Servus in Wien

Der Lateinamerikagipfel der EU von wolf-dieter vogel

Wirklich glauben mochte man den Sätzen von Anfang an nicht. »Servus in Wien«, »Willkommen Bolivien« und »Willkommen Venezuela« hieß es auf zahlreichen Plakatwänden, mit denen die Regierung Österreichs in der vorigen Woche ihre Gäste begrüßte. Doch spätestens im Verlauf des 4. EU-Lateinamerikagipfels dürfte von der angeblichen Freude über diese Besucher wenig geblieben sein. Schließlich sorgten die Präsidenten Boliviens und Venezuelas, Evo Morales und Hugo Chávez, auf dem Treffen der 60 Staats- und Regierungschefs für erheblichen Unmut.

Chávez zog einem abendlichen Essen mit dem österreichischen Präsidenten Heinz Fischer einen Besuch im linken Zentrum Arena vor. Morales stellte klar, dass seine Regierung nach der jüngst verkündeten Verstaatlichung der Energieressourcen nicht mit den »Betrügern« der internationalen Ölfirmen verhandeln müsse. »Es ist das Recht eines Volkes, seine Bodenschätze zu verteidigen«, sagte er.

Damit verärgerte er auch die brasilianischen Vertreter. Schließlich ist der staatseigene Betrieb Petrobrás intensiv an der Ausbeutung der Energiereserven Boliviens beteiligt. In den vergangenen Wochen gab es mehrere Konflikte dieser Art in Lateinamerika. Jüngst kündigte Chávez an, aus dem Andenpakt (Can) auszusteigen, dem auch Peru, Kolumbien, Ecua­dor und Bolivien angehören. Zudem gab es Krach im Mercosur. Paraguay und Uruguay setzen im Gegensatz zu Argentinien und Brasilien auf mehr wirtschaftliche Annäherung an die USA.

Folglich blieb es auch in Wien in Sachen engere Kooperation bei Absichtserklärungen. Denn solche Streitigkeiten gehören neben der Weigerung der EU, ihre Agrarzölle abzubauen, zu den Hindernissen angestrebter Freihandels­abkommen. Schließlich wollen die Europäer lieber mit Blöcken wie dem Can oder dem Mercosur verhandeln. Bislang gibt es nur bilaterale Verträge mit Chile und Mexiko. Dem mexikanischen Präsidenten Vicente Fox blieb es denn auch vorbehalten, die Vorteile des liberalisierten Marktes anzupreisen: »Diese Öffnung hat Arbeitsplätze und Einkommen für die Menschen gebracht.« Dass seine Regierung unter heftiger Kritik steht, nachdem jüngst Demonstranten von der Polizei misshandelt worden sein sollen, störte die Wiener Verhandlungen nicht. (Siehe Seiten 16 und 17) Dabei haben die Europäer im Kooperationsvertrag mit Mexiko explizit eine Menschenrechtsklausel fest­ge­schrie­ben.

Doch die Verbindung von Freihandel und Menschenrechten, die Verträge mit der EU angeblich von jenen mit dem Konkurrenten USA unterscheidet, hat ohnehin keine Kon­sequenzen. »Seit acht Jahren warten wir darauf, dass das dafür notwendige Gremium geschaffen wird«, sagte Maria Atilano vom globalisierungskritischen Netzwerk ASC auf dem alternativen Gipfel. Dieses Treffen, an dem rund 200 Organisationen aus Lateinamerika und Europa teilnahmen, fand gleichzeitig mit dem Gipfel der Staatschefs statt. Ein »Permanentes Tribunal der Völker« klagte europäische Konzerne an und warf ihnen Missachtung von Umwelt- und Arbeitsrechten oder Rechten der Indigenen vor. Die Ergebnisse des Prozesses sollen dazu beitragen, »soziale, ökologische und ArbeiterInnenbewegungen in beiden Regionen zu stärken«.

Auf der Abschlussveranstaltung dominierten allerdings Repräsentanten der Regierungsmacht. Venezolanische, kubanische und bo­livianische Fähnchen prägten das Bild, ein Vertreter der Regierung Kubas versicherte vor 1 300 Zuschauern: »Wir werden siegen.« Die letzten Worte blieben den Stars der globalisierungskritischen Szene überlassen, unter großem Beifall traten »Evo« und »Chávez« auf. Ein »Servus in Wien« war ihnen dort sicher.