»Ich werde das Vieh nach Norden treiben«

Kinky Friedman

Deutschland sei sein zweitliebstes Land – nach allen anderen, sagt Kinky Friedman. Als Countrysänger tourte er einst mit Bob Dylan und seiner eigenen Band »The Texas Jewboys«, die Songs wie »They ain’t makin’ Jews like Jesus anymore« spielte. Nachdem er seine Karriere als Musiker beendet hatte, begann er, Kriminalromane zu schreiben, in denen er selbst die Rolle eines New Yorker Hobbydetektivs spielt. Die Mordfälle nimmt er als Anlass, um von sich und seinen skurrilen Freunden zu erzählen. Jetzt will er Gouverneur von Texas werden.

Auf seiner Ranch im Texas Hill Coun­ty erreichten ihn Doris Akrap und Tilman Clauß.

Seitdem bekannt ist, dass du im November als Unabhängiger für das Amt des Gouverneurs von Texas kandidieren willst, bist du in den amerikanischen Medien everybody’s darling …

Mach dir keine Sorgen. Das wird nicht lange so bleiben.

Befürchtest du, dass man im Wahlkampf versuchen wird, dich wegen deiner Vergangenheit voller Kokain und Whiskey zu diskreditieren?

Das wird sicher passieren. Aber davor habe ich keine Angst. Ich habe nur Angst davor, dass ich für eine Weile aufhören muss, über mich selbst zu reden. Eine Schmutzkampagne gegen mich wird allerdings nach hinten losgehen, denn die Texaner werden darin den Bullen erkennen, der nach dem Rodeo-Clown tritt.

Es heißt, dass du einmal die Freundin von John Belushi vor einem Bankräuber gerettet hast, was dich auf die Idee brachte, Krimis zu schreiben. Was hat dich dazu motiviert, es jetzt als Politiker zu versuchen?

Es ist eine logische Konsequenz aus dem, was ich vorher gemacht habe. Wie Willie Nelson einmal bemerkte, habe ich als Musiker niemals Gitarre gespielt. Und auch als Krimiautor war ich daran interessiert, die Wahrheit zu erzählen. Ich verehre Menschen wie Mark Twain und Will Rogers. Das waren Humoristen, die die Wahrheit ausgesprochen haben. Auch ich bin ein Humorist.

Du hast eine Vorliebe für Sprüche, die auf einen Autoaufkleber passen. Einer deiner Wahlkampfslogans lautet: »Kinky for Governor! Why the hell not?« Reicht dies, wenn man dich zur Steuerpolitik fragt?

Üblicherweise antworte ich auf solche Fragen: Vertrauen Sie mir, ich bin ein Jude, ich kenne die richtigen Leute und werde gute Leute einstellen.

Wie lebt es sich als jüdischer Cowboy im christlichen Texas?

Ich bin eher ein Israeli als ein amerikanischer Jude. Ich bin sehr proisraelisch, und die meisten Christen in Texas sind ebenfalls proisraelisch. Israelis und Texaner verbinden einige Gemeinsamkeiten; beide haben den John-Wayne-Spirit. Ich hoffe, das wird mir nützen. Übrigens sind Jesus und Moses meine Helden. Sie waren beide gute jüdische Jungs, die Ärger mit der Regierung hatten. Beide waren pleite, als sie starben. Bis heute inspirieren sie uns zusammen mit Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Father Damien. Ich sage immer: Wenn du Jesus nicht liebst, fahr’ zur Hölle!

Deinen palästinensischen Friseur schlägst du als israelischen Botschafter in Texas vor. Wer bekommt noch einen Posten?

Wenn ich Gouverneur werde, würde dies zunächst beweisen, dass Gott einen Sinn für Humor hat. Wenn wir es schaffen, im März zu den Wahlen zugelassen zu werden, wäre ich der erste unabhängige Kandidat seit Sam Houston vor 146 Jahren. Das wäre mehr als bloß eine Meldung, es wäre ein historisches Ereignis.

Willie Nelson wird mein Energieberater werden. Wir denken, dass Biodiesel die Antwort auf die knapper werdende Ressource Dinosaurierwein ist. Momentan bedienen die Saudis die Jukebox, und wir müssen zu ihrer Musik tanzen.

Hast du auch einen Job für den Detektiv und Nazijäger Steve Rambam, der in deinen Krimis eine wichtige Rolle spielt?

Wenn ich Gouverneur bin, werde ich jede Menge junger Leute ernennen. Lass die Jugend den Staat regieren, ich gehe auf Reisen. Gleich nachdem ich in Las Vegas war, werde ich dann nach Deutschland reisen, und dort werde ich Rambam zu meinem Sicherheitsberater ernennen.

George W. Bush wird für seinen »No children left behind Act« stark kritisiert. Du hast ein alternatives Bildungsprogramm vorgeschlagen, das du durch die Legalisierung des Glücksspiels finanzieren willst.

Die beiden wichtigsten Themen in Texas sind die Bildung und die Grenze. Texas belegt den ersten Platz, was die Anzahl der Hinrichtungen angeht, liegt aber auf Platz 50 im Bildungsranking der amerikanischen Bundesstaaten. Ich werde das umdrehen. Ich werde das Vieh nach Norden treiben, damit der lone star wieder erstrahlt. Mein Motto lautet: »No teacher left behind.« Aber um keinen Lehrer zurückzulassen, müssen wir einen Gouverneur zurücklassen, nämlich den jetzigen.

Der kümmert sich auch nicht um die Grenze. Seine Politik lautet: Bringt uns eure Müden, eure Armen, eure Drogen, eure Bomben, eure Gangs, eure Terroristen – willkommen in Texas! Ich habe dagegen den »Fünf-Mexikanische-Generäle-Plan« vorgeschlagen. Dieser Plan sieht vor, die Grenze in fünf Zuständigkeitsbereiche zu unterteilen. Jeweils einem mexikanischen General wird die Befehlsgewalt über einen ­Abschnitt erteilt. Jeder von ihnen bekommt eine Million Dollar, die wir für ihn verwalten. Immer dann, wenn wir einen Illegalen schnappen, der über die Grenze gekommen ist, ziehen wir dem zuständigen General 5 000 Dollar ab. Das ist Cowboy-Logik. Aber die funktioniert.

Einer deiner Songs heißt »I’m proud to be an asshole from El Paso«. Glaubst du, dass dich eines dieser Arschlöcher aus El Paso wählen wird?

Aber ja doch. Ich war erst letzte Woche in El Paso, wo ich den Song gespielt habe. Das ganze Publikum hat mitgesungen. Das ist auch der Lieblingssong von Laura Bush. In der Londoner Zeitung Observer stand, dass Laura auf einem Treffen in Crawford über den Song mit Politikern plauderte, die gerade dabei waren, den Irak-Krieg vorzubereiten.

Was denkst du von Lauras Ehe- und deinem texanischen Landsmann?

Wir sind Freunde. Ich denke, George ist ein guter Mann, der in einem republikanischen Körper eingesperrt ist. Ich kann übrigens auch Bill Clinton gut leiden. Ich bin der einzige Mann, der im Weißen Haus unter zwei Präsidenten geschlafen hat.

George ist für seine harte Politik in Sachen Todesstrafe bekannt. Hättest du als kalifornischer Gouverneur Tookie Williams begnadigt?

Mit Tookie Williams wurde ein Mann hingerichtet, der vier Menschen getötet und nichts bereut hat. Er wurde zu Recht verurteilt. Ich bin nicht gegen die Todesstrafe, aber gegen die Hinrichtung Unschuldiger. Als George in Texas Gouverneur war, wurden hier jede Woche zwei Menschen hingerichtet. Das werde ich ändern. Aber so, wie der Sudan nicht in der Menschrechtskommission der Vereinten Nationen sitzen sollte, sollten sich die heuchlerischen Europäer mit ihrer blutigen Geschichte nicht als Moralwächter aufspielen.

Im Übrigen sollten die Richter und Geschworene in Strafprozessen aus Prostituierten, Zuhältern, Barkeepern und Pförtnern schmieriger Hotels bestehen. Diese Leute wissen genau, wer schuldig ist und wer nicht.

Was machst du, wenn du nicht Gouverneur wirst?

Momentan plane ich zwar nur eine halbe Stunde in die Zukunft, aber ich werde wohl in beleidigtes Schweigen verfallen, den Rest meines Lebens auf einer Ziegenfarm leben und mit niemandem mehr sprechen.

Auf Deutsch erschienen von Kinky Friedman zuletzt die Romane »Ballettratten in der Vandamstreet« und »Der glückliche Flieger«, beide Edition Tiamat, 2005