Ein Bayern-Jäger aus Kurpfalz

Wie der Software-Milliardär Dietmar Hopp in der tiefsten Kraichgauer Provinz einen Fußballbundesligaverein aus dem Boden stampfen will. von andreas rüttenauer

Norbert Moll freut sich schon auf das neue Bundesligateam in seiner Nähe. Seit drei Jahren wohnt er in Reichartshausen, einer kleinen 2 000-Seelen-Gemeinde unweit von Heidelberg. Er ist aus Berlin in die Provinz gezogen. Moll ist einer jener Typen im besten Mannesalter, die alles über Fußball zu wissen scheinen, die keine Probleme damit haben, das Jahr anzugeben, in dem Fortuna Köln in der ersten Bundesliga gespielt hat, die sich an Spieler wie Detlef Olaidotter genauso gut erinnern wie an die großen Auftritte von Günter Netzer. Norbert Moll weiß viel über Fußball, er war schon in vielen Stadien dieser Welt. Moll ist kein Fußballfan, er ist ein Fußballfreund. Als er noch in Berlin gewohnt hat, ist er gerne zu Tennis Borussia gegangen, weil man da so angenehm sitzen konnte auf der Haupttribüne, weil man da in aller Ruhe ein Fußballspiel anschauen konnte. Seit er in Reichartshausen wohnt, ist er Stammgast bei der TSG Hoffenheim in der Regionalliga.

Das Stadion ist keine zehn Kilometer von Molls Wohnung entfernt. Es ist eine gemütliche Drittliga-Arena, die auf einem Hügel liegt, so etwas wie ein Mini-Betzenberg inmitten einer Einfamilienhaussiedlung. Ein Ausbau auf Zweitliganiveau ist nicht möglich. Der DFB sprach der kleinen Sportanlage kürzlich die Bundesligatauglichkeit ab.

Das wäre weiter nicht schlimm für einen kleinen Club wie die TSG Hoffenheim, der gut aufgehoben zu sein scheint in der Regionalliga Süd. Doch der Verein strebt nach Höherem. Das liegt daran, dass vor etwa 40 Jahren ein gewisser Dietmar Hopp für die TSG aufgelaufen ist. Den kennt man vor allem von den Wundergeschichten rund um das Software-Unternehmen SAP. Hopp gehört zu den Gründern des weltweit agierenden Konzerns, den er jahrelang geleitet hat, der ihm bis heute zu einem Teil gehört, der ihn zum Milliardär gemacht hat. Seit er im Firmenalltag nicht mehr den Patriarchen gibt, für den sich jeder Mitarbeiter jederzeit gerne hat ausbeuten lassen, hat er Zeit für seine Hobbys. Für Fußball zum Beispiel. Dietmar Hopp will die Kraft, die ihm als 65jährigen verblieben ist, dafür nutzen, eine Bundesligamannschaft aufzubauen. Ursprünglich war die TSG Hoffenheim dazu ausersehen. Doch seit der DFB das Stadion, das übrigens »Dietmar-Hopp-Stadion« heißt, als zu mickrig eingestuft hat, gibt es neue Pläne, größere.

In Walldorf, dem Ort, in dem der so genannte Software-Riese SAP beheimatet ist, soll ein Stadion mit einer Kapazität von 45 000 Zuschauern entstehen, die »Kurpfalz-Arena«. Wenige Tage nachdem Hopp erfahren hatte, dass in Hoffenheim kein Bundesligafußball gespielt werden darf, präsentierte er bereits Pläne, zeigte Bilder von der Arena der Zukunft. Genehmigt ist zwar noch nichts. Dennoch glaubt Hopp, dass das Stadion 2008 stehen wird. Wahrscheinlich hat Hopp recht, wenn er davon ausgeht, dass man in Walldorf einem Heiligen wie ihm nichts verwehren wird. Für einen wie Hopp werden die Wege schon frei gemacht werden.

Norbert Moll freut sich schon auf die Arena. Er glaubt auch, dass der Retortenverein, der durch eine Fusion der TSG Hoffenheim mit dem FC Sandhausen und Astoria Walldorf als Kurpfalzauswahl entstehen soll, sein Publikum finden wird. Sicher, es werde nicht richtig laut werden, Ultras, die für die Kurpfalz-Kicker bengalische Feuer abbrennen, kann Moll sich auch nicht vorstellen. Aber die Leute, die keine Lust mehr haben, sich Jahr für Jahr aufs Neue vom ruhmreichen Waldhof Mannheim enttäuschen zu lassen, Leute wie er selbst, die einfach Lust darauf haben, gute Fußballspiele zu erleben, gebe es in der Region genügend. »Da wird sich der Hopp schon seine Gedanken gemacht haben«, sagt er mit einer Miene, die Bewunderung ausdrückt für den scheuen Milliardär, der so viel Geld in den Sport investiert.

In seiner Herkunftsregion reden die Menschen über Hopp wie über einen Nachbarn. Wenn Norbert Moll über den ehemaligen Amateurfußballer der TSG Hoffenheim spricht, dann hat man beinahe den Eindruck, er sei persönlich dabei gewesen, als der spätere Software-Mogul einst auf der lehmigen Wiese in Sinsheim gegen den Ball getreten hat. Wenn Hopp zu den Heimspielen der TSG ins Stadion kommt, dann schüttelt er jede Menge Hände von Leuten, die fest davon überzeugt sind, Hopp sei ihr persönlicher Freund, weil er so viel Gutes tue für den Fußball in der Nachbarschaft, für den Sport im Allgemeinen.

Dass Hopps Arena-Pläne auch eine Geschäftsidee sein könnten, das können sich die wenigsten vorstellen. Der zukünftige Bundesligaverein soll einer GmbH unterstehen, die von Dietmar Hopp das Stadion mietet. Der Amateurkicker von einst ist und bleibt nun mal ein Geschäftsmann.

Das hat er auch beim Bau der SAP-Arena in Mannheim bewiesen. Die riesige Mehrzweckhalle, die ein wenig wirkt wie eine eingedampfte Version des neuen Münchner WM-Stadions, soll durch die Nutzung von Spitzenvereinen regelmäßig Geld in die Kassen der Investoren spülen. Die Eishockey-Mannschaft der Mannheimer Adler ist dort ebenso zu Hause wie die SG Kronau-Östringen, Aufsteiger in die Handballbundesliga. Hopp hat dafür gesorgt, dass die Bundesliganeulinge mit einer schlagkräftigen Mannschaft an den Start gehen und die halbe Mannschaft des Pleitevereins und Europapokalsiegers TUSEM Essen verpflichtet. Die Zuschauerzahlen können sich durchaus sehen lassen, obwohl weder Kronau noch Östringen in unmittelbarer Nähe zur neuen Arena liegen. Das Geschäft mit dem Sport scheint zu laufen.

Damit ja keiner auf die Idee kommt, Hopp sei so etwas wie der deutsche Roman Abramowitsch, verweist der Sportgeschäftsmann auf sein Engagement im Jugendbereich. Die Nachwuchsmannschaften der TSG Hoffenheim spielen allesamt in den höchsten Ligen – schon jetzt auf Augenhöhe mit den Jugendteams der großen Bundesligisten. Zudem hat er in Zunzenhausen ein Jugendförderzentrum für Fußballer aufgebaut, hat nagelneue Rasenplätze anlegen, modernste Gebäude errichten lassen und erfahrene Trainer verpflichtet. Dort sollen junge Menschen nicht nur Fußball spielen lernen, sondern auch für das Leben fit gemacht werden.

Was für ein Menschentyp Hopp da wohl vorschwebt? Er wäre sicher glücklich, wenn ihm die Nachwuchskicker einst ähnlich huldigen würden wie die SAP-Mitarbeiter, solange er noch für die Geschäfte zuständig war. Er soll ja so gut gewesen sein, der Dietmar. Einen Dress-Code gab es ebenso wenig wie feste Arbeitszeiten. Und dennoch haben alle mehr gearbeitet, als sie es woanders hätten tun müssen – dem Dietmar zuliebe. Jetzt wird die Jugend der Gegend geformt, wie der Dietmar sie will.

Norbert Moll stört das wenig. Er betrachtet ohnehin alles durch die Fußball-Brille. Wenn Zunzenhausen tatsächlich Spitzenfußballer hervorbringen sollte, dann soll ihm das recht sein. Und wenn er dereinst in der Kurpfalz-Arena die Leistungen eines echten Eigengewächses höflich beklatscht und neben ihm einer sitzt, mit dem er sich während des Spiels in aller Ruhe über Detlef Olaidotter unterhalten kann, dann wird es ihm einfach gut gehen.