Wirklich zum Weinen

»Dresden« im ZDF
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»Sehr geehrte Anwohner (…) Wie Sie vielleicht wissen, bestand vor allem in den letzten Kriegsjahren in deutschen Großstädten Verdunkelungspflicht, um alliierten Fliegerverbänden die Zielsuche zu erschweren. Diese Situation wird auch an den betreffenden Drehtagen gefordert sein.« Was müssen sich die Anwohner der Dresdner Altstadt gedacht haben, als sie diese Aufforderung vor einem Jahr in ihrem Briefkasten fanden? Kommen die Bomber wieder, oder warum sollen wir den Alliierten die Zielsuche erschweren?

Nein, ein Film wurde gedreht: Mit der zehn Millionen Euro schweren Produktion setzt das ZDF seine schier endlose Dresden-Reihe diesmal in Form eines Spielfilms fort. Man hatte einen Drehbuchautoren gefunden, der moralisch geeignet schien. Schließlich fiel seine Entscheidung für den Stoff im Januar 2003, kurz bevor, so erklärt es Stefan Kolditz, »einer der verlogensten Kriege der Gegenwart« begann – der Irak-Krieg. Mit dem »fleischgewordenen Dildo« (Eigenbezeichnung) Heiner Lauterbach und »Landei Lolle«, Felicitas Wolf, hatte man denn auch die big names des deutschen Films gewonnen und das hingelegt, was zu erwarten war: einen sehr deutschen Film.

Die deutsche Opferstilisierung wird auch in diesem Fernsehzweiteiler ungebrochen weiter gepflegt. Zwar verweigert er sich der beliebten Lügen vom ­militärisch sinnlosen Angriff, von den Tieffliegern, vom blutdürstigen britischen Bomberpiloten, ebenso der in der DDR verbreiteten Lüge, die »Angloamerikaner« hätten mit Dresden schon nicht mehr Nazi-Deutschland besiegen, sondern die Rote Armee behindern wollen. Und doch gibt es nur eine für die Katharsis geeignete Rolle, nämlich die Deutschlands.

Rund um die abwegige Lovestory zwischen einer deutschen Krankenschwester und einem britischen Piloten entspinnt sich die Geschichte einer deutschen Familie vor und während des Bombenangriffs im Februar 1945, die schon allein deshalb völlig absurd erscheint, weil sich alle Protagonisten während des großen »Feuersturms« irgendwie zufällig mitten im Inferno auf der Straße wieder treffen, als wären sie morgens auf dem Weg zum Bäcker.

Man könnte über die unrealistische Handlung vielleicht großzügig hinweg­sehen, wenn nicht Dresden das Symbol deutscher Opfer-Inszenierung wäre und wenn man es mit einem Hollywoodschinken zu tun hätte, der sich vorgenommen hat, Kinosäle zu füllen und drei Stunden Unterhaltung zu bieten. Doch wenn das öffentlich-rechtliche ZDF eine Fernsehproduktion in Auftrag gibt, mit dem Anspruch, ein »historisches Ereignis fiktional zu rekonstruieren«, dann muss man mit dem Schlimmsten rechnen. Und das tritt dann drei Minuten vor Film­ende ein: Plötzlich befinden wir uns im Jahr 2005, Horst Köhler erscheint im Bild und erklärt zur Einweihung der Frauenkirche (Gerhard Hauptmann zitierend): »Wer das Weinen verlernt hat, der lernt es wieder beim Untergang Dresdens.« Spätestens jedoch bei dieser Schlusseinstellung, in der sich ein Filmdrama so offen zur plumpen Propaganda bekennt. So nötig haben es die Deutschen offenbar.

ivo bozic

»Dresden«, 5. und 6. März jeweils um 20.15 Uhr im ZDF