Hoffentlich Allianz-­versichert

Das Kapital will immer mehr von winfried rust

Opfer überall. Zu »notwendigen, aber schmerzvollen Schritten« sieht sich die Allianz AG gezwungen: dem Abbau von 7 500 Arbeitsplätzen trotz eines Rekordgewinns von 4,38 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Eine Versicherungsangestellte sagte dem Nachtmagazin der ARD, sie fühle sich »behandelt wie Dreck«. Lediglich der Wert der Aktien des Unternehmens steigt um 1,7 Prozent.

Im Banken- und Versicherungsbereich beginnt, was in der Automobilindustrie schon seit geraumer Zeit passiert. Der neue »Deutschland-Report« des Meinungsforschungsinstituts Prognos weist beide Branchen als Wachstumsbranchen mit hoher Wertsteigerung aus, die in großem Umfang Arbeitsplätze abbauen werden. Auch mit der Verbindung zwischen Nokia und Siemens steigt neben dem Aktienkurs (vier bis acht Prozent) die Zahl der Entlassenen um »bis zu 9 000«. Unvermittelt werden etliche der Angestellten die »Missbrauchsdebatte« von der anderen Seite verfolgen müssen. Hoffentlich Allianz-versichert!

Trotz des Sozialabbaus und der angekündigten Senkung der Unternehmersteuern wird sich das Kapital wohl nie zufrieden geben. »So langsam werden wir etwas ungeduldig«, ist vom Bundesverband der Deutschen Industrie zu vernehmen. Arbeitslose, die ungeduldig werden, sieht man nicht.

Die neuen Datenverarbeitungssysteme ersetzen Bürokräfte. Eine Versicherungsgesellschaft, die kein Personal einspart, wird selbst eingespart. Unternehmen, welche die notwendigen Umstrukturierungen verpasst haben, werden zerlegt und ausgeschlachtet. Der Allianz-Konzern weise eine Struktur auf, die an Fürstentümer erinnere, heißt es etwa in der Badischen Zeitung, während die Ergo-Gruppe ein gemeinsames Computersystem für ihre vier Tochterfirmen hat. Hamburg-Mannheimer, Victoria, DKV und DKS haben ihre Produkte und Arbeitsabläufe standardisiert. Das bedeutet mehr Leistung bei weniger Arbeitskraft.

Die gängige Kritik an den massenhaften Entlassungen wirkt hilflos. Zwar sollen die Unternehmen ihre Produktivität verbessern, sie sollen aber niemanden entlassen. Das zu bewerkstelligen, ist nahezu unmöglich.

1,5 Milliarden Euro will die Regierung ab dem Jahr 2007 mit dem »Optimierungsgesetz« zu Hartz IV jährlich sparen. Allein der Gewinn der Allianz AG im Jahr 2005 betrug das Dreifache. Die Dauerkrise ist im »Deutschland-Report« für die Industrie mit der Aussicht verbunden, dass sich Produktivität und Wertschöpfung bis zum Jahr 2030 fast verdoppeln werden. »Das Geld ist nicht weg, es hat nur ein anderer«, flachste einmal der Kabarettist Matthias Deutschmann. Der Weg zur Verdoppelung der Wertschöpfung wird eben einer jener »schmerzvollen Schritte« sein – schmerzvoll, solange der Selbstwert und die materielle Existenz der Menschen daran geknüpft bleiben, eine Lohnarbeit zu finden.

Von Warnstreiks ist bei der Allianz die Rede. Aber wofür streiken, außer für eine höhere Abfindung? Für die Konservierung der alten Konzernstruktur? Das Gegenteil vom Rauswurf ist Drinbleiben. Auch nicht so toll. Die Folgen der Angst um den eigenen Job sind Ellbogenmentalität, Untertanengeist und das Treten nach unten. Je weniger die Arbeit ihre Arbeitssubjekte braucht, umso stärker klammern sie sich an ihre Plätze. Irgendwie ähnelt das einer verkorksten Beziehung: viel Gezerre, wenig Spaß.