Ufos über Europa

Die CIA soll den europäischen Flugverkehr für den Transport mutmaßlicher Terroristen in Foltergefängnisse benutzen. Nun versagen selbst die Republikaner George W. Bush die Gefolgschaft. von martin schwarz

Die Feiern zum ersten Jahrestag der zweiten Amtseinführung von George W. Bush am 20. Januar 2006 werden wohl etwas verhalten ausfallen. Denn ausgerechnet in den Tagen nach dem Jubiläum wird die amerikanische Regierung den Senatoren Rechenschaft über ein peinliches Kapitel des »Kampfes gegen den Terror« ablegen müssen: Laut Gesetz des US-Senates Nummer 2 507 – eingebracht von dem gegen Bush gescheiterten ehemaligen Präsidentschaftskandidaten John Kerry – muss die US-Regierung binnen 60 Tagen dem Senat Aufschluss über jene »Black Sites« geben, die von der CIA offenbar in einigen europäischen und außereuropäischen Ländern betrieben werden. Dabei werden sich die Senatoren nicht mit allgemeinen Erklärungen zufrieden geben, denn Kerrys Initiative sieht vor, dass die Administration exakt Auskunft gibt über die Zahl der Gefängnisse und der Gefangenen, über deren Herkunft, den Grund der Inhaftierung und das Einlieferungsdatum. Gerade noch hatte die Regierung verhindert, dass ein UN-Berichterstatter das Lager in Guantanamo besucht und dort mit Häftlingen spricht, nun scheint sich der Feind im System selbst festgesetzt zu haben.

Besonders bedrückend dürfte die Annahme des Kerry-Gesetzes für George W. Bush sein, denn der von den Republikanern beherrschte Senat hat dem Präsidenten eindeutig die Gefolgschaft verweigert. Zudem hat Bush die Situation auch noch verschärft, als er erstmals androhte, ein Veto einzulegen. Noch dazu machen sich angesichts der vielen außenpolitischen Pannen des Präsidenten auch seine innerparteilichen Kritiker bemerkbar und positionieren sich für die Wahlen im Jahr 2008 als Republikaner mit menschlichem Antlitz. John McCain etwa, ein republikanischer Senator, Freund von John Kerry und möglicher Kandidat für das Amt des US-Präsidenten bei den nächsten Wahlen, warnt jetzt schon vor einer kompletten Vernichtung der außenpolitischen Konzepte der Epoche Bush: »Das bringt uns um«, so McCain.

Denn die Problematik der Antiterror-Maßnahmen aus dem Weißen Haus ist recht komplex: das Outsourcing von Flügen mit Terrorverdächtigen an CIA-nahe amerikanische Unternehmen und die Flüge über europäischen Luftraum haben die Europäer aufgebracht. Das Outsourcing der Folter an mit fundamentalen Menschenrechten nicht innig vertraute Staaten wie Syrien oder Ägypten wiederum entsetzt auch die amerikanische Öffentlichkeit. Und die Nachricht, dass die CIA in Polen, Ungarn oder Rumänien sowie im Kosovo tätig war, bringt auch die Regierungen dieser bisher eng an die USA gebundenen Staaten argumentativ in die Bredouille. Sie müssen sich jetzt immerhin mit dem Europarat auseinandersetzen. Obgleich Polen, Ungarn und Rumänien dem Europarat angehören, scheint die in Straßburg sitzende Monster-Institution zumindest hartnäckiger als die EU-Kommission zu sein. Diese hat schon vor einer Woche die Versicherungen der Regierungen in Warschau und Budapest akzeptiert, dass es keinerlei Geheimgefängnisse gebe.

Doch in Straßburg arbeitet der Brite Dick Marty, Berichterstatter der parlamentarischen Versammlung des Europarates, unverdrossen an der Aufklärung des Falles und lässt sich zumindest bisher nicht davon abbringen. Er will die 31 bisher bekannten CIA-Flüge und die Existenz von Geheimgefängnissen sogar mithilfe von Satellitenbildern belegen. »Diese Bilder könnten Aufschluss geben über neue Arbeiten, die getätigt worden sind und die zu dem Schluss führen könnten, dass dort Gefangene gehalten worden sind. Solche Bilder könnten ebenso vor kurzem vorgenommene Bemühungen aufzeigen, Spuren früherer Einrichtungen zu verwischen«, erklärte Marty. Die Satellitenaufklärung soll bis zum Ende des Jahres 2001 zurückreichen – wird also wohl den gesamten Zeitraum des Antiterror-Kampfes auf europäischem Boden abdecken. Für die Regierungen in Warschau und Budapest, aber auch in Bukarest könnte dies unangenehme Folgen haben, denn sollte die Untersuchung des Europarates bestätigen, dass es tatsächlich geheime Gefängnisse in diesen Staaten gab oder noch immer gibt, würde dies auch bedeuten, dass deren Regierungen bisher die Unwahrheit gesagt haben. Spätestens dann dürfte auch die Europäische Kommission ihre bisherige Haltung der schnellen Absolution überdenken.

Für politische Erosionen wird wohl auch noch das Schicksal des deutschen Staatsbürgers syrischer Herkunft, Mohammed Haydar Zammar, sorgen, der seit Anfang 2002 im berüchtigten Far-Filastin-Gefängnis im syrischen Damaskus sitzt. Denn im Bemühen um uneingeschränkte Solidarität mit den Amerikanern haben auch deutsche Ermittler des BND den deutschen Staatsbürger besucht und vernommen. Natürlich haben sie ihn dabei nicht gefoltert, es dürfte aber kaum zu übersehen gewesen sein, dass amerikanische und syrische Ermittler im Verhör Gewalt angewendet haben – jene »einzigartigen und innovativen Methoden«, wie sie einst der ehemalige CIA-Chef George Tennet umschrieb. Interessant an der Zusammenarbeit des BND mit Syrern ist vor allem der Separatfrieden, den das für den BND zuständige Kanzleramt mit Syrien geschlossen zu haben scheint, um an Zammar transatlantische Bündnistreue demonstrieren zu können: So wurde nach Informationen des Spiegel als Anreiz für die deutsche Verhörbeteiligung die Fahndung nach dem ehemaligen syrischen Botschafter in Ost-Berlin, Feisal Sammak, wegen seiner mutmaßlichen Teilnahme an dem Attentat auf das Maison de France im Jahre 1983 fallen gelassen. Zumindest pikant ist auch, dass das Auswärtige Amt und die Beamten der deutschen Botschaft in Damaskus nicht vom Tun der BND-Ermittler informiert gewesen sein dürften. Der grüne Abgeordnete Christian Ströbele ist gerade dabei, eine parlamentarische Anfrage an die neue Bundesregierung zu diesem Thema zu stellen.

In Österreich – strikt neutral, nicht an den amerikanischen Kriegen beteiligt und seit jeher mit ausgezeichneten Verbindungen zum arabischen Raum ausgestattet – geht man schon einen Schritt weiter: Wegen eines möglichen Überfluges eines CIA-Flugzeuges am 21. Januar 2003 hat der grüne Parlamentsabgeordnete Peter Pilz die Staatsanwaltschaft mittlerweile mit Ermittlungen beauftragt. Das Flugzeug wurde damals von Abfangjägern der österreichischen Luftwaffe abgefangen, fotografiert und zur Staatsgrenze eskortiert. Nun soll die Staatsanwaltschaft auch überprüfen, ob im österreichischen Luftraum Delikte wie Folter oder Entführung begangen wurden – eben in jenem möglicherweise von der CIA gecharterten Flugzeug. Wie sie das anstellen soll, ist allerdings noch nicht so richtig klar.