Noch ein Schiff wird kommen
Der rote Teppich wurde ausgerollt, Soldaten schwenkten die rote vietnamesische Staatsflagge mit dem gelben Stern. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wurde am Montag der vergangenen Woche in Hanoi mit allen militärischen Ehren empfangen. Er traf während seiner dreitägigen Visite mit seinem Amtskollegen Pham Van Tra und Premierminister Pham Van Khai zusammen.
Die USA wollen vietnamesischen Quellen zufolge den einstigen Kriegsgegner, von dessen militärischen Fähigkeiten sie sich überzeugen konnten, in den internationalen Kampf gegen den Terrorismus einbinden. Die Volksarmee soll sich auch an Auslandseinsätzen unter UN-Mandat beteiligen. Die Regierung in Hanoi hat dieses Ansinnen zwar nicht kommentiert, dürfte ihm aber kaum ablehnend gegenüberstehen. Denn Auslandseinsätze bieten der zwar stark abgespeckten, aber noch immer sehr großen Volksarmee eine Beschäftigung. Rumsfeld und sein vietnamesischer Amtskollege vereinbarten die weitere Teilnahme vietnamesischer Offiziere an Ausbildungskursen in den USA. Außerdem wird in diesem Sommer bereits das dritte Schiff der US-Marine innerhalb von zwölf Monaten einen vietnamesischen Hafen ansteuern. China hatte gegen die beiden vorangegangenen Flottenbesuche heftig protestiert.
Rumsfeld dementierte unterdessen, dass die USA eine Militärbasis in Vietnam errichten wollten. Im vergangenen Herbst hatte die US-Regierung Medienberichten zufolge einen Pachtvertrag über ihren einstigen Stützpunkt Cam Ranh in Zentralvietnam angeboten. Weil das Areal seit Jahren nicht genutzt wird ist und man bislang vergeblich einen Investor suchte, konnten sich manche vietnamesische Politiker keinen solchen Vertrag durchaus vorstellen. Andere lehnten ihn strikt ab, insbesondere nachdem China gegen eine möglichen Vergabe des Stützpunkts an die USA protestiert hatte. Trotz strittiger Fragen wie etwa dem Konklikt um Erdölvorkommen im südchinesischen Meer hat Vietnam kein Interesse daran, den mächtigen Nachbarstaat und wichtigen Wirtschaftspartner im Norden allzusehr zu verärgern.
Auch im Verhältnis zu den USA gibt es noch ungeklärte Streitfragen. Wie sein Präsident George W. Bush lehnte Rumsfeld die vietnamesische Forderung nach einer staatlichen Entschädigung für die rund vier Millionen Menschen, die während des Krieges durch das »Entlaubungsmittel« Agent Orange geschädigt worden waren, ab. Noch immer verursacht die im Vietnamkrieg eingesetzte toxische Chemikalie Missbildungen. Im vergangenen Jahr scheiterte eine vietnamesische Opfervereinigung vor einem US-Zivilgericht mit dem Versuch, Entschädigungen von den Chemiefirmen einzuklagen, die an der Produktion von Agent Orange beteiligt waren. Das Urteil im Berufungsverfahren steht noch aus.
Erst 1994 wurde das US-Handelsembargo gegen Vietnam aufgehoben, zwei Jahre später tauschten beide Staaten erstmals seit dem Kriegsende wieder Botschafter aus. Mittlerweile sieht die US-Regierung Vietnam als zukünftigen strategischen Partner. Rumsfelds Besuch war eine Station der Asienreise des Ministers, die ihn auch nach Singapur und Indonesien führte. Einem Sprecher des Pentagons zufolge wollen sich die USA kleineren asiatischen Staaten als Gegengewicht zum mächtigen China anbieten, dessen militärisches Erstarken in der Region mit Sorge gesehen wird. Die US-Regierung versucht deshalb, die Nachbarstaaten Chinas als Bündnispartner zu gewinnen, ein Teil dieser Strategie ist der Ausbau der militärischen Beziehungen zu Vietnam und der Mongolei.
In Vietnam ist 31 Jahre nach Kriegsende Antiamerikanismus trotz der mehr als zwei Millionen Todesopfer ein Fremdwort. Fast zwei Drittel der 83 Millionen Vietnamesen waren 1975 noch nicht geboren, sie kennen den Krieg nur aus den Erzählungen der Alten. Für sie ist Englisch nicht die Sprache des Feindes, sondern der Schlüssel zum beruflichen Erfolg.