»Nicht im Krieg«

Ein Gespräch mit dem Fußballtrainer dragoslav stepanovic

Dragoslav Stepanovic spielte in den siebziger Jahren unter anderem für Roter Stern Belgrad, Manchester City, Wormatia Worms und Eintracht Frankfurt, einen Club, den er später auch als Trainier übernahm. Außerdem trainierte er Vereine wie Bayer Leverkusen und Athletico Bilbao, zuletzt war er beim chinesischen Verein Shenyang Jide tätig. Sein größter Erfolg als Trainer war ein Pokalsieg mit Leverkusen. Vor allem hatte er, nicht nur wegen seiner Vorliebe für Zigarillos und feine Anzüge, so viel Glamour wie nur wenige andere Bundesligatrainer. Heute leitet er im hessischen Schwalbach die Fußballakademie Stepanovic.

Freuen Sie sich schon auf die Fußballweltmeisterschaft?

Na klar. Ich glaube, dass es eine der besten Weltmeisterschaften werden wird, die man überhaupt organisieren kann. Und für meine Generation die letzte, die wir in Deutschland erleben werden.

Was stimmt Sie denn so optimistisch?

Ich freue mich jedes Mal, wenn ich zur Eintracht ins neue Stadion gehe oder in eines der anderen neuen Stadien. Da die Deutschen bekannt sind für ihr Talent zum Organisieren, bin ich sicher, dass sie nichts vermissen lassen werden, was die Zuschauer sehen möchten. Die fußballerische Qualität muss man abwarten, bei einigen Mannschaften, zum Beispiel den vier afrikanischen, die zum ersten Mal an einer WM teilnehmen, bin ich vorsichtig.

Wo werden Sie die Spiele verfolgen?

Viele im Fernsehen. Und wahrscheinlich werde ich die Mannschaft von Serbien-Montenegro zu ihren Spielen nach Leipzig, Gelsenkirchen und München begleiten – und wenn’s gut läuft, noch zu ein paar Spielen mehr.

Haben Sie dort eine offizielle Aufgabe?

Das nicht. Aber es gibt die Idee, dass man mich mit einer Gruppe von Businessleuten zusammentut, damit ich denen erkläre, was eigentlich läuft.

Wüssten Sie aus dem Stand etwas zu einer Partie wie Ghana gegen die USA zu sagen?

Das fällt mir nicht schwer. Und ihr Journalisten werdet sicher alles liefern, was man zur Vorbereitung braucht.

Was denken Sie über die Arbeit von Jürgen Klinsmann?

Am Anfang hat er, glaube ich, aus Unerfahrenheit einige Fehler begannen, die unnötig waren. Mir gefällt sein Ehrgeiz und sein Wille zu sagen: »Wir wollen Weltmeister werden!« Fußballerisch habe ich von der deutschen Mannschaft in der letzten Zeit nicht viel gesehen. Aber es ist immer so, dass ein Land, das sich nicht zu einem Turnier qualifizieren und davor keine offiziellen Spiele bestreiten muss, sich schwer tut. Es ist nicht einfach, Spieler dazu zu motivieren, ihr Bestes zu geben, wenn es nur um ein Freundschaftsspiel geht.

Wie finden Sie allgemein die Stimmung in Deutschland in Sachen WM?

Überraschend gut. Man spricht schon an jeder Ecke darüber und freut sich. Auch wenn man im Hinterkopf den Gedanken hat: Hoffentlich gibt es keine Randale!

Um die zu verhindern, will Innenminister Wolfgang Schäuble die Bundeswehr einsetzen.

Auch ich würde alles tun, damit sich die Zuschauer und Spieler wohl fühlen und sich nicht denken müssen: »Oh weh, wenn hier was passiert, was passiert mit mir?« Ob man da gleich mit Soldaten kommen muss, weiß ich nicht, wir sind ja nicht im Krieg.

Sie waren jugoslawischer Nationalspieler, aber haben nie an einer WM teilgenommen …

… nee. 1974 habe ich die Qualifikation mitgemacht, aber bei der WM, als Jugoslawien gegen Brasilien gespielt hat, lag ich verletzt im Krankenhaus.

Würde es Sie reizen, mal eine Nationalmannschaft zu trainieren?

Ich stand schon kurz davor. 1998 hatte ich mit Nigeria den Vertrag in der Tasche, aber dann hat mich Bora Milutinovic angerufen und gesagt: »Die wollen mich haben.« Da habe ich gesagt: »Du hast mehr Erfahrung, dagegen komme ich nicht an.« Später hat Jugo­slawien Interesse gehabt und Kuwait. Es wäre mein Wunsch, einmal eine Nationalmannschaft zu übernehmen oder als Sportdirektor zu arbeiten.

Werden wir Sie eines Tages als Trainer wieder sehen, vielleicht sogar in der Bundesliga?

Sie wissen, wie das bei uns geht. Man hört von einem lange nichts, auf einmal kriegt er einen Job. Wir bekommen in Minuten Jobs, und wir verlieren in Minuten Jobs. Ich jedenfalls bin fit, und so lange ich oben nicht verkalkt bin, werde ich weiter arbeiten.

Milutinovic hat als Trainer mit fünf verschiedenen Teams an Weltmeisterschaften teilgenommen, der Schwede Sven-Göran Eriksson trainiert England. Dennoch tun sich gerade die so genannten großen Fußballnationen damit schwer, einen Ausländer als Trainer zu engagieren. Woran liegt das?

Ich glaube, dass es schon ein Vorteil ist, wenn eine Nationalmannschaft von jemandem trainiert wird, der die Sprache spricht und die eigenen Leute kennt, ihre Mentalität, ihre Gewohnheiten. Einen Ausländer holt ein Fußballverband nur, wenn er im Land niemanden findet. Und manche haben schon große Erfolge erzielt.

Auch in der Bundesliga sind Trainer aus anderen Ländern eher selten, trotz Giovanni Trapattoni, Branco Zebec oder Ernst Happel. Kann es sein, dass man es als Ausländer einen Tick schwerer hat?

Ich habe solche Erfahrungen nicht gemacht. Man sollte aber auch in einem so traditionsreichen Land eine Mischung aus inländischen und ausländischen Trainern haben. Es muss möglich sein, dass jemand von außen kommt und mit neuen Ideen etwas bewegt.

Hierzulande haben Sie das Image eines Spaßvogels. Stört Sie das?

Nein. Ich bin ein sehr fröhlicher Typ. Gleichzeitig arbeite ich immer hart. Ich habe niemals bei einem Training gefehlt, bin niemals zu spät gekommen. Mein ganzes Leben habe ich gearbeitet wie ein Tier.

Vermissen Sie die Fröhlichkeit im Fußball?

Ja. Und die Journalisten vermissen Typen wie mich. Meine Generation ist trotz aller Arbeit mehr unter die Leute gegangen und hat mehr Freude gezeigt. Heute hat man weniger Spaß. Das ist doch nichts Schlimmes, man kann doch arbeiten und trotzdem fröhlich sein.

Vielen sind Sie vor allem mit einem Satz in Erinnerung …

… Lebbe geht weidda.

Haben Sie es jemals bereut, diesen Satz ausgesprochen zu haben?

Nein. Das erste Mal habe ich das 1992 vor einem großen Publikum gesagt, als wir mit der Eintracht am letzten Spieltag verloren und die Meisterschaft verspielt haben. Und dann habe ich diesen Satz noch mal gesagt, als die Eintracht zum ersten Mal aus der Bundesliga abgestiegen ist.

Das war 1996, nachdem Sie in der laufenden Saison zum zweiten Mal den Club übernommen hatten.

Mit diesem Satz wollte ich den Leuten Mut machen. Weil: Das stimmt schon. Jeder Mensch, jede Mannschaft, jeder Staat erlebt schwierige Zeiten. Aber es geht immer weiter, selbst wenn man das Gefühl hat: Das ist das Ende, alle Auswege sind versperrt.

Eine philosophische Aussage.

Manche Leute nennen mich einen Philosophen. Aber ich habe diese Philosophie von meiner Mutter geerbt. Sie sagte mir: Selbst wenn du irgendwann denkst, es gibt keinen Weg, gibt es doch einen Weg. Das habe ich zu meinem Motto gemacht, als Fußballer und auch sonst im Leben.

Wer wird Weltmeister?

Ich wünschte, es würde Serbien-Montenegro. Aber realistisch ist das leider nicht. Deswegen hoffe ich, dass Brasilien und Deutschland das Finale spielen und Serbien-Montenegro möglichst weit kommt.

Was passiert, wenn Deutschland in der Vorrunde rausfliegt?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Das wichtigste ist, dass es keine Probleme gibt, dass die Leute auf der Straße feiern, egal, wo sie herkommen. Wir wollen schönen Fußball sehen und einen würdigen Weltmeister feiern.

interview: deniz yücel