»Meistens gehen sie leer aus«

Praktikanten finden sich in fast allen Branchen, auch in Krankenhäusern. eckhard geitz ist Mitglied des »Netzwerks für eine demokratische Verdi« und Vertrauensmann für Auszubildende im Klinikum Kassel

Arbeitet die »Generation Praktikum« auch am Krankenbett?

Es gibt sehr viele Praktikanten im medizinischen Bereich. Es wird nach außen als notwendig und sogar sozial verkauft, dass junge Leute in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen solche Arbeitsverhältnisse eingehen.

Werden Praktika im medizinischen Bereich bezahlt?

Es gibt Schülerpraktika, die für einen Abschluss nötig sind. Diese Praktikanten erhalten nichts. Dann gibt es noch Medizinstudenten oder Absolventen, die sich für Praktika verdingen. Da die Bezahlung für Assistenzärzte schon miserabel ist, kann man sich vorstellen, wie es für diese Praktikanten aussieht. Meistens gehen sie leer aus.

Wie werden die Leistungen der Praktikanten im medizinischen Bereich erfasst und abgerechnet?

Die Pflegedokumentation ist nicht nur eine Frage der Abrechnung, sondern auch der Haftung. Bei Pflegefehlern ist man 30 Jahre lang haftbar. Es gibt Tätigkeiten, die Praktikanten nicht ohne Aufsicht erledigen dürfen. Müssen sie solche Tätigkeiten übernehmen, sind sie rechtlich gefährdet. Oft werden deshalb Leistungen, die von Praktikanten erbracht werden, in den Abrechnungen von examinierten Kräften unterzeichnet.

Unter diesem Aspekt ist es wichtig, zumindest einige Richtlinien für Praktika einzuführen. Praktikanten im Gesundheitssektor müssen über die Konsequenzen von ungelernten Tätigkeiten aufgeklärt werden. Die Abrechnungen sind ohnehin ein grauer Bereich. Manchmal werden Sachen abgerechnet, die nicht erledigt worden sind. Häufig werden Sachen erledigt, die nicht abgerechnet werden können.

Der DGB betreibt die Kampagne »Faires Praktikum«. Es gibt einen »Praktikumsknigge« und Internetportale, bei denen Unternehmen hinsichtlich der Bedingungen für Praktikanten beurteilt werden können. Sind das geeignete Maßnahmen, oder lachen die Unternehmer darüber?

Die Frage ist doch, ob wir nicht eher über Sachen wie einen »Praktikums-TÜV« lachen sollten. Leute geben ihre Arbeitskraft her und erhalten dafür zu wenig oder überhaupt kein Geld. Solange das so ist, kann man Unternehmen zwar bewerten. Man wird aber nichts daran ändern, dass die unfreiwillig unter- oder unbezahlten Kräfte die Löhne und Tarife drücken und weiterhin ausgebeutet werden.

Es kann nicht sein, dass die Gewerkschaft nur noch als Rechtsschutz auftritt und die schlimmsten Auswüchse mildert. Das ist, als wolle man eine brennende Fabrik mit Wassereimern löschen. Um die Situation von Praktikanten zu verbessern und dafür zu sorgen, dass sie eine klar definierte Anstellung und einen vernünftigen Lohn erhalten, muss man kämpfen.

Der Kurs der Anpassung, den einige Funktionäre, die von Wettbewerb und Effizienz sprechen, verfolgen, widerspricht den Bedürfnissen der Patienten, der Kollegen und der Praktikanten. Eine Gewerkschaft, die in Berlin im medizinischen Bereich über Absenkungstarifverträge verhandelt, aber in der Uni-Klinik in Stuttgart einen Streik durchführt, ist zu unglaubwürdig. Den Praktikanten, den examinierten Pflegekräften und den Patienten ist nur geholfen, wenn man alle Einzelaktionen zusammenführt, eine Kampagne im Gesundheitsbereich durchführt und für Verbesserungen streikt.

Wie wichtig ist das Thema für die Gewerkschaften?

Die große Zahl von Praktikanten erschwert unsere Arbeit. Es ist sehr schwer, Praktikanten gewerkschaftlich zu organisieren. Die Frage der Mitbestimmung für Praktikanten befindet sich vollkommen in einer Grauzone. Es geht den Gewerkschaften deshalb sicher nicht nur darum, zukünftige Mitglieder anzuwerben.

interview: markus ströhlein