Heide Simonis kann nicht tanzen

Je schlechter die Performance, desto größer der Spaß: Prominente versuchen sich in der RTL-Show »Let’s Dance« an Walzer oder Cha Cha Cha. von elke wittich

Es gibt einige Tätigkeiten, bei denen man nicht gerne beobachtet werden möchte. Dazu gehören das Nasebohren ebenso wie das Anprobieren sich als drastisch zu klein entpuppender Klamotten oder der Versuch, sich in einer nur ungenügend beherrschten Fremdsprache verständlich zu machen, sowie die Erfahrung, beim Flirten gnadenlos abzublitzen. Und das Erlernen des Tanzens, denn unmusikalisch zu sein, kein Rhythmusgefühl zu haben oder insgesamt ein ausgewiesener Bewegungslegastheniker zu sein, ist ein fast ebenso peinlicher Mangel wie Schnarchen oder Inkontinenz.

Tanzen gehört zu den Fähigkeiten, die man einfach zu haben hat, und wer es nicht kann, der ist zwar selbst in der Lage, den Mangel mit coolem Herumstehen zu kaschieren, wird es eben allerdings auch niemals lernen, denn dazu wäre es ja notwendig, irgendwann in Bewegung zu kommen, was wiederum vor Publikum für jeden Nichttänzer mit minimalem Selbstbewusstsein völlig unmöglich ist – so entsteht ein moderner Teufelskreis.

Somit war klar, dass man sich bei der neuen, auf acht Folgen angelegten RTL-Show »Let’s dance« gemütlich auf dem Sofa sitzend stellvertretend für die da im Fernsehen herumtanzenden Prominenten schämen würde. Wobei wirkliche Prominente unter den acht Kandidaten, die unter Anleitung absoluter Profis erst tanzen lernen und anschließend live das Gelernte vorführen müssen, fehlten. Die Blamagegefahr muss selbst RTL-erprobten Nervensägen wie Roberto Blanco, Daniel Küblböck oder Tatjana Gsell einfach zu hoch gewesen sein, anders ist es nicht zu erklären, dass die Show mit Personen bestückt wurde, die entweder in die Kategorien »erwiesene Has-Beens« oder »nicht besonders glamourös« fallen.

Immerhin: Es handelt sich um mutige Vertreter der F-Prominenz, denn einige Jury-Mitglieder machen gleich klar, dass sie eine Menge von den Tanzschülern erwarten. Den Eleven an die Seite gestellt wird jeweils ein Profitänzer, so dass jedes Paar zumindest eine tanzerprobte Person aufweist.

Den Anfang macht die Schauspielerin Wolke Hegenbarth aka Lolle, an deren Cha Cha Cha-Vorführung für den Laien nichts weiter auszusetzen ist, außer dass sie dabei ein hellblau glitzerndes Fransenensemble trägt, das wie ein zu einem Kleid verarbeitetes Planschbecken mit Lametta dran aussieht, aber von Jurorin Katharina Witt sehr gelobt wird. Gut, die trägt ein bierflaschengrünes Samt­sakko, ist aber zum Ausgleich auch chronisch begeistert. Selbst von »Brisant«-Moderator Axel Bulthaupt, der zusammen mit der russischen Profitänzerin Anna Karina Mosmann zunächst beim Üben gezeigt wird. »Denk an Nurejew und die Pawlowa«, feuert die Meisterin ihren höchst ungeschickt agierenden Schüler an. »Alle schon tot«, murmelt der bekennende Nichttänzer entnervt und muss immer wieder über sich selber lachen.

Der langsame Walzer, den die beiden schließlich präsentieren, besticht entsprechend durch den Vortrag der verbissen lächelnden Tänzerin, während Bulthaupt sich sicherheitshalber so wenig wie möglich bewegt. »Das festgetackerte Lächeln, wie hast du das hinbekommen, mit Eisspray?« fragt Moderator Hape Kerkeling die in Lila angetretene Anna Karina später. »Nein, das kommt von innen«, antwortet sie. Die Jury-Noten sind niederschmetternd: Gleichmäßig werden Fünfen verteilt.

Viel Grund zu Hoffnung besteht auch für das nächste Paar nicht, das sind der ehemalige Zehnkämpfer Jürgen Hingsen und Uta Deharde, immerhin deutsche Vizemeisterin im Standardtanzen und, so die Selbstbeschreibung, »eine Tänzerin mit viel Eleganz, die ein bisschen was Katzenhaftes hat«.

Was nicht unbedingt gut zum Bierbauch von Hingsen passt, der überdies zum Training in eine schwarze, äußerst enge Prolo-PVC-Jogginghose gepackt wurde.

Der vorgeführte Tanz besteht dann logischerweise hauptsächlich daraus, dass der Ex-Sportler rhythmisch auf der Stelle wackelt, während die Profi-Bewegungskünstlerin in einem Sicherheitsabstand von einem knappen Meter um ihn herumtanzt. Trotzdem sieht das gut aus, denn Hingsen schafft es, dabei auszusehen, als sei er sich seiner Unzulänglichkeiten zwar bewusst, habe aber gleichwohl enorm viel Spaß an der Sache. Das könnte der entscheidende Hint für diejenigen unter den mehr als drei Millionen Zuschauern sein, die in der Hoffnung, das Tanzen beigebracht zu bekommen, eingeschaltet haben: Einfach, so gut es geht, loslegen – und wenn man sich nicht dafür schämt, gibt man Zuschauern auch keinen Grund für hämische Kommentare.

So sieht das auch die Jury, die beim Punktevergeben ganz außergewöhnlich fröhlich ist, bis auf den strengen Tanzlehrer ganz rechts, der viele Dieter-Bohlen-artige Bemerkungen macht und so für gute Unterhaltung sorgt.

Die weiteren Vorführenden sind aus Laiensicht dagegen viel zu gut, um wirklich Spaß zu machen. Sandy, ehemals Mitglied der No Angels und als solche das Einüben von Choreografien gewöhnt, liefert mit ihrem Partner eine ebenso gute und einwandfreie Performance ab wie die ehemalige Hochspringerin Heike Henkel, der Körperbeherrschung und graziöse Bewegungen einfach zu liegen scheinen.

Jochen Herbst ist dagegen wieder ein absoluter Lichtblick: »Können wir nicht ein Notprogramm machen?« fragt er seine Lehrerin irgendwann entnervt. »Das ist bereits das Notprogramm«, antwortet diese kühl, und so nimmt das Elend seinen Lauf.

Immerhin ist der Mann Schauspieler und schafft es, so auszusehen, als habe er so etwas wie einen Plan von dem, was er da aufführt. Was auch auf Wayne Carpendale zutrifft, der mit der ihm zugeteilten goldglitzernden Blondine aus Schweden einen Cha Cha Cha hinlegt, der vor allem eines zeigt: Es gibt Menschen, die zum Nichttänzer geboren sind.

Aber es geht, ganz wie im wirklichen Leben, immer noch schlimmer. Ganz zuletzt betritt Heide Simonis, mittlerweile bei Unicef beschäftigt, ohne Brille und vor allem ohne einen der Hüte, für die sie in ihrer Zeit als Politikerin berühmt war, das Parkett.

»Der Herr führt, nicht der Stärkere«, hatte ihr Tanzlehrer Hendrik Höfken irgendwann leicht genervt erklärt, während sie strahlte: »Ich habe das Gefühl, ich kann beim Tanzen schon rechts und links unterscheiden.«

Nur leider ist das nicht Tanzen, was sie da macht – verlegen und steif in den Knien, mit derart verspannten Schultern, dass man schon vom Zusehen Kopfweh bekommt, lässt sie sich über das Parkett schieben, wobei der rosa Fummel, den man ihr aufgeschwatzt hat, wunderbar mit ihrem ängstlichen Lächeln harmoniert.

Mit einem Wort: Das sieht alles ganz schrecklich aus und ungemein Mitleid erregend, und vor allem so, als mache es keine einzige Millisekunde Spaß.

Warum nimmt man dann eine derart offenkundige Tortur in Kauf und riskiert vor einem Millio­nenpublikum seinen Ruf als zwar durchgeknallte, aber doch einigermaßen nonchalante Frau?

Vor dem Juryurteil und als Ermunterung für die Anrufer, die per Ted bis zur nächsten Sendung darüber entscheiden dürfen, welches Paar als erstes aus der Show fliegt, betont Simonis, dass ihre Gage Unicef zugute käme. Ließe sich das Geld aber nicht mit einem Galadiner weit einfacher sammeln? Wahrscheinlich, ja, aber das würde dann nicht im Fernsehen übertragen, so einfach kann mediale Schmerzfreiheit sein.