Full House im Watergate Hotel

Der Führungswechsel in der CIA von jörn schulz

Bei der CIA zu arbeiten, »ist nicht nur ein Job, es ist eine Mentalität und ein Lebensstil«, wirbt die Webseite des Geheimdienstes. »Die Firma« legt Wert darauf, Interessenten die Illusion zu nehmen, sie könnten sich in Spiel­casinos auf den Bahamas tummeln, umgeben von schönen Frauen, in der Hand den Cocktail, geschüttelt und nicht gerührt. Doch Kyle »Dusty« Foggo, der dritthöchste Beamte der CIA, stellte sich sein Leben als Geheimdienstler offenbar genau so vor.

Den Ermittlungen des FBI zufolge nahm er an Pokerrunden teil, die der Lobbyist und Rüs­tungsunternehmer Brent Wilkes für Kongressabgeordnete, Manager und Beamte organisiert hatte. Viele dieser Treffen fanden im traditionsreichen Watergate Hotel statt, das mit dem Slogan wirbt: »The Power Players Meet Here«. Wilkes ließ Cocktails und teure Zigarren reichen, schöne Damen, die allerdings für ihre Dienste bezahlt werden mussten, umschwärmten die Spieler. Wer beim Pokern kein Glück hatte, konnte immer noch darauf hoffen, dass ein Mitspieler ihn für eine kleine Gefällig­keit bezahlen würde.

Dass der Direktor der CIA, Porter Goss, in der vergangenen Woche nach nicht einmal eineinhalb Jahren Amtszeit zurücktrat, war wohl eine Reaktion auf die Ermittlungen des FBI. Beamten zufolge, die von der Zeitung New York Daily News zitiert wurden, gebe es »solide Beweise« dafür, dass Goss mitgepokert habe. Präsident George W. Bush muss sich nun zwar vorwerfen lassen, eine falsche Personalentscheidung getroffen zu haben, doch der Rücktritt dürfte ihm gelegen gekommen sein. Denn er bot die Chance, die Militarisierung der Geheimdienstarbeit weiter voranzutreiben.

Zum Koordinator der Geheimdienste hat Bush im vergangenen Jahr John Negroponte ernannt, einen Veteranen des »schmutzigen Krieges« gegen die lateinamerikanische Linke. Die »verdeckten Operationen«, einst eine Domäne der CIA, sind bereits weitgehend dem Pentagon unterstellt worden. Künftig wird die gesamte »Firma« von einem Offizier geführt. Zum neuen Direktor der CIA ernannte Bush den Luftwaffengeneral Michael Hayden, der sechs Jahre lang den Militärgeheimdienst NSA geleitet hat.

Die NSA hört in aller Welt Gespräche ab und überprüft E-Mails. Das gilt als selbstverständliches Recht des Geheimdienstes, viele Ame­rikaner sind allerdings empört, wenn sie selbst davon betroffen sind. Bush fühlte sich jedoch nicht mehr an das Gesetz gebunden, das es verbietet, US-Bürger ohne richterliche Genehmigung abzuhören, und erteilte der NSA die Erlaubnis, die Kommunikation mit dem Ausland zu überwachen. Hayden hat diese Abhör­aktion aggressiv verteidigt, manche Republikaner, viele Demokraten und fast alle Bürgerrechtler halten ihn deshalb für ungeeignet, die CIA zu leiten.

Zudem verlässt sich das Militär auf hochtechnologisches Gerät. Das Abhörnetz der NSA stößt jedoch da an seine Grenzen, wo Terroris­ten unverdächtige Codes benutzen, oder aber, wie Ussama bin Laden, auf elektronische Kom­munikation verzichten. Eigentlich war es der Job der CIA, für bessere »human intelligence« zu sorgen. Doch die potenziellen Spione haben nicht Hummer, Sonne und Blondinen, sondern Hirsebrei, abgefrorene Zehen und grimmige Vollbartträger zu erwarten. Mentalität und Lebensstil der real existierenden CIA-Mitarbeiter scheinen mit diesen Aussichten nicht zu harmonieren, sodass Bush sich offenbar dafür entschieden hat, die Geheimdienstarbeit auf das zu konzentrieren, was seine Leute können: abhören, bombardieren und hin und wieder ein Killerkommando entsenden.