Die Lobby strahlt

Kampagne für Atomkraft von jochen stay

Es gab in der Geschichte der Atomenergie immer wieder neue Argumente, um sie als Segen für die Menschheit darzustellen. Schon am Anfang des Atomzeitalters, kurz nach der Zündung der ersten nuklearen Sprengköpfe, starteten die USA das Programm »Atome für den Frieden«: Gemeint war die noch heute propagandistisch so genannte »friedliche Nutzung der Kernenergie«. Später hieß es dann, Atomkraft schaffe Arbeitsplätze, Atomkraft sei billig, Atomkraft sichere die Versorgungssicherheit. Mit all dem war und ist es nicht weit her, tatsächlich sichert der AKW-Betrieb nur die Versorgung der Energiekonzern-Aktionäre.

Jetzt gibt es ein neues Argument: »Atome für das Klima«. Freuen sich die Lobbyisten der Stromriesen und Reaktorbauer schon seit vielen Jahren auf jedes neue Horrorszenario der Klimaforscher, um dann ihre angeblich sauberen Reaktoren als Lösung anzupreisen, so ist diese Denkweise inzwischen in der Mainstream-Debatte angekommen, aktuell zu beobachten auf der Weltklimakonferenz in Montreal. In zahlreichen Ländern wird derzeit vor dem Hintergrund der Klimaschutzziele im Kyoto-Protokoll über den Neubau von Reaktoren nachgedacht.

Donald Johnston, Generalsekretär der OECD, forderte schon im letzten März eine bedeutende Rolle für die Atomkraft, um das Klima zu schützen. Aus seiner Sicht ist sie die einzige wirtschaftlich zu betreibende Energiegewinnung, die CO2-frei sei. Das gravierendste Problem der Atomkraft sei die Angst vor der Atomenergie, die die Gegner geschürt hätten.

Auch bisherige Atomkraftgegner wie Verdi-Chef Frank Bsirske knicken ein. Das Parteimitglied der Grünen unterschrieb während der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen ein gemeinsames Pro-Atom-Positionspapier von Energiekonzernen und Gewerkschaften. Seine Begründung: Es könne nötig sein, »übergangsweise mehr Atomstrom zu produzieren, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren, wenn dadurch das Kyoto-Klimaschutzziel leichter erreichbar würde, das Deutschland unterschrieben hat«.

Gerade der Fall Bsirske zeigt, wie bei schlecht informierten Zeitgenossen die Argumente der Lobbyisten verfangen. Fragt man Fachleute, gibt es andere Antworten: Andreas Troge, Präsident des Bundesumweltamtes und CDU-Mitglied, rät von einer Laufzeitverlängerung der AKW ab, auch aus Klimaschutzgründen: »Sieht man sich die gesamte Produktionskette bei der Kernkraft an, also Herstellung, Aufbereitung, Betrieb, Verwahrung und Transporte, dann hat auch die Atomenergie einen beachtlichen Kohlendioxid-Ausstoß.«

Auch der Klimaforscher Mojib Latif von der Uni Kiel hat Bedenken: »Man kann nicht ein Problem lösen, indem man ein anderes der nachfolgenden Generation aufbürdet, nämlich die ungeklärte Frage des Atommülls.« Klimaschutz könne außerdem nur im globalen Maßstab gedacht werden. In der Konsequenz müsse man die Atomkraft auch in politisch instabilen Regionen einsetzen. »Damit öffnet man Tür und Tor zum Bau der Bombe in allen möglichen Ländern«, warnt Latif.

Um die notwendigen dramatischen Einsparungen an CO2 zu erreichen, braucht es eine tatsächliche Energiewende. Dazu gehört Energiesparen als elementarer Bestandteil. Die Nutzung von Atomkraft steht dem jedoch entgegen, da ständig hohe Energiemengen produziert werden, die rund um die Uhr abgenommen werden müssen.

Bleibt ein Hoffnungsschimmer: Auch Uran ist ein endlicher Rohstoff. Es reicht bei gleich bleibender Zahl der Reaktoren noch für 40 Jahre. Wollte man das Klima mit dem Ausbau der Atomkraft schützen, würden die Vorräte noch schneller zur Neige gehen.