Schürfen ohne Rücksicht

In Peru mehren sich die Konflikte zwischen der lokalen Bevölkerung und den Minenbetreibern, die sich oftmals nicht an Absprachen und Umweltstandards halten. von knut henkel

Wieder einmal zogen Protestzüge durch Piura. Heftig protestierten Bauern und Mitglieder der dörflichen Selbstverteidigungskomitees Ende September in den Straßen der im Norden Perus liegenden Stadt gegen die Aufnahme von Bergbauaktivitäten in der von der Landwirtschaft geprägten Region.

Die Demonstranten befürchten, das Bergbauprojekt Río Blanco werde zu Umweltverschmutzung und Wasserverknappung führen. Das britische Bergbauunternehmen Monterrico Metals will in der Nähe der Provinzstadt Huancabamba nach Kupfer schürfen und führt derzeit Explorationsarbeiten gegen den Widerstand der lokalen Bevölkerung durch, die bei der Konzessionsvergabe nie gefragt worden ist. Dies sei typisch für den Umgang mit der Bevölkerung in Peru, meint Antonio Brack. »Landwirtschaft und Bergbau konkurrieren immer öfter um die knappe Ressource Wasser«, sagt der Umweltberater, der lange für die Vereinten Nationen arbeitete.

»Mittlerweile fragen die ortsansässigen Leute nach, was in ihrer Umgebung vor sich geht und geplant ist. Dem steht das Tun der Regierung diametral entgegen. Der für Bergbau und Energie verantwortliche Minister hat den Investoren immer wieder zugesichert, dass die ungerechtfertigten Proteste von der Regierung kontrolliert und beendet werden.«

Doch auch mit repressiven Methoden gelingt es nicht, Ruhe zu erzwingen. Sieben Tote und über 40 Verletzte waren Anfang August das Ergebnis eines Polizeieinsatzes gegen mehrere tausend Demonstranten in Majaz, die gegen die Aufnahme des Tagebaus in der Nähe der Provinzstadt Huancabamba demonstrierten. Die Protestierenden sehen die Biodiversität in der Region ebenso wie die Lebensgrundlage der Bauern gefährdet. Diese Befürchtungen konnten die Minengesellschaft und die Regierung bisher nicht ausräumen, und Ende September schlossen sich der Bürgermeister und die Vertreter der dörflichen Selbstverteidigungskomitees, die bewaffneten rondas campesinas, zur »Front für die nachhaltige Entwicklung der Nordgrenze Perus« zusammen. Sie definiert sich als zentralen Partner für einen potenziellen Dialog. Voraussetzung dafür sei allerdings die Beendigung der Bergbauaktivitäten, die Entmilitarisierung der Region von Huancabamba, wo Polizei und Militär stationiert sind, und eine Untersuchung der Vorfälle.

Forderungen, die der peruanischen Regierung sicherlich nicht schmecken werden. Allerdings sieht sich das zuständige Ministerium für Bergbau und Energie gleich mit mehreren Konflikten konfrontiert. Im Süden des Landes stand die Mine Tintaya im Frühjahr mehr als einen Monat still, nachdem die lokale Bevölkerung die Zufahrten besetzt hatte. Und Anfang September wurden erneut die Straßen blockiert, um das Unternehmen, den australischen Bergwerkskonzern BHP-Billiton Corporation, unter Druck zu setzen. Der macht angesichts hoher Kupferpreise glänzende Geschäfte, hat aber nach Angaben der Anwohner, die »Kompensationen für Umweltschäden und die Ausbeutung der Vorkommen« fordern, die vereinbarten Ausgaben für Sozialprojekte in der Region nicht getätigt.

Das ist kein Einzelfall. Auch in Las Bambas im Süden Perus ist die Situation brenzlig, warnt der Kongressabgeordnete Édgar Villanueva: »Der Streit könnte sich zu einem zweiten Majaz auswachsen.« Dort will das Schweizer Unternehmen Xstrata Kupfer abbauen. Derzeit laufen noch Probebohrungen, doch dagegen regt sich Widerstand in der lokalen Bevölkerung. Die ist bettelarm und will an den Reichtümern partizipieren.

Die Firma Xstrata hat sich bisher kompromissbereit gezeigt und angekündigt, ein Prozent der Gewinne in einem Entwicklungsfonds zu deponieren – für peruanische Verhältnisse beispielhaft. Doch die Bevölkerung ist misstrauisch, und mit der Ansiedlung des Unternehmens steigen auch die Begehrlichkeiten, erklärt Villanueva, der selbst aus der verarmten Region stammt. Seiner Meinung nach fehlt es an einer gelungenen Vermittlung zwischen Konzernen und lokalen Interessen. »Die Regierung ist unfähig, die Bergbauprojekte ausgewogen zu gestalten«, kritisiert er.

Unstrittig ist, dass die Regionen kaum von der Ansiedlung der Bergbauunternehmen profitieren. Seit dem Frühjahr trägt die Regierung den steigenden Widerständen Rechnung und kassiert zusätzliche Gebühren. Die sollen zur Hälfte den Regionen zufließen und in soziale Projekte investiert werden, um die weit verbreitete Armut zu lindern. »Doch bisher«, sagt Umweltexperte Antonio Brack, »fehlt es an geeigneten Projekten und Programmen, um an Ort und Stelle zu investieren und so für ein besseres Klima zwischen Bergbauunternehmen und Bevölkerung zu sorgen.« Das Unternehmen Xstrata, das mit seinem Engagement neue Wege beschreite, werde letztlich für die Fehler und Versäumnisse anderer Konzerne bestraft, urteilt der Umweltberater.

Der Regierung von Präsident Alejandro Toledo sind die Proteste ein Dorn im Auge. Kein Wunder, denn der Bergbau ist äußerst wichtig für die peruanische Wirtschaft, und allein im letzten Jahr entfielen rund 55 Prozent der Exporte oder 6,5 Milliarden US-Dollar auf den Bergbau – 44 Prozent mehr als im Vorjahr. In diesem Jahr erwartet Bergbauminister Glodomiro Sánchez Einnahmen von neun Milliarden US-Dollar. Die Branche boomt, und angesichts hoher Preise für Gold, Kupfer, Blei und Co. will die Regierung in Lima für Ruhe an der Bergbaufront sorgen. Mit einem »Plan zur bürgerlichen Sicherheit«, der Demonstrationen um Las Bambas und Majaz unterbinden soll, trat Toledo unlängst an die Öffentlichkeit. Er dulde keine »Störungen der Investitionen und der Schaffung von Arbeitsplätzen«.

Der Bergbau schafft jedoch nur wenige Arbeitsplätze, landesweit sind es gerade 70 000. Einen Gutteil der Arbeitsplätze besetzen ausländische Techniker. Das ist ein weiterer Grund für die Proteste, denn oft wurde der lokalen Bevölkerung das Blaue vom Himmel versprochen. So auch in Cajamarca, wo die größte Goldmine Lateinamerikas, Yanacocha, steht. Als die Minentätigkeit dort aufgenommen wurde, war Cajamarca die viertärmste Landesprovinz, heute ist sie die zweitärmste. Am Goldboom haben die Menschen nicht partizipiert, und daran werden wohl auch die jüngsten Vorschläge der Weltbank nichts ändern. Die regt die Schaffung neuer Instrumente zur Vermittlung bei Bergbaukonflikten in Peru an. Eine Schiedsstelle zur Regelung von Bergbaukonflikten und eine unabhängige Umweltinstanz sollen eingerichtet werden. Die Vorschläge kommen allerdings von einer Institution, die immerhin fünf Prozent der Anteile an Yanacocha hält.