Links & lustig

Über Humor lachen von jürgen kiontke

Die Linke und der Humor – es ist schon verdammt schwer, einen der beiden Begriffe zu bestimmen. Ein Beispiel: In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Sozialismus findet sich ein von »Professor Michael Brie, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Bereichsleiter Politik­analyse« geschriebenes Supplement mit dem Titel: »Die Linke – was kann sie wollen?« Dort kann man lesen: »Die Linke will einen Richtungswechsel der Politik einleiten. So unterschiedlich die Forderungen im Einzelnen sein mögen, so stehen soziale Gerechtigkeit, Demokratisierung und friedliche Konfliktlösung in Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus auf der Tagesordnung.« Von Humor keine Rede.

Die Linke muss sich mit vielen traurigen Dingen befassen. Wer ständig friedlich gegen Heuschrecken, Nazis und sich selbst kämpfen muss, dem kann der Humor schon mal ganz unfriedlich abhanden kommen. Auch die Jungle World kann ein Lied davon singen. Sie unterhält eine Comicseite, und da geht’s immer drum: Sind die Strips lustig? Doof? Sexistisch? Faschistoid? Karikaturenstreit ist hier der Alltag.

Andererseits: Es war immer eine Behauptung der Linken, Lachen sei reine Anarchie und damit angewandte Herrschaftskritik. Meine Erfahrung mit Humor in linken Medien sah oft so aus: »Schreib doch wieder mal was Lustiges!«, hieß es auf der Redaktionskonferenz. Gesagt, getan. Am nächsten Morgen schrie der Geschäftsführer vor Wut vier Stunden am Stück wegen der Abokündigungen. Auch schon gehört: »Ich find’s witzig, aber der Chef nicht«, »Hahaha!«, »Das ist jetzt gar nicht ulkig!«, »Gekauft«, »Passt nicht ins Format«, »Immer her damit«, »Wir hätten da noch einen Job frei – im Versand!« Aber ich war doch immer derselbe, oder etwa nicht? Wie ist das möglich?

Humor bedeutet auf Lateinisch Feuchtigkeit. Eine gewisse Schlüpfrigkeit ist ihm zu ­eigen. Humor ist Goethe zufolge das Mittel, sich selbst richtig zu erkennen: »Wer sich nicht selbst zum Besten haben kann, der ist gewiss nicht von den Besten.« Altersabhängig ist Humor auch, und individuell. Grenzen linken Humors verlaufen zwischen Ost, West, oben, unten, Mann, Frau, zwischen zwei Bierflaschen und den eigenen Gehirnhälften. Satiriker sagen: Humor ist zu harmlos. Als wär’s nicht genug: Unfreiwillig komisch ist die Linke auch noch, samt ihrer Witzereißer.

Über »Linke Spießer« sang die linke Punk-Band Slime ein ganzes Lied voll, die postmodernen Marxisten Gilles Deleuze und Félix Guat­tari propagierten gar den »lachenden Schizo«. Schön. Viele der zur Linken gerechneten Humorspezis hängen an der Flasche. Es ist zum Heulen mit dem linken Humor! Von diesem gab und gibt es viele Spielarten. Sie reichen vom Witz bis zur politischen Tat. Und ebenso viele Reaktionen der Linken gibt es auf ihren eigenen Humor. Die reichen vom Lachen bis zur Erschießung von Brillenträgern.

Jeder Linke geht zumeist von der Homogenität der linken Idee aus: Links ist, was er oder sie dafür hält. Präjudiziert man hingegen die Heterogenität der Szene, also die Gleichzeitigkeit verschiedener Ansätze des Linksseins als dessen Voraussetzung, driftet die Linke ins Liberale ab und beraubt sich ihrer politischen Schlagkraft. Die Folge für den Humor: Man könnte sich auf »Karikaturen gegen rechte Gewalt« als allgemeinverbindlich einigen, das wäre demokratisch. Sich aber im Sinne des guten Humors »zum Besten« zu halten, ist hingegen geradezu etwas Elitäres!

Neulich fand ich das ganze Dilemma in einem Internetforum zur grundlegenden Humorfrage schön getroffen: »Ich kann über Humor nicht lachen. Das fällt mir echt schwer.«