Bei Gebet Mord

Das Internetportal »Muslim-Markt« hat auf seiner Website einen verklausulierten Mordaufruf gegen den Islamkritiker Hans-Peter Raddatz publiziert. von horst pankow

Auch deutsche Juristen im Staatsdienst verfügen über die Fähigkeit einer realistischen Weltwahrnehmung. Das stellte am 18. Oktober der Oldenburger Staatsanwalt Bernhard Südbeck unter Beweis, als er öffentlich feststellte, es bestehe »die Gefahr eines zweiten Falls Theo van Gogh« und schlussfolgerte, man müsse »vom Schlimmsten ausgehen«.

Tags zuvor hatte das Politmagazin »Report Mainz« in einem Beitrag auf eine Morddrohung des islamischen Internetportals »Muslim-Markt« gegen den islamkritischen Publizisten Hans-Peter Raddatz aufmerksam gemacht. Dort war in Form eines »Gebets« folgende Verfluchung erschienen: »Wenn der Islam so ist, wie Herr Raddatz es immer wieder vorstellt, dann möge der allmächtige Schöpfer alle Anhänger jener Religion vernichten! Und wenn Herr Raddatz ein Hassprediger und Lügner ist, dann möge der allmächtige Schöpfer ihn für seine Verbrechen bestrafen und diejenigen, die trotz mehrfacher Hinweise auf die verbreiteten Unwahrheiten von Herrn Raddatz immer noch darauf bestehen, auch.«

Raddatz, der nicht nur Strafanzeige gegen die Betreiber des »Muslim-Marktes« stellte, sondern sich auch zum »Untertauchen« und der Inanspruchnahme polizeilichen Personenschutzes veranlasst sah, weiß, was das für ihn und seine Angehörigen bedeuten kann. Der 64jährige promovierte Orientalist ist einer der ganz wenigen deutschen Islamexperten, die nicht von der grundsätzlichen Friedfertigkeit und Zivilisationskompatibilität ihres Forschungsobjekts ausgehen. In einem von »Deutschlandradio Kultur« am 20. Oktober ausgestrahlten Interview wies Raddatz auf die historische Tradition des gottgefälligen »Auftragsmordes« im Islam hin: »Seit den Tagen des Verkünders Mohammed selbst ist der Auftragsmord Teil des Gottesdienstes im Islam. Und über die gesamte Geschichte hinweg gibt es unzählige Beispiele für diese Art des Vorgehens, die immer damit zu tun hat, dass der Islam als eine sich politisch verstehende Religion einen entsprechend absolutistischen Geltungsanspruch erhebt und sich selbst als alleinig maßgebend betrachtet. Und das bedeutet, dass andere nicht-muslimische Weltbilder nicht gelten, dass deren Exponenten, die nicht-islamische oder sogar islamkritische Inhalte verbreiten und damit auch der Ausbreitung des Islams bei uns im Wege stehen, früher oder später zu beseitigen sind. Und ihre Beseitigung bedeutet eine Aufwertung desjenigen, der sie durchführt. Der Koran und Prophetentradition liefern reichliches Material zur Rechtfertigung eines solchen Vorgehens.«

Dass Raddatz und seine Arbeiten zum Islam – fünf Bücher sowie eine Reihe von Artikeln und Interviews – bislang wenig zur Kenntnis genommen wurden, liegt gewiss an der von ihm betriebenen narzisstischen Kränkung der hierzulande grassierenden Islamophilie. Dass auch islamkritische Linke ihn noch wenig beachten, mag seinem bisweilen »eklektischen« Vorgehen bezüglich Methoden, Quellen und Resultaten geschuldet sein, ist aber dennoch ein nahezu sträfliches Unterlassen. All denjenigen, die anlässlich islamischer Gräueltaten stets gleichermaßen unhistorisch wie gegenwartsblind den verhängnisvollen Charakter »jeder Religion« betonen, sei die Lektüre eines in der Schweizer Weltwoche am 16. April vergangenen Jahres erschienenen Interviews empfohlen. Darin stellt Raddatz analytisch präzise u.a. fest: »Wir müssen den Kern christlichen Denkens, also die individuelle Erlösung und Eigenverantwortung vor Gott, von der profanen, gewaltbereiten Ideologie des klerikalistischen Christentums trennen, die in der Aufklärung politisch überwunden wurde. Ebenso sollten wir zur Kenntnis nehmen, dass islamisches Sein nicht vom Kampf gegen den Nichtislam zu trennen ist. Vereinfacht lässt sich sagen, ein Christ missbraucht seine Religion, wenn er Gewalt anwendet, und ein Muslim missbraucht seine Religion ebenso, wenn er Gewalt nicht anwendet.«

Dem bisherigen öffentlichen Desinteresse an Raddatz’ Arbeiten entsprach offenbar eine intensive Aufmerksamkeit in der islamischen Parallelgesellschaft. Deren Kulmination in einem Mordaufruf auf dem »Muslim-Markt« verwundert nicht. Die Website (»Startpunkt zum Islam für deutschsprachige Gläubige«) verzeichnet nach eigenen Angaben bis zu 100 000 Besuche monatlich und bietet kritischen Besuchern interessante Einblicke in die Psychopathologie des Islamfaschismus. Den anderen bietet sie neben Hasstiraden gegen Ungläubige und Zionisten sowie der Vermittlung eines Gefühls ständiger Bedrohung durch die umgebende ungläubige Gesellschaft auch Tipps zur islamischen Lebensgestaltung in Form von Adressenlisten islamischer Rechtsanwälte, Ärzte und Friseure und einen islamischen Heiratsmarkt. Betrieben wird die Seite von den Gebrüdern Gürhan und Yavuz Özoguz aus Delmenhorst, Anhänger des Schiitentums der iranischen Mullahs. Die beiden sind Autoren des im niedersächsischen Betzel-Verlag erschienenen Buches »Wir sind ›fundamentalistische Moslems‹ in Deutschland. Eine andere Perspektive«, in dem u. a. die Errichtung eines islamischen Gottessstaates propagiert wird.

Vor zwei Jahren handelte sich Yavuz Özoguz, technischer Angestellter an der Universität Bremen, wegen der Veröffentlichung einer Rede des Ayatollah Ali Khamenei, in der dieser zur Vernichtung Israels aufgerufen hatte, Ärger mit der Justiz in Sachen Volksverhetzung ein. Zunächst zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung verurteilt, fand er später noch mildere Richter; gegen Zahlung einer Geldbuße wurde das Verfahren eingestellt. Solchermaßen ermutigt, veröffentlicht er auf dem »Muslim-Markt« einen Auszug aus seinem Buch, in dem es u. a. heißt: »Wir haben unsere Einstellung zu Israel nie versteckt. Immer haben wir aufrichtig und ganz offen ausgesprochen, dass ein Staat, dessen einzige Existenzberechtigung und Rechtfertigung für Enteignung und millionenfaches Elend das Alte Testament ist, von uns nicht akzeptiert wird.« Folgerichtig tritt Yavuz Özoguz auch als »Einpeitscher beim ›Al-Quds-Tag‹« (Tagesspiegel), einem alljährlich in Berlin stattfindenden Aufmarsch islamischer Antisemiten, in Erscheinung.

Hass auf Israel nimmt einen zentralen Platz auf dem »Muslim-Markt« ein. Der dort verbreitete Antisemitismus unterscheidet sich von dem der Nazis dadurch, dass er ohne völkische und biologistische Bezugnahmen auskommt: Auch Juden dürfen mitmachen, sofern sie Israel Tod und Teufel an den Hals wünschen. In der Rubrik »Palästina Spezial. Juden wehren sich« findet man neben Texten von hierzulande allseits beliebten Israelhassern wie Uri Avnery auch einen Link zu einer ultraorthodoxen jüdischen Sekte in den USA, die Israel als Gotteslästerung verflucht und dessen Eingliederung in ein Großpalästina fordert.

Nach der »Report«-Sendung und dem Beginn der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurde der Mordaufruf von der Website genommen, um als Zitat in einer redaktionellen Erklärung wieder aufzutauchen. Nun ist der Name Raddatz jeweils durch XXX ersetzt, was die Wirkung des »Gebets« kaum mildert, da inzwischen jeder Fanatiker von den teuflischen Umtrieben des »Lügners« Kenntnis haben dürfte.

Die Universität Bremen leitete ein dienstrechtliches Verfahren gegen Özoguz ein, dessen Ergebnis er durch eigene Kündigung zuvorkam. Das von der Staatsanwaltschaft eingeschaltete Bundeskriminalamt legte schließlich ein Gutachten vor, in dem sich die Polizeibehörde als Filiale des Außenministeriums bekannte: Ein Aufruf wie der vom »Muslim-Markt« publizierte, heißt es Radio Bremen zufolge in dem bei Redaktionsschluss der Jungle World noch nicht in schriftlicher Form vorliegenden Gutachten, sei »aus europäischer Sicht kein Mordaufruf«. Ach, Europa …