Fähnchen für den Freihandel

Die Nachbarstaaten haben das Cafta-Abkommen mit den USA ratifiziert. In Costa Rica ist der Freihandelsvertrag noch umstritten. von knut henkel, san josé

Spätestens am 20. Dezember sollen die costa­rikanischen Abgeordneten endgültig über das Cafta-Freihandelsabkommen abstimmen. So sieht es der Fahrplan der Regierung vor. Die wird nicht müde, für die Annahme des umstrittenen Vertrags zu werben. Arbeitsplätze, wirtschaftliches Wachstum und Zukunftsperspektiven werde der Vertrag bringen, verspricht Präsident Abel Pacheco unermüdlich.

Bereits im Mai 2004 hat er das Papier unterschrieben, und zum Ende seiner Amtszeit will der nicht mehr sonderlich populäre Präsident den Vertrag nunmehr durchs Parlament bringen. Hinter sich weiß er die Unternehmerverbände, die unablässig für die Ratifizierung des Vertrages werben. Fernsehspots laufen in großer Zahl, und es wird versucht, Stimmung für die Annahme des Freihandelsvertrags, in Costa Rica gemeinhin als Tratado de libre Comercio (TLC) bezeichnet, zu machen.

Dafür werden auch schon mal die Regierungsangestellten ins Gebet genommen und zur Not auch in die Hauptstadt San José gekarrt. So wie am 24. November, als rund 10 000 Demonstranten auf die Straße gingen und für die Ratifizierung des Vertrages warben. Handzettel, auf denen stand, wie auf welche Fragen zu antworten sei, hatten einige der Demonstranten genauso dabei wie die vom Präsidenten gesponsorten Baseball-Kappen, T-Shirts und die frisch gedruckten Fähnchen. Volle Bezahlung und Verpflegung für den Arbeitstag im Dienste des Freihandels sollen etliche der Angestellten ebenfalls erhalten haben, so war aus Gewerkschaftskreisen zu hören.

Die Gewerkschaften laufen Sturm gegen den Freihandelsvertrag und organisierten am 18. November die größte Demonstration seit fünf Jahren. Rund 30 000 Menschen, ähnlich viele wie im Jahr 2000, als gegen die geplante Privatisierung des Telekommunikationssektors protestiert wurde, reihten sich in den farbenprächtigen Demonstrationszug ein. Auf zahlreichen Transparenten wurden die Abgeordneten aufgefordert, gegen die Annahme des Freihandelsvertrags zu stimmen und dem Abbau sozialer Errungenschaften und der Privatisierung von Staatsunternehmen Einhalt zu gebieten.

Anders als in den Nachbarländern Nicaragua, Honduras und Panama gibt es in Costa Rica noch einige ausgesprochen lukrative staatliche Unternehmen, die recht gut funktionieren. Das Instituto Costaricense de Electricidad (ICE) betreibt nicht nur das nationale Stromnetz, sondern ist auch der Telekommunikationsanbieter Nummer Eins und damit ein ausgesprochen interessantes Unternehmen für potenzielle Investoren. Das weiß auch die mehrheitlich gewerkschaftlich organisierte Belegschaft, die bisher alle Privatisierungsversuche abwehren konnte und den Freihandelsvertrag mit den USA kategorisch ablehnt.

»Einen Vertrag für die Armen des Landes und nicht gegen sie braucht das Land«, mahnte ein Vertreter der Gewerkschaft im Energiesektor. Derzeit wird die Bevölkerung des Landes nahezu flächendeckend mit Elektrizität versorgt. 97 Prozent der Haushalte sind an das nationale Stromnetz angeschlossen, dies ist beispiellos in der gesamten Region, wo erhebliche Teile der Bevölkerung über keinen Stromanschluss verfügen. Für einen privaten Anbieter wäre die Versorgung abgelegener Dörfer unrentabel, das ist ein wichtiger Grund, weshalb die ICE-Gewerkschaft sich sehr kämpferisch gibt. Sie gehört neben der Gewerkschaft im öffentlichen Gesundheitsbereich zu den einflussreichsten Vertretungen der Lohnabhängigen des Landes.

Mediziner, Krankenschwestern und HIV-Gruppen lehnen das Abkommen strikt ab, weil es scharfe Richtlinien zur Wahrung der »geistigen Eigentumsrechte« enthält und den US-amerikanischen Medikamentenherstellern langfristigen Schutz zusichert. »Die Hersteller von billigen Generika werden ausgebootet, denn die klinischen Daten werden langfristig geschützt«, sagte Guillermo Murillo im Interview mit La Nación, der führenden Tageszeitung San Josés .

Murillo ist Aids-Aktivist in Costa Rica und prognostiziert wie viele andere Fachleute auch steigende Gesundheitsausgaben nach der Unterzeichnung des Cafta-Abkommens. Alle Medikamente, die neu auf den Markt kommen, dürfen den Vertragstexten zufolge nur als Originalpräparate eingesetzt werden. Auf billige Generika, die in Costa Rica und anderen Ländern der Region oft genutzt werden, kann dann immer weniger zurückgegriffen werden. Die Behandlungskosten würden steigen, und das könnte über kurz oder lang die öffentliche Gesundheitsversorgung in Frage stellen.

Auch viele Bauern und Landarbeiter fürchten, durch den Freihandelsvertrag geschädigt zu werden. Zu ihnen gehört Ramón Barrantes. Der Präsident des Dachverbandes der Bananenarbeitergewerkschaften (Cosiba) hat lange Jahre auf den Plantagen der Obstmultis gearbeitet. Er ist durch den täglichen Umgang mit Schädlingsbekämpfungsmitteln steril geworden, längst nicht mehr arbeitsfähig und kämpft dafür, dass es den Arbeitern im Landwirtschaftsektor nicht ähnlich wie ihm ergeht. »Mit der Unterzeichnung des Cafta-Abkommens wird die ohnehin schon laufende Aushöhlung von Rechten, die wir Arbeiter in Costa Rica erkämpft haben, noch schneller vonstatten gehen«, prognostiziert der 47jährige. Das will der groß gewachsene, massige Mann genauso verhindern wie den Import der landwirtschaftlichen Produkte zu Dumpingpreisen aus den USA, die dann den Markt in Costa Rica überschwemmen könnten.

»Wie sollen Kleinbauern, die neben Bananen oder Ananas von der Schweinemast leben, mit den Fleischproduzenten aus den USA konkurrieren?« fragt er. Das konnte bisher niemand den Kleinproduzenten erklären, die chancenlos gegen die stärker technisierte und zudem hoch subventionierte Konkurrenz sind. Das hat das mexikanische Beispiel gezeigt, wo der nationale Markt für das Grundnahrungsmittel Mais binnen weniger Jahre zusammengebrochen ist und eine Million Bauern ihre Existenzgrundlage verloren hat. Barrantes kritisiert zudem, dass die Partner am Verhandlungstisch kaum einen Einfluss auf die Erstellung des Abkommens hatten: »Der Vertrag hat nichts mit Freiheit zu tun, denn er wurde in erster Linie von den USA formuliert und stellt weitgehend eine Kopie des Nafta-Abkommen mit Mexiko und Kanada dar.«

Die Befürworter des Vertrags wie Oscar Arias, der gute Chancen hat, im Frühjahr zum Präsidenten gewählt zu werden, geben wenig auf diese Kritik. Für sie ist der Vertrag die einzige Chance für das Land, »zukunftsfähig« zu werden. Und die Propagandakampagnen verfehlen ihre Wirkung nicht. Viele Abgeordneten haben sich bereits für Cafta ausgesprochen. Und Umfragen zufolge sollen derzeit 56 Prozent der Costa-Ricaner für die Ra­ti­­fi­zie­rung der Freihandelsabkommens mit den USA eintreten.