Bauern auf der Palme

Palmöl findet sich in Margarine und Seifen, es ist jedoch auch ein Rohstoff für die Produktion von Biodiesel. Die wachsende Nachfrage hat verheerende Folgen. von knut henkel

Haze« nennen die Einwohner in Indonesien und Malaysia die dicke Rauchwolke, die wäh­rend der Trockenzeit große Teile Süd­ostasiens überzieht und die Sonne verdunkelt. Die lokale Bevölkerung hat sich längst an »Haze« gewöhnt, und viele Bewohner zucken mittlerweile nur noch hilflos mit den Schultern, wenn sie auf die Wolken angesprochen werden, die eine direkte Folge der alljährlichen Brandrodung von Regenwald sind. Verantwortlich dafür sind die großen Palmölunternehmen, die systematisch die Plantagenfläche in Indonesien und Malaysia ausweiten. Die beiden Länder sind die führenden Hersteller und teilen sich rund 85 Prozent des stetig wachsenden Weltmarkts für Palmöl.

In Malaysia gibt es 40mal mehr Ölpalmen als Einwohner. Auf 3,8 Millionen Hektar Plantagenfläche wird die ertragreichste Ölpflanze dort in Monokultur angebaut. Durchaus lukrativ, wie ein Blick in die Handelsstatistiken zeigt. Acht Milliarden US-Dollar Umsatz werden in Malaysia jährlich mit Palmölprodukten gemacht. Dem eifert Indonesien, die Nummer zwei auf dem Weltmarkt, nach. Kontinuierlich wird die Produktion gesteigert, und Abet Nego Tarigan befürchtet weitere umfangreiche Rodungen in den verbliebenen Wäldern.

Der Vizepräsident der indonesischen Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Sawit Watch macht dafür die gestiegene Nachfrage nach Biodiesel verantwortlich. In Malaysia und Thailand sind die ersten Biodiesel-Anlagen in Betrieb, aber in Indonesien werden ebenfalls Dieselwerke geplant, und bereits 2007 soll in Emden eine große Palmöl-Raffi­nerie die Arbeit aufnehmen. 400 Millionen Liter Diesel sollen dort alljährlich aus 430 000 Tonnen indonesischen Palmöls raffiniert werden. Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, darunter »Rettet den Regenwald« und Indonesia Watch, kritisie­ren, dass dieses Projekt vom Land Nieder­sachsen gefördert werden soll. Abet Nego Tarigan befürchtet: »Die Folge von öffentlichen Zuschüssen hierzulande sind neue Großprojekte auf Borneo.«

Sawit Watch vertritt ein Netzwerk von lokalen Gemeinden, die durch die rapide Ausweitung der Plan­tagen ihre Lebensgrundlage, den Wald, verloren haben beziehungsweise zukünftig verlieren könnten. »Den Leuten wird der Boden für die Subsistenzwirtschaft, von der sie leben, unter den Füßen weggezogen«, kritisiert Nego Tarigan. Der Anbau von Kaffee, Ratan, Reis auf kleinen Flächen ist mit der groß­flächigen Plantagenwirtschaft nicht vereinbar. »Die Monokultur Ölpalme gefährdet die traditionelle Struktur, und nach unseren Erfahrungen ist nachhaltige Ölpalmwirtschaft nicht möglich«, sagt der Vizedirektor von Sawit Watch. »Auf Borneo und Sumatra ist der Tieflandregenwald nahezu komplett den Plantagen zum Opfer gefallen.«

Die internationalen Abnehmer haben diese Probleme bisher zumeist kalt gelassen. Das geht zumin­dest aus einer Briefaktion der Umweltschutzorgani­sation Robin Wood hervor, auf die das in Deutschland produzierende Unternehmen Procter & Gamble zur Antwort gab, »dass alle unsere Rohmaterialien generell unter der Beachtung so­zia­ler, ökologischer und ökonomischer Aspekte ausgewählt werden«. Das bestreiten die Vertreter von Sawit Watch. Sie forderten in der vergangenen Woche während ihres Besuchs in Berlin die deutsche Öffentlichkeit dazu auf, die »Probleme nicht zu lösen, indem ihr neue Probleme bei uns schafft«.

Neben der Waldzerstörung haben die indonesischen Gemeinden unter der Vergiftung von Wasser und Luft durch Pestizide und Düngemittel zu leiden sowie unter der Vertreibung und Verarmung der betroffenen Menschen durch Palmölplantagen. »Möglich wird das durch eine latente Rechtsunsicherheit, aber auch durch Korruption auf der Entscheidungsebene«, sagt Nego Tarigan. Die ortsansässige Bevölkerung hat bei Entscheidungen nicht mitzureden, gleichwohl sind viele Plantagenprojek­te in der Vergangenheit von internationalen Kre­diten, unter anderem durch die Weltbank, finanziert worden. Derzeit sind es vor allem chinesische Investoren, die angesichts schwindender fos­siler Ressourcen in indonesisches Palmöl investieren, erklärt Nur Hidayati von Sawit Watch.

Doch nicht nur in Asien werden mit der Palme mit den ertragreichen Früchten mehr Geschäfte gemacht. Auch in Kolumbien wird die »palma africana«, wie sie in Lateinamerika heißt, vermehrt angepflanzt. Denn sie gedeiht schnell, bereits drei bis vier Jahre nach der Aus­saat können die ersten Früch­te geerntet werden, und die Nachfrage ist groß. Zudem wird der Anbau auch noch subventioniert. Statt Koka sollen die Bauern, so sieht es der Plan Colom­bia in der Rubrik »alternative Anbauprodukte« vor, die Ölpalme anbauen und von dem Verkauf der Früchte beziehungsweise des Öls leben.

Die USA haben dafür sogar eine Anschub­finanzierung bewilligt, und im Plan Colombia ist die Neubepflanzung von 300 000 Hektar mit der Ölsaat vorgesehen. Vom Verband der Palmölproduzenten, Fedepalma, wird das begrüßt. Auf deren Homepage wird die Vervierfachung der Anbaufläche auf 743 000 Hektar bis 2020 als Ziel angegeben. Fedepalma vertritt derzeit 2 751 Unternehmer mit 191 921 Hektar Fläche. Bereits diese Zahlen machen deutlich, dass der Anbau der Ölpalme nicht von Kleinbauern mit einigen wenigen Hektar Land, wie im Plan Colombia vorgeschlagen, betrieben wird, sondern von großen Unternehmen. Und die expandieren im großen Stil im Chocó, einem von Flüssen durchzogenen Regenwaldgebiet im Nordwesten Kolumbiens nahe Panama. Dabei wird allerdings auch im großen Stil Land enteignet, das erst in der zweiten Hälfte der neun­ziger Jahre, teilweise auch später, afrokolumbianischen Dorfgemeinden zugesprochen wur­de.

Sie sollten das für seine Artenvielfalt bekannte zweitgrößte Regenwaldareal der Welt umweltverträglich nutzen, ein Plan, der schnell wieder aufgegeben wurde. Die Nachfrage nach dem nach Veilchen riechenden Öl begann Ende der neunziger Jahre zu steigen, und die Verwendungsmöglichkeiten für das nach der Raffination milchig-weiße Fett wurde immer vielfältiger. Neben der Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie benötigt eine wachsende Zahl von Raffinerien das Öl, um »Biodiesel« zu produzieren, ein Produkt, das zwar auf pflanzlicher Basis, aber keineswegs umweltverträglich hergestellt wird.

Für die Menschen in Indonesien, Malaysia, Kolumbien oder Nigeria ist das zunehmende Verlangen des Westens nach billigem Biosprit ein Desaster. Nicht nur in Kolumbien verhindert der zunehmende Palmölboom die Eigenständigkeit der Kleinbauern, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Héctor Mondragón. Sie werden auf die Plantagen gezwungen – in Kolumbien auch mit Waffengewalt.