»Mehr Realismus käme allen zugute«

Hans-Peter Raddatz
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In einem deutschen islamistischen Internetforum wurde eine Drohung gegen den Orientalisten Hans-Peter Raddatz veröffentlicht. Nachdem im letzten Jahr in den Niederlanden der Islamkritiker Theo van Gogh ermordet worden ist, muss Raddatz nun um sein Leben fürchten. Weil er den Islam grundsätzlich kritisiert, werfen ihm seine Gegner vor, antiislamische Stimmungen zu schüren. Der Leiter des Deutschen Orient-Institutes, Udo Steinbach, machte Raddatz gar selbst für die Anfeindungen verantwortlich, weil dieser die Muslime »mit seinen radikalen Positionen gegen den Islam provoziert« habe. Mit dem umstrittenen Islamwissenschaftler sprach Ivo Bozic.

Seitdem im Internetportal »Muslim-Markt« eine verklausulierte Morddrohung gegen Sie erhoben wurde, leben Sie unter Polizeischutz.

Es ist gewöhnungsbedürftig, aber die Sicherheitsbehörden nehmen die Ankündigung sehr ernst und sind effizient tätig geworden. Immerhin ist Anstiftung zum Mord seit 1 400 Jahren integraler Bestandteil des Islam . Insofern kann so etwas nicht überraschen. Je stärker die Muslime unter islamistische Führung geraten, desto wahrscheinlicher gehen sie gegen jene vor, die ihrer Ausbreitung im Wege stehen.

Inzwischen streiten sich die Gelehrten über die genaue Auslegung dieser Drohung.

Ja, das ist ein zynischer Vorgang. Es liegen zwei Gutachten von Orientalisten vor, beide auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft. Das Gegengutachten hat das Bundeskriminalamt anfertigen lassen. Allein der Umstand, dass wir uns überhaupt auf diese Diskussion einlassen, ist ein Skandal. Es kann doch nicht sein, dass wir uns in einem Rechtsstaat die vormodernen Gewohnheiten einer Minderheit als Maßstab aufzwingen lassen. Aber im Zuge des so genannten »Dialogs mit dem Islam« scheint man sich daran gewöhnt zu haben.

Die Betreiber des »Muslim-Marktes«, die Brüder Özoguz, sind auch Akteure des antiisraelischen al-Quds-Tages in Deutschland. Was haben Sie gedacht, als Sie die Islamisten am vergangenen Samstag durch Berlin haben ziehen sehen?

Der Iran fordert am stringentesten die Vernichtung Israels. Die Truppe um die Gebrüder Özoguz rechnet sich der schiitischen Seite zu, ihr werden auch Verbindungen zur Hizbollah nachgesagt. Es kann also nicht verwundern, wenn die bei solchen Aufmärschen in Erscheinung treten.

Ihre Kritik am Islam geht recht weit. Sie behaupten, der Islam sei vom Grundsatz her gewalttätig und absolutistisch. Kann man denn die antiisraelische und antiwestliche Stimmung in der islamischen Welt aus dem Koran herleiten?

Ich sage das nicht über den Islam, ich sage das über den rechtlich-politischen Teil des Islam, der eben nicht nur eine Religion, sondern auch ein universelles Rechtssystem ist. Wie in jeder Religion gibt es selbstverständlich einen spirituellen Teil, der vom Recht auf Glaubensfreiheit zu schützen ist. Aber der Koran ist mehr, er ist die Verfassung der islamischen Gesellschaft, und insofern ist der Islam tatsächlich zu erheblichen Teilen inkompatibel mit unserem Rechtssystem. Dort, wo der Islam rechtliche und politische Geltung einfordert, ist er oft nicht nur nicht kompatibel, sondern teilweise auch gewaltbesetzt. Die Sharia schreibt den Gläubigen vor, dafür zu sorgen, das Allahs Gemeinschaft sich ausbreitet. Dazu gehört auch die biologische Reproduktion, was sich in den unglaublichen Zuständen bezüglich der Frauenrechte niederschlägt. Auch das Prinzip der Religionsfreiheit ist im Islam unbekannt.

Spielt nicht die Ablehnung Israels und auch der USA eine ganz zentrale Rolle beim militanten Islamismus? Wie wollen Sie das mit einer allgemeinen Religionskritik berücksichtigen?

Der Koran enthält sowohl spirituelle als auch politische und soziale Aspekte. Er ist durchaus mitverantwortlich für den islamischen Antisemitismus, oder sagen wir besser Antijudaismus. Mohammed hat schon während seiner Lebenszeit dafür gesorgt, dass ihm missliebige Judenstämme vernichtet bzw. vertrieben wurden. Bei dem Judenhass und Antiamerikanismus in der islamischen Welt fließen derzeit moderne totalitäre Tendenzen und politisch-soziale Fragen mit überkommenen religiösen Motiven zusammen. So erklärt sich auch, dass sich die modernen Rechten mit den Islamisten gut verstehen. Es gibt regelmäßig Treffen auf hohem Niveau zwischen Rechtsextremisten und Islamisten.

Das kann man zum Beispiel regelmäßig in der extrem rechten Jungen Freiheit nachlesen. Sie selbst haben dort aber vor einigen Jahren einen Artikel publiziert. Müssten Sie sich da nicht stärker abgrenzen?

Das habe ich längst getan. Der Artikel ist etliche Jahre her. Man hat immer wieder versucht, mich in das rechte Lager zu ziehen. Das ging so weit, dass im Frühjahr 2004 in der Jungen Freiheit ein Artikel unter meinem Namen erschien, den ich nie geschrieben habe. Ich habe das Blatt dann gerichtlich gezwungen, eine entsprechende Gegendarstellung abzudrucken.

Von rechter Seite wird Islamkritik gerne zur rassistischen Stimmungsmache missbraucht. Wie kann man einerseits eine dezidierte Kritik am Kulturrelativismus vorbringen und sich gleichzeitig gegen rassistische »Ausländer-Raus«-Parolen abgrenzen?

Ich hebe immer wieder hervor, dass unsere Politik der schweigenden Mehrheit der Muslime die Plattform vorenthält, auf der sie sich konstruktiv artikulieren kann. Man muss den liberalen Muslimen Wege öffnen, um sich von ihren islamistischen Führern unabhängig zu machen und am Integrationsprozess in die rechtsstaatliche Gesellschaft mitzuwirken. Mir geht es nicht um eine Kampagne gegen multikulturelle Überlegungen, sondern nur darum, dass sich dieses Gemeinwesen auch an Mehrheitsinteressen orientiert. Nur so lässt sich auch der Schutz von Minderheiten gewährleisten.

Fordern Sie eine weitere Reglementierung der Zuwanderung?

Es ist keineswegs rassistisch, den Versuch zu machen, die Qualität der Zuwanderung zu verbessern, also die Ausbildung und Qualifizierung der Zuwanderer in die Migrationspolitik einzubeziehen. Es hat Sinn, entsprechende Anforderungen zu stellen, denn es ist auch respektlos gegenüber den Zuwanderern, wenn man ihnen suggeriert, hier in Deutschland eine Zukunft zu haben. Die haben sie aber nicht, wenn sie nicht die notwendige Qualifikation oder Bereitschaft dazu mitbringen.

Ihnen wird vorgeworfen, sich quasi für ein Verbot des Islam als eine nicht mit dem Grundgesetz vereinbare Religion einzusetzen.

Ich habe nie von einem Verbot des Islam gesprochen, sondern von einer »Lex Islam«. Darunter ist die überfällige Diskussion über den real existierenden, bei uns praktizierten politischen Islam zu versthen. Dazu gehört auch die Frage, inwiefern er dem Artikel 4 des Grundgesetzes, der Religionsfreiheit, widerspricht. Es geht um die politischen Aussagen des Islam, um seine historisch gewachsene Verfasstheit, insoweit sie nicht mit den Grundregeln des Rechtsstaats vereinbar ist, vor allem bezüglich des Gewaltmonopols, der Religionsfreiheit und der Frauenrechte.

Was heißt das praktisch?

Der erste Schritt ist die Überprüfung des Islam in Bezug auf Artikel 4 der Verfassung. Dann kann und muss ein wirklicher Dialog in Gang gesetzt werden, der zunächst innerhalb der Mehrheitsgesellschaft zu führen ist. Die Versäumnisse des bisherigen Dialogs bringen es mit sich, dass die öffentliche Konfliktfähigkeit zunächst weiter belastet werden muss. Umso wichtiger ist es, die Debatte kompetent, ohne die bisherige Aufgeregtheit zu führen. Es geht um eine Diskussion in gebotener Sachlichkeit, schlicht um mehr Realismus. Der kommt letztlich allen zugute, auch und besonders den Muslimen.