Und hatten Asbest an Bord

Die indische Regierung will in Frankreich Atomkraftwerke kaufen. Auch die militärische Zusammenarbeit soll intensiviert werden. von bernhard schmid, paris

Die Aussicht auf Verträge für den Neubau von 25 Atomkraftwerken hat man als westlicher Staatschef nicht mehr alle Tage. Jedenfalls nicht, seitdem die Technologie durch gesellschaftliche Widerstände in den Industrieländern und wegen möglicher militärischer Hintergründe beim Aufbau von Nuklearanlagen in so genannten Schwellenländern in Verruf geraten ist.

Gut trifft es sich da, dass Indien sich in ein ehrgeiziges »ziviles Nuklearprogramm« stürzen möchte. Jedenfalls aus der Sicht eines französischen Präsidenten, dessen Land zu den führenden Herstellern von Atomtechnologie gehört, dafür jedoch kaum noch Absatzmärkte findet. Neben Abkommen, die unter anderem die Lieferung von 43 Airbus-Flugzeugen und die Intensivierung der militärischen Kooperation betreffen, wurde am Dienstag der vergangenen Woche zum Abschluss von Jacques Chiracs Indien-Besuch auch eine Grundsatzerklärung zur atomaren Zusammenarbeit unterzeichnet. Probleme mit dem Atomwaffensperrvertrag hat Indien nicht, denn das Land hat ihn nie unterschrieben. Seit 1998 besitzt es offiziell die Atombombe. Auch die USA haben bereits im Juli 2005 eine Vereinbarung über nukleare Zusammenarbeit mit der Regierung in New ­Delhi geschlossen.

Um sich den Besuch nicht verderben zu lassen, schaffte Chirac kurz vor seiner Abreise ein Problem aus der Welt. Das französische Verteidigungsministerium hatte den seit 1997 ausgemusterten Flugzeugträger »Clemenceau« an eine Briefkastenfirma in Panama weiterverkauft, die das gesundheitsgefährdende Ausschlachten des mit Asbest verseuchten Schiffs im indischen Alang vornehmen lassen wollte. Am 31. Dezember hatte das Wrack der »Clemenceau« Toulon verlassen. Doch es blieb fraglich, ob die indische Justiz die Einreise in Hoheitsgewässer des Landes genehmigen würde. Gleichzeitig klagten in Frankreich Asbest-Krebsopfer zusammen mit Greenpeace gegen den Giftmüllexport und forderten, dass die Demontage in Frankreich unter Anwendung der dort geltenden Umweltgesetze erfolgen müsse.

Der Conseil d’Etat, das höchste Verwaltungsgericht, schickte sich an, den Klägern Recht zu geben. Doch Chirac kam ihm zuvor, »um seine Indien-Reise zu retten« (Le Monde), während die Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie einen seiner berüchtigen Wutanfälle erleben durfte. Der Präsident ordnete die Rückführung des Wracks an, das bereits im Indischen Ozean dümpelte. Statt Geld auf Kosten der Gesundheit von Indern zu sparen, muss der französische Staat jetzt allein für die Rückreise nach Frankreich eine Million Euro zusätzlich ausgeben. In Indien jubelten alle großen Gewerkschaften und Umweltverbände.

Die »Clemenceau« hatte vor ihrer letzten Fahrt bei vielen Krisen die geopolitischen Ambitionen Frankreichs repräsentiert, unter anderen kreuzte sie ab 1982 vor der Küste des Libanon und nach 1993 während des Bürgerkriegs in Ju­goslawien in der Adria. Dies bleibt nun dem noch nicht schrottreifen Flugzeugträger »Charles de Gaulle« überlassen. Im Rahmen von Manövern, die in den kommenden Wochen mit den Streitkräften Indiens, aber auch Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate abgehalten werden, lief der Flugzeugträger am Samstag in Richtung des Persischen Golfes aus.

Es sei »ein offenes Geheimnis«, schrieb France Soir am Wochenende, dass er strategische Atomwaffen an Bord führe. Das eigentliche Ziel sei eine Demonstration der Stärke vor den Küsten des Iran, hatte Libération bereits eine Woche zuvor geurteilt. Chirac hatte im Januar nicht näher benannten Staaten, die »terroristische Mittel« einsetzen, mit nuklearen Gegenschlägen gedroht.