur Nachwahl-Berichterstattung in Dresden schalten, wo das Stimmvieh enthusiasmiert um den ZDF-Wahlbus herumsteht und Meinungen äußert. Es sei ganz ungemein toll, dass die Politprominenz rund um die Uhr vor Ort sei, freut man sich, denn, so ein offenkundiger Erstwähler: »Das Interesse wird geweckt und man interessiert sich dafür.« Denn: »Die Wahl ist ja im Grunde genommen gelaufen, aber für mich als Erstwähler ist es interessant, später wählen zu dürfen.« Soll man Menschen wirklich am frühen Morgen derart viel Unsinn sagen lassen? Je nun, warum nicht. Findet man auch bei Sat.1, wo ein Mann im roten Hemd eine gelbe Tasse festhält und das Gewinnspiel erklärt. »Sieht aus wie ein Ufo«, freut sich der Moderator über den Hauptpreis, eine Kaffeemaschine, die aussieht wie eine Kaffeemaschine, streng genommen. Aber dies hier ist Sat.1 und deswegen ist alles ganz furchtbar egal, selbst dass die Nachrichtensprecherin, eine kurzhaarige Blondine, den Namen des Internet-Buchhandels Amazon nicht aussprechen kann und beharrlich »Amazzzzzohn« prononciert.

Denn jetzt naht der Höhepunkt, das Gewinnspiel, bei dem es darum geht, sich Details aus kurzen Filmeinspielungen zu merken. Beziehungsweise einfach nur die Augen aufzuhaben und das Standbild anzuschauen. »Die Flagge welchen Landes sieht man hinter mir?« wird Anruferin Anna gefragt. Eine wirklich kaum zu bewältigende Aufgabe, denn eine schwarz-rot-goldene Fahne, was soll das bloß sein? Anna beendet die nervenzerfetzende Spannung mit einem entschlossenen: »Deutschland-Flagge!« Und freut sich halbtot darüber, nun Besitzerin eines Kaffeeservices zu sein, aber nicht sehr lange, denn dann muss zu Jacqueline Grünewald geschaltet werden, die auf einer Autobahnbrücke an der A1 die zu erwartenden Staus des kommenden langen Wochenendes zu prophezeien hat.

Überall werde es eng werden, erklärt sie wortreich, was selbst fürs Frühstücksfernsehen nach einer Weile zu langweilig wird, weswegen Jacqueline abrupt das Wort entzogen wird, um ganz tollen Besuch zu annoncieren. Ein Schauspieler hat nämlich vor dem mit Croissants gefüllten Weidenkörbchen, das auf dem Tisch steht, Platz genommen und preist eine am Abend ausgestrahlte Serie mit ihm als Hauptdarsteller an, tut also im Groben das, was auch in den mittäglichen Sendungen und noch später in den Magazinen aller Fernsehanstalten passieren wird.

Zu diesem Zeitpunkt, es ist kurz vor neun Uhr, ist man als mündiger Zuschauer in heißer Liebe zu RTL entbrannt. Dort findet mit der Verkaufssendung »RTL Shop« nämlich ein ausgesprochen abwechslungsreiches Kontrastprogramm zum Breakfast-TV statt, ganz ohne notorisch gut gelaunte Moderatoren, sich ins Bild drängelnde Dresdner und auch komplett ohne Wetter. Hier tun Menschen ganz einfach nur äußerst kompetent und verhältnismäßig gelassen ihren Job, was eine echte Erholung ist – allerdings nur bis Punkt 9.

Denn dann beginnt auch RTL mit einer Art Morgensendung, was man zunächst nur daran erkennt, dass gelbe Tassen auf dem Tisch vor dem Moderator herumstehen. »Gleich warnen wir sie vor der Partydroge Liquid Ecstasy«, freut er sich auf einen Beitrag, der davon handelt, dass junge Menschen Drogen nehmen und, erschreckend, damit dann Spaß haben. So viele Einblicke in die böse Welt da draußen müssen umgehend gemildert werden. Antonia Langsdorf verliest deswegen die Horoskope des Tages, denen es allesamt an einem mangelt, denn wirklich lebenswichtige Ratschläge wie »Hüten Sie sich davor, früh aufzustehen, und wenn Sie es schon tun müssen, schalten Sie um Gottes Willen nicht den Fernseher ein!« kommen in den Sternen nicht vor.

Was wirklich unschön ist, denn plötzlich hat Erika Berger im Studio Platz genommen und macht sich, übrigens erstaunlicherweise ohne wenigstens anstandshalber so zu tun, als trinke sie aus der bereitgestellten gelben Tasse, daran, die um zehn nach Neun wirklich jeden Zuschauer quälende Frage zu klären: »Wie überwinden wir die Flaute im Bett?« Das werden wir nie erfahren, denn nun muss wirklich dringend umgeschaltet werden. Auf dem Kinderkanal haben nämlich die Teletubbies begonnen.