Kuscheln und durchficken

Happy Family X

Umfragen zufolge genießt die Familie absolute Priorität vor anderen Lebens­bereichen wie dem Beruf, den Freundschaften und den Hobbys. Nur gut, dass ich mich nicht entscheiden muss: Familie, Arbeit, Hobby, Freundschaften und Sex – bei mir ist das alles eins. Das finden Sie großartig? Das wollen Sie auch? Dann sollten Sie bei uns im Bordell anfangen.

Natürlich gibt es in meiner Familie viele Schwestern. Und zwar immer wieder neue. Wir sind eine sehr flexible und mobile Familie. Wir sind international: Die meisten von uns sind Deutsche, obwohl wir in der Schweiz zu Hause sind. Andere kommen aus Russland, Ungarn, Polen, Italien oder Lateinamerika, und ein paar Schweizerinnen gibt es auch.

Wir sind alle sehr sexy, das liegt in der Familie, aber sonst ziemlich unterschiedlich: Unter uns gibt es Fitnesstrainerinnen, Betreiberinnen von Nagelstudios (sehr beliebtes Arbeitsfeld), Stewardessen, Mütter, Tänzerinnen. Ich bin wohl so etwas wie die Intellektuelle in der Familie. Wir stehen uns bei und helfen uns, etwa beim Geld wechseln.

Wie unter Geschwistern üblich, herrscht aber nicht immer eitel Sonnenschein. Manchmal gibt es Streit und Eifer­sucht. Und natürlich wird peinlich darauf geachtet, dass sich keine um die Hausarbeit drückt: »Ich hab’ heute schon dreimal die Wäsche gemacht! Jetzt ist mal eine von euch dran!« Oder wir streiten uns um das Fernsehprogramm. Also alles genau wie bei Ihnen daheim.

Wenn dann so um Mitternacht unsere Mutter auftaucht, kommt Ordnung in den Laden. Zimmer nicht aufgeräumt? Fünf Franken Strafzahlung! Manchmal wird aber auch erst mal eine Sektflasche geköpft und auf gute Geschäfte angestoßen. Schließlich ist es das, was unsere Familie letztlich verbindet: der schnöde Materialismus, Geld und Sex.

Was aber wäre eine Familie ohne Männer und Kinder? Ein Hort der Ruhe und Entspannung, ein Quell von Spaß und Vergnügen, sicher. Aber auf die Dauer wäre es doch langweilig und vor allem wenig gewinnbringend. Es ist also gut, dass es in unserer Familie jede Menge Männer gibt. Die sind zugleich unsere Kinder, denn oft ist eine Menge Erzie­hungs­arbeit nötig. Das beginnt schon bei ganz banalen Benimmregeln: beim Reinkommen freundlich »Guten Tag« sagen, nicht auf den Parkplatz pinkeln, zuhören, wenn einem jemand etwas erklärt, zum Beispiel die Preise. Und es reicht bis zur Sexualerziehung: Vorher ordentlich duschen, nicht blind drauflos rammeln, aber auch nicht stocksteif daliegen, beim Lecken mit dem Dreitagebart aufpassen. Das alles müssen wir leisten. Letztlich werden die Kleinen bei uns aber ganz schön verwöhnt und bekommen unsere volle Aufmerksamkeit, zumindest für durchschnittlich etwa vierzig Minuten. Dann ist es aber auch gut.

Glücklicherweise gibt es auch sehr wohl­erzogene Männer. Diese sind uns Schwestern eine helle Freude und manchmal Anlass zu Eifersucht. Die ungezogenen geben uns dagegen Gelegenheit, den Familienzusammenhalt zu stärken, indem wir gemeinsam lästern oder Erziehungstipps austauschen. Wir vertreten allerdings unterschiedliche Auffassungen zur Gewalt in der Erziehung. Einige von uns greifen schnell zur Peitsche und langen kräftig zu, andere setzen kon­sequent auf Kuschelpädagogik. Aber oft sind wir uns dann doch einig: Manche Männer müssen einfach mal ordentlich durchgefickt werden.

theodora becker