Eine Insel für Silvio

Das Oberste Gericht hat den Wahlsieg von Romano Prodi bestätigt. Die Mitte-Rechts-Koalition beharrt jedoch auf weiteren Überprüfungen der Stimmzettel. von federica matteoni

Über eine Woche wartete man in Italien auf diese Zahl: 24 755. Mit so vielen, besser, so wenigen Stimmen Vorsprung gewann das Mitte-Links-Bündnis von Romano Prodi (Unione) die Parlamentswahlen vom 9. und 10. April. Das bestätigte am Mittwoch der vergangenen Woche das Kassationsgericht in Rom, die oberste juristische Instanz des Landes. Der »Wahlkrimi«, wie die internationale Presse das italienische Wahlchaos bezeichnete, kam ohne Überraschungen zu seinem Ende. Gleich nach der Wahl hatte das Haus der Frei­heiten, die Mitte-Rechts-Koalition von Silvio Ber­lus­coni, von »Unstimmigkeiten« gesprochen und zunächst die Überprüfung der Ergebnisse aus 60 000 Wahllokalen sowie von mehr als einer Million für ungültig erklärter Stimmzettel verlangt. Am Ende wurden lediglich 5 266 »nicht eindeutige« Wahlzettel überprüft. Berlusconis Koalition gewann 469 Stimmen hinzu. Zu wenig, um das Endergebnis der Wahl umzukehren.

Man kann jedoch davon ausgehen, dass das Wahlergebnis weiter angefochten werden wird. »Wir kämpfen weiter«, sagte Ber­lusconi der Nachrichtenagentur Ansa nach der Urteilsverkündung. Das römische Kas­sationsurteil beziehe sich nur auf beanstan­dete Stimmzettel, teilte Sandro Bondi, Spre­cher von Forza Italia mit. Die mehr als eine Million für ungültig erklärten Stimmen seien noch nicht geprüft worden. Die Einwände der Forza Italia, blieben deshalb gültig und würden bei den ent­sprechenden Stellen geltend gemacht werden. Beschwerden auf juristischer Ebene sind nach einem Kassationsurteil ausgeschlossen, Re­kurse an die Wahlkommission des Parlaments bleiben jedoch möglich. Diese könnte sämtliche denkbaren Überprüfungen vornehmen, inklusive der Nachzählung aller Wahlzettel. Was sich das Haus der Freiheiten davon verspricht, ist jedoch unklar, denn im neuen Parlament hat das Mitte-Links-Bündnis nun die Mehrheit.

Die Hartnäckigkeit, mit der Berlusconi und seine Gefolgschaft nach dem Kassationsurteil auf weiteren Überprüfungen beharren, entspricht weniger dem Willen, an der Macht zu bleiben, als der Absicht, ei­nen an sich schon unsicheren Sieg zu delegitimieren. Dieser Taktik entsprechen auch Vorschläge zur Bildung einer großen Koalition oder der Vorschlag von Bondi im Interview mit der rechtskonservativen Zeitschrift Famiglia Cristiana. Ein »institutioneller Kompromiss« sei als »Versöhnungsakt in unserem geteilten Land« denkbar, erklärte Bondi: »Prodi an die Regierung und Berlusconi als Staatschef im Qui­rinal.« Der Vorschlag wird offenbar nicht mal von den eigenen Parteifreunden ernst genommen und gehört vielmehr zum Bereich der »Fantapolitica« (Fantasiepolitk), wie dies in Italien genannt wird.

Die Zeit der Realpolitik hat zumindest für das Mitte-Links-Bündnis jedoch schon begonnen. Vergangene Woche beruhigte sich der Personalstreit zwischen Fausto Bertinotti von Rifondazione Comu­nista und Massimo d’Alema von den Linksdemokraten um den Posten des Präsidenten der Abgeordnetenkammer: D’Alema zog seine Kandidatur zurück. Er könnte am 13. Mai zum neuen Staatschef gewählt werden. Erst Mitte Mai wird der neue Staatspräsident den Wahlsieger mit der Regierungsbildung beauftragen.

Ob der noch amtierende Premierminister Berlusconi bis dahin seine Wahlniederlage anerkennen wird? Am Freitag schien es so, als habe er sie zumindest wahrgenommen. Dies geschah nicht durch eine offizielle Erklärung oder ein Interview, sondern durch ein selbst komponiertes Lied, das Berlusconi bei einem Abendessen mit Anhängern und Parteiange­hörigen in Triest anstimmte: »Lasst uns gehen, verlassen wir alles, die Parteien, das Fernsehen, die Zeitungen … Gehen wir auf eine weit entfernte Insel, in eine andere Welt, … auf eine Insel, die das Paradies genannt wird.« Das klingt gut.