Präventiv ­überwacht

EU-Richtlinie zu Datenspeicherung von carsten schnober

Unerwartete Einigkeit demonstrierten EU-Rat und Europa-Parlament in den letzten Wochen. Nach monatelangen Debatten einigten sich die Spitzen der beiden großen Parlamentsfraktionen auf eine Richtlinie zur vorrätigen Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten.

Die Richtlinie sieht vor, dass Behörden speichern können, welcher EU-Bürger wann mit wem telefoniert hat. Im Falle von Internet-Verbindungen erhalten die Behörden einen vollständigen Einblick in die kontaktierten Server und die E-Mail-Adressen. Zwischen sechs Monaten und zwei Jahren wird man künftig nachvollziehen können, mit wem die EU-Bürger kommuniziert haben.

Schließlich gehe es hier nicht um den Zugriff auf die Kommunikationsinhalte, sondern lediglich auf die Verbindungsdaten, argumentieren die Befürworter der Massenüberwachung. Die deutsche Justizministerin Brigitte Zypries verglich das mit einem Blick auf den Briefumschlag, ohne ihn zu öffnen. Abgesehen von der Frage, ob nicht bereits die Überwachung der Kontaktdaten gegen nationale Verfassungen verstößt, verschwimmt der Unterschied zwischen Inhalten und Verbindungsdaten bei modernen Kommunikationsmitteln ohnehin. Mit der Adresse einer betrachteten Homepage lässt sich beispielsweise ihr gewöhnlich ohnehin öffentlicher Inhalt jederzeit erneut abrufen. Bei SMS gehören die Inhalte gar fest zu den technisch notwendigen Verbindungsdaten.

Die Organisation der Massenspeicherung überlässt die EU-Richtlinie den jeweiligen nationalen Umsetzungen. Der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble sieht darin kein großes Problem, die Telefon- und Internet-Anbieter speicherten die Verbindungsdaten ohnehin schon, argumentierte er. Das trifft allerdings nur für zu Abrechnungszwecken benötigte Daten und für maximal 90 Tage zu. Ob die Richtlinie juristisch Bestand hat, werden wohl die Gerichte beurteilen.

Die Politik hat mit großer Mehrheit beschlossen, die Privatsphäre der EU-Bürger der weitgehenden Überwachung unterzuordnen. Lediglich die Justiz scheint ihr noch ein Bein stellen zu können.