Keine Feinde mehr brauchen

Zu Gast bei Freunden von elke wittich

Wahrscheinlich war er sehr stolz, der Kreativling, dem nach vielem Nachdenken der Slogan »Die Welt zu Gast bei Freunden« einfiel, mit dem für die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland geworben wird. »Ha! Das ist es!« wird er gerufen haben, vielleicht gefolgt von einem zünftigen »Heureka!« Allzu wahrscheinlich ist das jedoch nicht, denn dann hätte der Mann, von dem vermutet werden darf, dass er in diesem Moment einen hellrosa Pulli locker über den Schultern trug, jene umfassende Schulbildung erhalten, die zur Ausübung eines geistige A-Skills voraussetzenden Berufes erforderlich ist. Und uns wäre dieser Scheißspruch erspart geblieben. Die Welt. Zu Gast. Bei Freunden. Ah ja.

Der Urheber des Nervspruchs, so ist anzu­nehmen, verfügt über kein besonders ausgeprägtes Sozialleben, was nicht weiter verwunderlich ist. Denn wer möchte schon einen Werber zu seinen Freunden zählen? Und so entstand der Slogan, der bestenfalls als naive Besuchsverherrlichung verstanden werden kann, tatsächlich jedoch eine Menge unschöner Assoziationen aufkommen lässt.

Beginnen wir mit dem Besuch, in diesem Falle also der Welt. Dass diese Welt zu 98,6 Prozent aus Menschen besteht, mit denen man eigentlich nicht mal das Universum, geschweige denn einen viel zu kleinen Planeten teilen möchte, ist schon schlimm genug. Dass auch nur ein Bruchteil dieser unangenehmen Leute im Sommer 2006 fahnen- und bierflaschenschwenkend und laut singend an der eigenen Haustür vorbeizieht und in den Lieblingskneipen und Fußgängerzonen ins Koma sinkt, ist eine Vorstellung, die jegliche Vorfreude auf das Ereignis auf der Stelle tötet.

Auch Besuche bei Freunden verlaufen nur im Idealfall durchweg angenehm. Der gemütliche Abend mit interessanten Gesprächen bei gutem Essen und adäquatem Wein ist nicht planbar. Spätestens von dem Moment an, in dem man an der Wohnungstür klingelt, sollte man sich als erfahrener Besucher darauf einstellen, dass aus dem Plan, eine nette Zeit zu verbringen, nichts werden könnte. Denn die Chance, dass jemand die Tür öffnet, der schlampig gepackte Tüten in der Hand trägt, kurz und geistesabwesend »Hallo! Ich ruf morgen mal an, bis dann!« murmelt, sind so gering nicht.

Wobei es in manchen Fällen schade ist, wenn die Tür ohne Zwischenfall geöffnet wird. Und sich die Einlader eben nicht getrennt haben. Abendessen, bei denen der Gastgeber und die Gastgeberin selbst die Bitte, mal eben das Salz herüberzureichen, zum Anlass für ausgedehnte Beziehungsdiskussionen nehmen (»Siehst du, ich hab’s dir ja gleich gesagt, da ist zu wenig Salz drin, aber nein, du hast ja immer Recht, genau wie letztens, als du…«) oder penetrant das glückliche Paar mimen, um sich in Momenten, in denen sie sich unbeobachtet glauben, Sätze wie »Wir unterhalten uns später noch, glaub ja nicht, dass ich mir das gefallen lasse!« oder »Fängst Du schon wieder an? Wie oft soll ich noch sagen, dass das alles ganz harmlos war?« zuzuzischen, sind aus der Sicht der Besucher nichts weniger als die Hölle.

Woraus folgt: Wenn nicht wirklich fest steht, dass Gastgeber und Eingeladene gleichermaßen entspannt, gut gelaunt und zu intelligenten Unterhaltungen in der Lage sind, sollte man die Sache am besten ganz lassen. Oder verschieben.

Die Welt zu Gast bei Freunden? Mal schauen, wann und ob das geht, vielleicht finden wir ja einen geeigneten Termin. Muss ja nicht in diesem Jahr sein. Und nicht mit deutscher Beteiligung.