Schiedsrichter, Telekom!

Mit der WM schien die Kommerzialisierung des Fußballs an ihre Grenze gestoßen zu sein. Doch es gibt noch Spielräume: Die Bundesliga heißt bald T-Com-Liga. von jan freitag

Die deutsche Fußball-Bundesliga wird umbenannt und trägt demnächst den Namen eines Unternehmens: Diese Meldung wäre noch vor fünf, sechs Jahren nicht einmal als April­scherz verbreitet worden. Schließlich gilt die Bundesliga als Markenzeichen für Fußballwertarbeit, und entsprechend käme niemand auf die Idee, einen derart gut eingeführten Markennamen zu ändern.

Vor wenigen Tagen vereinbarten die Deutsche Fußballliga (DFL) als Vertreterin der 36 Proficlubs und ihr künftiger »Premium-Sponsor«, die Deutsche Telekom, nach langen Verhandlungen über die künftigen Modalitäten der Fernsehversorgung ein neues Sponsoringmodell. Ab August 2007 trägt die höchste Spielklasse den Namen des Medien­konzerns. Auch die Anzeigetafeln und die Spielertrikots werden voraussichtlich mit dem Logo des Sponsors des FC Bayern München versehen, dazu kommen Millionen Fans, die mit den Vereinsjerseys aus dem offiziellen Merchandising für die T-Com Reklame machen werden.

Dafür verzichtet das Unternehmen auf alle Live-Übertragungsrechte via Kabel oder Satellit, die nun doch allein bei Arena bleiben, und beschränkt sich freiwillig auf das 45 Millionen Euro teure Broadcasting im Breitbandinternet. Für das Namenssponsoring zahlt T-Com der Liga vermutlich rund 60 Millionen Euro in den ersten drei Jahren. Die anderen Kandidaten, die Deutsche Bahn und die Postbank, konnten oder wollten bei diesem Preis nicht mithalten. Die Einnahmen der Liga aus dem Rechteverkauf belaufen sich damit auf »das Rekordergebnis von 442 Millionen Euro pro Saison«, frohlockte der Präsident der DFL, Werner Hackmann, nach der Verkündung des Geschäfts. »Das wird die Clubs freuen.« Aber auch deren Fans?

Immer wenn im Fußball neue Werbeplätze verkauft werden, äußert sich Unmut. Bereits im Jahr 1973 brachte Eintracht Braunschweig mit der fast mit religiösem Eifer umkämpften ersten deutschen Trikotwerbung für Jägermeister die Puristen der Branche gegen sich auf, wie es zuvor bereits bei der Zulassung von Bandenreklame und der Anhebung der erlaubten Spielergehälter über die Grenze von damals 1 300 Mark geschehen war. Was vor 30 Jahren mit heute lächerlich anmutenden Summen begann, sorgt aber auch heute immer noch mindestens für Irritationen bei den traditionell konservativen Fußballfans. Jüngstes Beispiel sind die Stadien, die längst nicht mehr Orte sind, an denen zweimal im Monat gekickt wird und die eben irgendwie heißen, zum Beispiel nach einer lokalen Anhöhe oder nach einem erfolgreichen Fußballer aus der Gegend.

Es bedurfte für die teuren Fußballstadien zusätzlicher Finanzmittel, die in der Regel durch den Verkauf des Stadionnamens aufgebracht wurden. So weit ist es noch nicht mal in der mittlerweile »Barcleys Premiership«-Liga genannten englischen Premier League: Die Umwandlung von Old Trafford und Anfield Road in Allianz- oder AOL-Arenen, würde dort sicher zu Protesten führen. Vielleicht aber würden die Fans, wie ihre deutschen Kollegen, auch nur resigniert feststellen, dass die Kommerzialisierung irreversibel ist, denn selbst der Schieds­richter trägt seit drei Jahren auch hierzulande Werbung auf dem Arm. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wird das Reklameverbot nach 20 Uhr durch permanente »Präsentationen« von Brauereien umgangen.

Begonnen hat der ungehemmte Kommerz mit dem Beginn der Champions League 1991, präsentiert von den privaten Sendern und deren Werbepartnern. Spätestens aber mit dem Bosman-Urteil vier Jahre darauf sind die Spielergehälter derart angestiegen, dass für Wettbewerbsfähigkeit selbst auf nationaler Ebene immer höhere Transferleistungen erforderlich wurden. Diese allerdings müssen nach der Pleite von Leo Kirch anders akquiriert werden als durch Fernsehlizenzgebühren, die zur Jahrtausendwende fast die Milliardengrenze übertroffen hätten. Während die sportlichen Ansprüche stetig wuchsen, hielten die finanziellen Mittel plötzlich nicht im gleichen Maß mit. Schon gar nicht in den Niederungen der Ligen, die sich trotzdem am Einzug ins internationale Geschäft orien­tieren müssen, um überlebensfähig zu sein. Selbst Regionalligisten verschulden sich mittlerweile für den Erwerb teurer Spieler.

Die erfolgreichsten Vereine der Bundesliga aber kommen mit den berühmten europäischen Clubs nicht mit. Der englische Meister etwa kassiert in der kommenden Saison zehnmal höhere Fernseheinnahmen als der deutsche. Um wenigstens das Niveau des französischen Titelträgers zu erreichen, müsste sich die Geldsumme, die durch das Fernsehen eingenommen wird, insgesamt auf 600 Millionen Euro verdoppeln.

Weil dafür trotz der 220 Millionen Euro allein für die Übertragung im Pay-TV die Spielräume fehlen, entwickelt sich fast alles zum Geschäftszweig. Inzwischen beschränkt sich der Protest dagegen auf Stehplatzinitiativen wie das Bündnis aktiver Fußball-Fans (Baff) oder Fanclubs ohne große Lobby. Vielleicht, weil Widerstand zwecklos erscheint, wahrscheinlich aber, weil Erfolg sexy macht. Ein wirkungsvolles Aufbegehren wie das der organisierten Fanszene des FC St. Pauli gegen den Plan, vor dem Pokalhalbfinale gegen Bayern München tausende Winke­hände mit dem Logo der Springerzeitung Hamburger Abend­blatt zu verteilen, bleibt die Ausnahme.

Doch auch bei den als alternativ geltenden Anhängern des chronisch klammen Amateurclubs, der zur Vermeidung der Pleite sogar Dauerkarten auf Lebenszeit verkauft, führt zum Beispiel die jährliche Erneuerung der Bekleidungskollektionen nicht zu Kaufboykotten, sondern zu immer neuen Absatzrekorden in den Fanshops. Und die kollektive Klage über die Kommerzialisierung vor der WM, deren Hauptsponsoren Coca Cola und McDonald’s Inbegriffe dick machender Unsportlichkeit sind, verwandelte sich mit dem ersten Anpfiff überwiegend in Kritiklosigkeit und stumpfe Begeisterung.

Mit der Umbenennung der Bundesliga in T-Com-Liga allerdings scheint eine Grenze überschritten zu sein. »Wenn hier versucht werden soll, Druck auf die Redaktionen auszuüben«, kündigt Hans-Joachim Fuhrmann vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger an, »werden wir uns dagegen zur Wehr setzen«. Sein Kollege vom Zeitschriftenverband vermutet »Schleichwerbung, die wir unseren Journalisten nicht empfehlen«. Auch der Deutsche Journalistenverband kündigt an, den neuen Sprachmodus nicht mitzumachen. Einzig die ARD schränkt ein, zwar mit dem Präfix »T-Home«, nicht aber mit »T-Com« Probleme zu haben. Das erscheint einem wie Wohlwollen im Dienste künftiger Vertragsverhandlungen um exklusive Sportschau-Bilder.

Die Suche nach zusätzlichen Ertragsmöglichkeiten geht trotz der Einwände weiter. Die Beschränkung auf nur einen Trikotsponsor wird in der umbenannten Bundesliga ebenso wegfallen wie werbefreie Zeiten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen oder die solidarische Vermarktung der Übertragungsrechte. Im Gegensatz zur Weltmeisterschaft, freut sich Dirk Kall von der Unternehmensberatung BBDO, »ist in der Bundesliga noch Platz für Werbebotschaften«.