Nur ein Plop

Die Regierungsbildung in Israel von andré anchuelo

Der erwartete »große Knall« fand nicht statt, es blieb bei einem »mittleren Plop«: Lautmalerisch analysierte Herb Keinon, Kommentator der Jerusalem Post, die Ergebnisse der israelischen Parlamentswahlen vom Dienstag vergangener Woche. Dem amtlichen Endergebnis zufolge kommt die erstmals angetretene Kadima-Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert auf 29 von 120 Sitzen. Damit ist die Kadima zwar die klare Wahlsiegerin, denn sie stellt die mit Abstand größte Fraktion. Doch war ihr, und darauf spielt Keinon an, zuvor ein weitaus größerer Triumph vorausgesagt worden. In Umfragen lag sie zeitweise bei 40 Sitzen. Umso schwieriger dürfte für Olmert nun die Bildung einer Regierungskoalition werden.

Mit den Stimmen der Kadima, der zweitplatzierten Arbeitspartei, der linksliberalen Meretz und der Rentnerpartei Gil hätte er eine knappe Mehrheit für seine Pläne einer einseitigen Abkoppelung von den Palästinensern. Doch die Arbeits- und die Rentnerpartei wären mit ihren zusammengenommen 27 Mandaten eine starke Lobby für die Wiederherstellung und die Erhöhung sozialstaatlicher Leistungen, während die Kadima eine wirtschaftsliberale Politik präferiert.

Insbesondere der Wahlerfolg der Gil, die auf Anhieb sieben Mandate erreichte, dürfte als Protest gegen die Kürzungspolitik der bisherigen Regierung zu verstehen sein. Auch die Wahlkampagne der Arbeitspartei unter ­ihrem neuen Vorsitzenden, dem langjährigen Gewerkschaftschef Amir Peretz, beinhaltete in erster Linie Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut. Statistiken zufolge lebt inzwischen etwa ein Drittel der Israelis unter der Armutsgrenze.

Doch mit anderen Koalitionspartnern hätte es Olmert nicht unbedingt leichter. Die sephardisch-orthodoxe Shas-Partei, die drittstärkste Kraft in der Knesset, hat sich bereits mit der Arbeitspartei verständigt, um gegen die Kadima höhere Zahlungen für soziale Belange durchzusetzen. Zudem ist ihre Meinung zu Olmerts Abkoppelungsplänen unklar. Die rechte Partei Yisrael Beitenu hingegen, die vor allem von russischen Neueinwanderern gewählt wird und auf elf Sitze kommt, steht der Kadima wirtschaftspolitisch näher, war allerdings bisher strikt gegen territoriale Zugeständnisse.

Zur Überraschung vieler Beobachter verkündete Olmert in seiner Siegesrede, »dauerhafte Grenzen des Staates Israel« durch »Verhandlungen und mit einem Abkommen mit unseren palästinensischen Nachbarn« erreichen zu wollen. Nur für den Fall einer fehlenden Verhandlungsbereitschaft der Palästinenser werde »Israel sein Schicksal selbst in die Hand nehmen«.

Dass jedoch erfolgreiche Verhandlungen unwahrscheinlich sind, zeigen die jüngsten Geschehnisse in den Palästinensergebieten. Am Wahltag gab es erstmals einen Angriff vom Gaza-Streifen auf isra­elisches Territorium mit einer Katyusha-Rakete, die zum Glück keinen größeren Schaden anrichtete. Im Gegensatz zu den bisher verwendeten selbst produzierten Kassam-Raketen werden die Kat­yushas industriell gefertigt, unter anderem im Iran. Sie haben eine wesentlich größere Reichweite und Zielgenauigkeit. Unklar ist bislang, ob der Is­lamische Jihad, der hinter dem Angriff steht, es bereits geschafft hat, größere Mengen dieser Raketen in die Palästinensergebiete zu schmuggeln. Am Donnerstag der vorigen Woche folgte dann ein Selbstmordattentat, bei dem vier Israelis in der Westbank getötet wurden. Zu den Morden bekannten sich die Al-Aqsa-Brigaden, die mit der Fatah-Bewegung des Palästinenserpräsidenten Mahmoud Abbas verbunden sind.