All You Need Is Law

Als Gewerkschaftsboss war Sergio Cofferati ein Held der italienischen Linken. Heute ist er Bürgermeister von Bologna und betreibt dort eine repressive Politik. von filippo proietti, rom

Er ist der Mann, der im Jahr 2002 Millionen von Menschen auf die Straßen brachte, um für die Arbeiterrechte zu demonstrieren: Sergio Cofferati, der ehemalige Generalsekretär der größten italienischen Gewerkschaft CGIL, wurde damals mit seinem Kampf gegen die Flexibilisierungspolitik der Regierung Berlusconi zum Hoffnungsträger der gesamten italienischen Linken. Zwei Jahre später wählte ihn die »rote« Stadt Bologna zum neuen Bürgermeister. Nicht nur Bologna versprach sich von dieser Wahl einen »Neuanfang«, nachdem es vier Jahre lang von einer Mitte-Rechts Koalition regiert worden war. In ganz Italien sah man Bologna als eine Art »Werkstatt« für die zukünftige Mitte-Links-Regierung nach der wahrscheinlichen Abwahl von Berlusconi im nächsten Frühjahr.

Doch der Neuanfang blieb aus bzw. sah ganz anders aus, als erwartet. Ein Jahr nach seiner Wahl macht Cofferati nur noch wegen seiner repressiven Politik des »Law and Order« von sich reden, der sozial Schwache, Migranten und linke Bewegungen zum Opfer fielen.

Der erste Schock kam im Oktober, als mehrere Romafamilien auf Anordnung des Bürgermeisters aus ihren Baracken am Rand der Stadt mit Bulldozern vertrieben wurden. Diese Unterkünfte seien verfallen, »rechtswidrig« und von »illegalen« Migranten bewohnt, lautete die Begründung, und sie wurden zerstört, ohne dass Stadtrat und Sozialbehörden darüber informiert wurden. Aus seiner neuen Perspektive konnte der ehemalige Verteidiger der Arbeiterrechte die brutale Räumungsaktion als einen »Erfolg« betrachten: Zehn Leute landeten im Abschiebelager, die obdachlos gewordenen Frauen und Kinder mussten einen Monat lang unter einer Brücke schlafen. Der Kampf von Cofferati scheint sich jedoch gegen die falschen »Kriminellen« zu richten: Denn die Mehrheit der »illegalen« Migranten arbeitet in Wirklichkeit schwarz auf den Baustellen der »roten« Stadt, ihnen wird ein legaler Arbeitsvertrag – und damit, nach dem italienischen Zuwanderungsgesetz, automatisch die Aufenthaltsberechtigung – verweigert.

Trotz heftiger Kritik an Cofferatis autoritären Methoden, die von den Koalitionsparteien – vor allem den Kommunisten der PRC und den Grünen – sowie von katholischen Organisationen und von Gewerkschaften geübt wird, lautet das Motto des Bürgermeisters: »Legalität ist links.«

Mehrere Zeitungen bezeichneten Cofferati als »roten Sheriff«, und der Fall Bologna löste innerhalb der italienischen Linken eine heftige Debatte aus: Für Recht und Ordnung zu sorgen, ist das »linke Politik«? Der Bürgermeister scheint fest davon überzeugt zu sein.

Nach der Vertreibung der Romafamilien ließ er eine Studentendemo von der Polizei mit Schlagstöcken beenden. Die Studenten demonstrierten gegen den überteuerten Wohnungsmarkt in Bologna – so wie in vielen anderen italienischen Universitätsstädten – wo es als »normal« gilt, dass Studenten drei- bis vierhundert Euro für einen Platz in einem Zweibettzimmer bezahlen.

Die Studenten haben es in Bologna nicht leicht, und nicht nur wegen der teuren Unterkünfte. Seit Cofferati Bürgermeister ist, dürfen sie nicht mehr auf der Straße feiern. Nachdem mehrere Beschwerden den Bürgermeister erreichten, das studentische Nachtleben störe den Schlaf der Bewohner im Stadtzen­trum, beschloss er, den Konsum und Verkauf von Alkohol auf der Straße nach 21 Uhr zu verbieten.

Für seinen Law-and-Order Kurs erhält Cofferati von den Bürgern in Bolog­na jedoch fast einhelligen Beifall, die lokale Presse trägt ihren Teil dazu bei, indem sie einige Stadtteile als eine Art »Bronx« darstellt, und ständig vom »Verfall« der Stadt schreibt. Der Begriff »Verfall« umfasst mittlerweile alles, was die bürgerliche Ruhe stört. Kriminalität und Drogenhandel werden dabei mit Hundescheiße auf den Gehwegen und nächtlichem Lärm auf den Straßen gleich gestellt.

Die Politik von Null-Toleranz bringt dem Bürgermeister natürlich auch unerwartete Sympathien: Von der rechtspopulistischen, ausländerfeindlichen Lega Nord erntet er Applaus, von der postfaschistischen Alleanza Nazionale wird er bewundert und Berlusconis Partei Forza Italia mag ihn mittlerweile auch. Sogar Luca Cordero di Montezemolo, der Präsident des Italienischen Unternehmerverbandes hat nur Lob für ihn übrig: »Cofferati ist ein richtiger Leader. Gesetz ist weder links noch rechts. Gesetz ist Gesetz.«

In Bologna droht jedoch eine Koalitionskrise. Die PRC und die Grünen drohen damit, ihr Mandat im Stadtrat aufzugeben, die stellvertretende Bürgermeisterin von der linksliberalen Margherita beschwert sich über den »Mangel an Kollegialität«, und die Linksdemokraten »haben es satt, still zuzusehen«. Die Dissidenten will Cofferati auf seine Art ruhig stellen. Im Januar will er der Koalition ein »Papier zur Legalität« vorlegen. Sein Ultimatum lautet: »Wer das Papier akzeptiert, bleibt, wer nicht, muss gehen.«

»Ich will, dass Recht und Ordnung zu nationalen Themen werden.« Damit meint er, dass sich die Linke mit diesen Fragen beschäftigen soll, die »immer ein Monopol der Rechten waren«. Auf nationaler Ebene könnte diese Debatte jedoch zu einer Spaltung des Mitte-Links-Bündnisses für die Parlamentswahlen im nächsten Jahr führen. Nach der skandalösen Vertreibung der Roma hat der Parteivorsitzende der PRC, Fausto Bertinotti, gegen Cofferati massiv mobilisiert. Der Spitzenkandidat des Mitte-Links-Bündnisses, Romano Prodi, hat seine Sorge angesichts der institutionellen und sozialen »Einsamkeit« Cofferatis geäußert und seinen »Mangel an Solidarität« kritisiert.

Nun fragt man sich, ob Sergio Cofferati einfach ein Populist ist, dem es schlicht um die Zustimmung der konservativen Bewohner von Bologna geht, oder ob hinter seiner Politik eine »Strategie« steckt. Das vermutet zum Beispiel Franco Berardi »Bifo«, einer der Protagonisten der Studentenproteste von Bologna im Jahre 1977, der im vergangenen Jahr die Wahlkampagne für Cofferati mitorganisiert hat: »Für ein herzliches Bologna«, stand auf einem seiner Plakate. Jetzt ist Bifo einer derjenigen, die gegen den Bürgermeister mobilisieren: »Die Botschaft, die aus der ›Werkstatt‹ Bologna kommt«, so Bifo, »lautet: Arroganz, Verschlossenheit, Einseitigkeit, Repression gegenüber denjenigen, die Besitz und Spießertum nicht respektieren.« Das sei auf Dauer gefährlich, meint Bifo: »Unter Berlusconi sind die Italiener verarmt, das Durchschnittseinkommen ist in den letzten vier Jahren stark gesunken. Wahrscheinlich wird im nächsten Frühling Prodi die Wahlen gewinnen und die Situation sich nicht verändern.« Die Armen werden immer ärmer, und die sozialen Kämpfe werden sich verschärfen, meint Bifo. »Ein Rechtsextremer wie Cofferati braucht dann nur noch in die Menge zu schießen.«