Der Lohn ist nicht genug

Seit Ende September streiken die Beschäftigten bei Volkswagen do Brasil. Sie fordern eine höhere Gewinnbeteiligung. von thilo f. papacek

Der Streik geht weiter. Zurzeit gibt es keine Verhandlungsperspektive«, sagt José Lopez Feijóo, der gerade aus einer Vollversammlung gekommen ist, am Telefon der Jungle World. Er ist Präsident der »Gewerkschaft der Metallarbeiter des großen ABC«. ABC heißt der Industriegürtel um die Metropole São Paulo. Das Kürzel steht für die Vorstädte Santo André, São Bernardo und São Caetano.

Etwa 33 Prozent des brasilianischen Bruttoinlandprodukts werden im Staat São Paulo erwirtschaftet, das meiste davon in der Hauptstadt und im ABC. Unzählige Fabriken stehen in diesem Ballungsgebiet, sie produzieren Konsumgüter und Zwischenprodukte. Fast alle Automobilkonzerne, die in Brasilien bauen lassen, haben dort eine Fabrik. So auch Volkswagen do Brasil. Und da wird derzeit gestreikt.

Dabei geht es nicht um die Löhne. Die wurden nämlich bereits festgelegt. »Die Lohnerhöhung haben wir bereits für den Staat São Paulo ausgehandelt. Sie gilt für alle Autofabrikanten. Dieses Jahr haben wir eine inflationsbereinigte Lohnerhöhung von 3,7 Prozent erreicht«, erzählt Feijóo.

Mit jedem einzelnen Automobilkonzern muss allerdings der PLR ausgehandelt werden. Das ist die »Partizipation an Gewinnen und Resultaten«, die jährlich ausgezahlt wird. Im vergangenen Jahr bekamen die VW-Arbeiter umgerechnet etwa 1 550 Euro Gewinnbeteiligung. Für dieses Jahr fordern sie rund 2 000 Euro. Die Geschäftsleitung wollte aber nur etwa 1 660 Euro auszahlen. Die Belegschaft blieb unbeugsam und trat Ende September in den Ausstand. Zeitweise streikten fast 18 000 der 22 300 Beschäftigten von VW do Brasil.

Für die Arbeiter bei VW bedeutet der PLR ein wichtiges Zusatzeinkommen. »Im Durchschnitt verdient ein Fabrikarbeiter bei VW do Brasil weniger als umgerechnet 1 000 Euro im Monat, etwa 900 Euro brutto. Das ist deutlich weniger als die Löhne bei VW in Europa, obwohl wir genauso produktiv arbeiten«, sagt Feijóo.

Da die Gewinnbeteiligung von der Produktion abhängig gemacht wird, kann der PLR von Fabrik zu Fabrik variieren. Deshalb sind die Streiks in der Motorenfabrik in São Carlos und der Montageanlage in Taubaté bereits abgeschlossen. »In São Carlos hat schließlich die Geschäftsleitung in eine realistische Erhöhung des PLR von 33 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingewilligt. Das Gleiche gilt für Taubaté«, erklärt Feijóo.

In der größten und ältesten Fabrik von VW do Brasil, der Anlage Anchieta in São Bernardo, sieht das anders aus. Nilton Júnior, der Personalchef von VW do Brasil, argumentiert, dass VW in den letzten fünf Jahren nur Verluste gemacht habe. Zwar hat er mittlerweile einer Erhöhung des PLR auf 1 840 Euro zugestimmt, doch soll dieser Betrag an eine Produktion von 217 000 Autos gekoppelt werden. »Es ist völlig unrealistisch, dass wir noch 217 000 Autos bauen. Eine realistische Schätzung besagt, dass in diesem Jahr höchstens 206 000 Autos produziert werden können. Das würde nur einen PLR von 1 750 Euro bedeuten«, meint Feijóo dazu. Deshalb habe sich die Belegschaft von Anchieta dazu entschieden, weiter zu streiken.

Da die Fabrik Anchieta auch andere Anlagen von VW mit Motoren und Gangschaltungen beliefert, gefährdet der dortige Ausstand die Produktion anderswo. Und so gibt sich José Lopez Feijóo siegessicher. Schließlich haben die Gewerkschafter in den letzten Jahren schon einiges erreicht: »Im Jahr zuvor konnten wir für São Carlos eine Anhebung des PLR um 40 Prozent durchsetzen. Mit den 33 Prozent mehr in diesem Jahr bedeutet das eine Erhöhung der Gewinnbeteiligung um über 80 Prozent innerhalb von zwei Jahren.«