Der Koloss will einkaufen

Übernahme des spanischen ­Energiekonzerns Endesa von thorsten mense

Im Mai vergangenen Jahres erklärte die IG Metall ihren Mitgliedern, wer die wahre Gefahr für deutsche Unternehmen darstelle: Schwärme von Blut saugenden Mücken mit Zylinderhüten in den US-amerikanischen Farben. Wäre die IG Metall eine spanische Gewerkschaft, würde das Böse derzeit wohl als Teutone mit Bayernhut dargestellt, der, anstatt die Unternehmen hinterlistig auszusaugen, sie einfach niederwalzt.

Der deutsche Energiekonzern Eon schaltete sich vergangene Woche in die Übernahmegespräche mit dem spanischen Konzern Endesa ein und legte ein Angebot vor, das den spanischen Konkurrenten Gas Natural um fast 30 Prozent überbietet. Um keine Diskussionen aufkommen zu lassen, will Eon die gebotenen 29,1 Milliarden Euro gleich in bar bezahlen. Nun geht in Spanien die Angst vor dem »deutschen Koloss« umher, wie die linksliberale Tageszeitung El Periodico titelte. Die Regierung reagierte anfangs noch zurückhaltend verärgert. Regierungschef José Luis Zapatero erklärte, die Regierung »respektiert die Regeln des Marktes«, aber man ziehe es doch vor, dass der Energiesektor in »spanischen Händen« bleibe.

In der spanischen Öffentlichkeit hingegen ist die Aufregung groß. Die Diskussion verläuft dabei in gewohnter Weise, wie immer wenn ein transnationales Unternehmen ein anderes schlucken will. Die Gewerkschaft UGT ist besorgt, dass mit der Übernahme durch Eon die Unternehmensleitung nicht mehr im Interesse des spanischen Staates und seiner Arbeiter handeln, sondern nur noch an den Profit denken würde. Zudem gebe es Gerüchte, dass spanische Arbeitsplätze in Gefahr seien. Die Verbraucherorganisation Facua spricht von einem Vorgang mit »rein spekulativem Charakter«, der nicht die Interessen der Verbraucher berücksichtige.

Manches davon mögen berechtigte Sorgen sein, jedoch auch ohne die Übernahme durch Eon. Denn Unternehmen handeln stets im eigenen Interesse und nicht in dem der Arbeiter und Verbraucher. So kann und will in dieser Diskussion niemand erklären, warum ausländische Unternehmen mehr Interesse an Profit haben sollten, oder besser gesagt, warum eine »einheimische« Unternehmensleitung nicht nach den Regeln des Kapitalismus agieren sollte.

Für das Parteienbündnis Vereinigte Linke und die katalanischen Linksnationalisten der ERC liegt das Problem ganz woanders: in Katalonien. Der konservative PP wolle verhindern, dass ein katalanisches Unternehmen den spanischen Energiemarkt übernehme. »Besser deutsch als katalanisch?« lautet die vorwurfsvolle Frage der Kritiker. Denn Haupt­aktionär von Gas Natural ist die katalanische Sparkasse La Caixa.

Wegen des öffentlichen Drucks sah sich die spanische Regierung Ende vergangener Woche nun doch veranlasst einzugreifen. Sie erweiterte die Kompetenzen der staatlichen Regulierungsbehörde CNE, so dass diese nun ein Veto gegen die Übernahme einlegen könnte, was wiederum die EU zu Kritik provozierte. Ein Eingreifen seitens der spanischen Regierung sei »illegal«, die Übernahme eines Energiekonzerns eine europäische Angelegenheit und zudem müssten die Regeln für den freien Kapitalfluss respektiert werden, verkündete EU-Kommissionssprecher Jonathan Todd. Eon würde mit der Übernahme zum weltweit größten Lieferanten von Strom und Gas aufsteigen, mit über 50 Millionen Kunden in mehr als 30 Ländern. Mit Peanuts gab man sich in Deutschland ja noch nie zufrieden.