Kick’n’Mob

Fair geht vor, Teil I

Wann immer den Fußballfunktionären in diesen Tagen danach ist, ihre Sportart zu feiern – und das ist sehr oft –, dann ist viel von Fairplay die Rede, von Sportsgeist und von Menschen miteinander verbindenden anderen hohen Idealen.

Nur ganz selten wird die Idylle getrübt, zum Beispiel durch randalierende Fans. Diese Hooligans, so trösten sich die Offiziellen dann aber in aller Regel schneller, als es dauert, eine kaputte Scheibe vom Glaser-Notdienst reparieren zu lassen, sind allesamt Einzeltäter oder irgendwie gestört und also auf jeden Fall die ganz große Ausnahme.

Hennie Spijkerman sollte man mit solchen Äußerungen derzeit allerdings lieber nicht kommen, der niederländische Fußballtrainer wurde nämlich unter den Augen von Verband und Verein gerade von seinem Arbeitsplatz weggemobbt. Wobei Mobbing wohl ein viel zu schwaches Wort für die Vorfälle ist, die ihn um sein Leben fürchten ließen.

Angefangen hat alles im Oktober 2003. ­Spijkerman wechselte als Nachfolger des wegen Erfolglosigkeit entlassenen Coaches Peter Boeve zum FC Zwolle. Dem Abstieg aus der Eeredivisie konnte er allerdings nicht mehr entgegenwirken, seit dem Sommer 2004 ist Zwolle lediglich Erstligist, zurzeit liegt der Verein zwölf bzw. 13 Punkte hinter Excelsior und VVV auf dem achten Tabellenplatz.

Von 88 Spielen konnten die Zwoller unter Spijkerman 33 gewinnen – zu wenig für die Fans, die sich mit der Zweitklassigkeit nicht abfinden möchten.

So weit, so normal.

Was dann jedoch an Mobbing, Stalking und Bedrohungen folgte, ist selbst für die ganz normalen Verhältnisse, unter denen Trainer arbeiten müssen, bemerkenswert gewesen.

Zunächst erlebte Spijkerman das ganz normale Repertoire erboster Fans. Er bekam Hassbriefe und E-Mails, außerdem erhielt er per Post Waren, die er nie bestellt hatte. Manchmal standen Fans in seinem Garten und beschimpften ihn.

Dann wurden die Drohungen jedoch konkreter, und kurz vor seinem Rücktritt wurde die Situation so ernst, dass der Verein einen Personenschutz organisierte. In Spijkermans Freundeskreis hatte man die Situation wohl schon länger als Besorgnis erregend eingeschätzt, denn bereits in den Wochen zuvor riefen seine Bekannten ihn grundsätzlich nach Auswärtsspielen an, um zu hören, ob er es heil nach Hause geschafft habe.

Hennie Spijkerman muss nämlich wenigstens zeitweise verfolgt worden sein: So fand er beispielsweise nach einem Abendessen im Haus eines der Vereinsverantwortlichen sein etwas abseits geparktes Auto zweifellos von Zwolle-Fans massiv beschädigt vor.

Er selber hätte es sicher geschafft, sich dem Terror nicht zu beugen und weiterzumachen, sagte der ehemalige Torwart vor drei Wochen, nachdem er sich zunächst mit der Trai­nergewerkschaft, »Coaches Betaald Voetbal«, beraten und anschließend seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte. Aber seine Familie werde ebenfalls bedroht, und das mache es ihm fast unmöglich, sich auf seinen Job zu konzentrieren.

Nach Spijkermans Rücktritt war das Entsetzen groß. Die Verantwortlichen von Zwolle kündigten »knallharte Reaktionen« an, in Zusammenarbeit mit dem Fußballverband wurden unmittelbar darauf erste Stadionverbote für einige der Fans ausgesprochen, die sich an der Hetzjagd auf den Coach beteiligt hatten. Zwei Personen dürfen für dreieinhalb Jahre kein niederländisches Stadion mehr betreten, zwei weitere müssen für viereinhalb respektive neun Jahre auf den Besuch von Fußballspielen verzichten.

Der Rest darf feiern, denn immerhin wurde in Zwolle gezeigt, wie einfach man einen ungeliebten Trainer loswird.

elke wittich