Nie mehr Seria A

Der Prozess um den Bestechungsskandal im italienischen Fußball hat begonnen. von filippo proietti

Mehr als 400 Medienleute, darunter Journalisten von CNN, BBC, der Los Angeles Times und Al Jazeera, sind derzeit wegen des Prozesses um die Manipulation von italienischen Erstligaspielen in Rom. Dieser live im italienischen Fernsehen übertragene Prozess gleicht einer Fernsehshow und droht zur Farce zu werden.

Als Bühne für das Verfahren vor dem Sportgericht des Fußballverbandes Federcalcio (Figc), das am Donnerstag vor zwei Wochen eröffnet und umgehend auf den folgenden Montag vertagt wurde, ist das Olympiastadion gewählt worden. Dort soll bis zum 9. Juli über das Schicksal des Rekordmeisters Juventus Turin und der Clubs AC Florenz, Lazio Rom und AC Mailand entschieden werden. Verbandsfunktionäre, Clubmanager und Schiedsrichter sind in den Fußballskandal verwickelt, womit praktisch die gesamte italienische Fußballwelt betroffen ist. Hinter den Spielmanipulationen steckte offenbar ein ausgefeiltes System, das nach dem früheren Generaldirektor von Juventus Turin, Luciano Moggi, »System Moggi« genannt wird und das Staatsanwalt Francesco Saverio Borrelli, der die Vereine angeklagt hat, als eine Art Matrix des italienischen Fußballs betrachtet.

Borrelli ist seit den Korruptionsprozessen gegen die italienische Regierung Anfang der neunziger Jahre weit über Italien hinaus bekannt. Sein Ziel ist es nun, »dem korrupten Meisterschaftssystem« auf den Grund zu gehen. Vor allem will er die Vergabe der Fernsehrechte und den Spielermarkt genauer untersuchen. Moggi selbst hat Borrellis Verdacht bereits indirekt bestätigt: »Die Macht im Fußball besitzt, wer das Geld hat. Und das Geld hat, wer das Fernsehen besitzt«, sagte er am Dienstag der vorigen Woche in Anspielung auf den AC Mailand, dessen Eigentümer Silvio Berlusconi ist.

Der Richter und Staatsanwalt des Sportgerichts, Stefano Palazzi, teilt Borrellis Ansichten nicht, er ermittelt lediglich in den einzelnen Fällen, ohne sie miteinander in Verbindung zu bringen und das ganze Fußballsystem zu berücksichtigen. Das ist juristisch zwar korrekt, andererseits besteht das Risiko, den Skandal zu verharmlosen und all diejenigen zu enttäuschen, die darauf hofften, dass nun endlich mit der Korruption im italienischen Fußball aufgeräumt werde.

Auch die Strategie der rund 100 mit dem Verfahren beschäftigten Verteidiger besteht darin, die Vorgänge herunterzuspielen und sie so darzustellen, als gehe es nur um einige wenige korrupte Manager und Schiedsrichter. Die Verteidiger des Clubs Juventus Turin wollen beweisen, dass die Spielabsprachen mit den Schiedsrichtern allein auf Moggi zurückgehen. Und sie bestreiten vehement, dass ein Club dafür haftet, wenn sein Manager den Schiedsrichter besticht. Darüber hinaus wollen sie die Protokolle der abgehörten Telefongespräche zwischen Moggi und seinen Helfershelfern nicht als Beweismittel zugelassen sehen.

Den vier Vereinen droht nun der Zwangsabstieg aus der Seria A, der höchsten italienischen Spielklasse, in die zweite oder dritte Liga, Juventus darüber hinaus auch die Aberkennung der Meistertitel 2005 und 2006. Dagegen plädieren die Verteidiger für einen Abstieg von Juventus in die zweite Liga und für wesentlich mildere Strafen gegen die anderen Vereine.

Inwieweit der Selbstmordversuch des Managers von Juventus, Gianluca Pessotto, mit dem Skandal in Zusammenhang steht, ist unklar. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Manager sich aus privaten Gründen vom Dach gestürzt habe. Der Abwehrspieler hatte nach Saisonende seine Karriere beendet und den Managerposten übernommen, nachdem die Verstrickung des Clubs in den Skandal bekannt geworden war. Ihm widmeten die Spieler der italienischen Nationalmannschaft den Sieg gegen die Ukraine im Viertelfinale der WM am Freitag.