Na so was, da stirbt der einfach!

In Wien endete der Prozess gegen Polizisten und Sanitäter, die einen Mauretanier während der Festnahme derart behandelten, dass er erstickte. von martin schwarz, wien

Rein formal war eigentlich alles in Ordnung. Selbst kritische Beobachter von amnesty international bescheinigten dem Vorsitzenden Richter Gerhard Pohnert eine untadelige Prozessführung. Und dennoch bleibt nach den zwei Schuld- und acht Freisprüchen für Wiener Polizisten und Sanitäter Mitte voriger Woche im Prozess um den Tod des Mauretaniers Cheibani Wague ein Makel an dem Urteil hängen. Offensichtlich gelang es der Justiz nicht, eine klare Grenze zwischen erlaubter Amtshandlung und verbotener Amtshandlung mit Todesfolge zu ziehen.

Verurteilt etwa wurde ein Polizist, weil er sich bei Wagues Festnahme im Wiener Stadtpark im Juli 2003 mit seinen 85 Kilogramm Körpergewicht auf den am Boden liegenden und bereits in Bauchlage fixierten Mauretanier stützte. (Jungle World 34/03) Verurteilt wurde auch ein Notarzt, der alles andere als Erste Hilfe leistete. Nicht verurteilt dagegen wurden andere Polizisten, die den Mann ebenfalls derart fest zu Boden drückten, dass er nicht mehr atmen konnte.

Die freigesprochenen Polizisten beriefen sich in ihrer Verteidigungsstrategie vor allem auf die fehlende Ausbildung. Keiner von ihnen hätte erkennen können, dass ein Mensch sterben kann, wenn er mit auf dem Rücken gefesselten Armen in Bauchlage liegt und von mehreren Personen zu Boden gedrückt wird. Keiner? Gesunder Menschenverstand würde vielleicht reichen – ebenso jene Anweisungen, die vom österreichischen Innenministerium nach einem ähnlichen Vorfall im Jahr 1999 ausgegeben wurden. Damals war Marcus Omofuma bei seiner Abschiebung im Flugzeug ebenfalls gestorben, weil die Fixierung des Delinquenten offensichtlich zu fest war.

Dass es überhaupt zu Freisprüchen gekommen ist, erscheint auch angesichts eines anderen Urteils erstaunlich. Denn der Unabhängige Verwaltungssenat in Wien hatte bereits im vergangenen Jahr geurteilt, dass die gesamte Amtshandlung rechtswidrig war – also müssen eigentlich die beteiligten Beamten auch rechtswidrig gehandelt haben.

Die anderen Ungereimtheiten im Umfeld des Prozesses erscheinen bei Ermittlungen gegen Polizisten schon fast wieder normal. So wurden die ersten Ermittlungen nicht von der Justiz durchgeführt, sondern lediglich von einer Abteilung der Wiener Polizei, die für interne Vergehen der Polizisten zuständig ist. Und die Entlastungszeugen der Angeklagten – die meisten von ihnen Polizisten – hatten sich vor ihren Zeugenaussagen vor Gericht mal kurz zum Plausch getroffen. Offiziell, um die »Bekleidungsvorschriften zu klären«, doch ob es bei dem kleinen Meeting nur um korrekt gebundene Krawattenknoten ging, ist zumindest fragwürdig.

Sabine Rudas-Tschinek, die Staatsanwältin in dem Prozess, will jedenfalls nicht aufgeben und hat schon Berufung gegen die Freisprüche eingelegt. Sie ist fest davon überzeugt, dass alle Beteiligten eine gewisse Verantwortung für den Tod des Mauretaniers getragen hätten. Nunmehr wird sich die nächste Instanz mit dem Thema beschäftigen müssen, und der Tod Cheibani Wagues wird wohl weiter auf Klärung warten müssen.

Die Wiener Polizei übrigens sieht weiterhin keinen Anlass, sich andere Techniken der Ruhigstellung eines Festgenommenen einfallen zu lassen als die Fixierung in Bauchlage. Es habe zumindest bisher »keinen Anlass gegeben, in dem Bereich Maßnahmen zur Verhinderung eines lagebedingten Erstickungstodes« zu ergreifen, so der Wiener Polizeipräsident Peter Stiedl. Dass also selbst der Polizeipräsident den Erstickungstod von Festgenommenen in Kauf nimmt, wird seine Untergebene ganz gewiss beruhigen.