Nichts für Waschlappen

DMAX versteht sich als Fernsehen für echte, ehrliche und hart arbeitende Kerle. Doch welcher Nine-to-five-Jobber hat schon Zeit für sowas? von markus ströhlein

Michaels Haut ist fahl. Die Schultern hängen schlaff nach vorn. Er spricht leise und verunsichert. Das verwundert nicht. Wer bleibt schon locker, wenn sein Leben vor der Kamera ausgebreitet wird. Sie zeigt nicht nur Michael, sondern auch sein Zimmer. Handfeuerwaffen aller Art schmücken die Wände. Michael hat auf einer Kommode einen kleinen Altar mit Toten­köpfen und esoterischem Plunder aufgebaut. Das Allerheiligste steht aber auf dem Schreibtisch: der Computer.

Michael verbringt den größten Teil seiner Zeit am Rechner. Deshalb schafft er es nicht so oft aus dem Haus. Er ist 29 Jahre alt und wohnt bei seinen Eltern. Dafür hat er es ins Fernsehen geschafft. Er ist die Hauptfigur in einer Episode der Serie »Raus aus meinem Haus«. Der Sender DMAX schickt in dieser Doku-Soap die Diplom-Psychologin Natalie Fischer los, um den Nesthockern der Republik Beine zu machen. An Michael scheint sie aber zu verzweifeln. Er soll einen Tag lang die Arbeit seines Vaters übernehmen und die familieneigene Bäckerei führen. Doch schon die Vorstellung schlägt Michael arg auf den Magen. Als er früh um vier aufstehen soll, um sich an die Arbeit zu machen, hat er Bauchschmerzen, weint und zieht die Decke über den Kopf. Die Psychologin hadert: »Ich finde es schwierig, wenn Michael sich sträubt, acht oder neun Stunden am Tag zu arbeiten.« Deshalb wechselt sie von der Rolle des Kindermädchens in die des Drill-Sergeants. Michael muss sich bei seinem Vater entschuldigen und wenigstens für den Rest des Tages den Laden schmeißen. Siehe da, es klappt. Michael kann nach getaner Arbeit verkünden: »Ich habe mich wie ein gestandener Mann gefühlt.«

Für »gestandene Männer« strahlt der Sen­der sein Programm aus. Der Kanal macht »Fernsehen für den Mann im Mann, mit einem Rund-um-die-Uhr-Programm, das seine Passionen, seine Art zu denken, seinen Lebensstil trifft«. So wirbt DMAX. Seit dem 1. September wird gesendet.

Auch vermeintliche Waschlappen darf es hier geben. Doch sie müssen wie Michael die harte Schule der Männlichkeit durchlaufen. Ashley Haynes wird in der Serie »Jobs für echte Männer« so vorgestellt: »Er ist 35 Jahre alt und hat noch nie richtig gearbeitet. Er ist ein echter Faulpelz.« In jeder Folge ist Haynes eine Woche lang zu Gast bei wirklich raubeinigen Jungs. Ein kanadischer Holzfäller begrüßt ihn mit den Worten: »Ashley? So heißt meine Tochter!« In den Rocky Mountains lernt Haynes dann, wie man Bäume fällt, die Stämme an den Hubschrauber hängt und sie mit einem Boot den Fluss entlangbugsiert. In Kolumbien absolviert er das Trainingsprogramm einer Antidrogeneinheit. Die Serie hat durchaus Witz und Ironie. Das liegt zum einen an Haynes selbst, der offensichtlich Spaß daran hat, den vertrottelten Briten zu geben. Zum anderen ist in jeder Sekunde klar, dass er, der verweichlichte, verwöhnte und faule Städter, das bessere Leben führt als die harten Kerle. Er fliegt gegen Bezahlung um die Welt, die anderen buckeln in den Rocky Mountains oder liefern sich Schießereien mit Gangstern.

Doch eines treibt auch Ashley Haynes um: »Ich will herausfinden, was einen echten Kerl ausmacht.« Und so entdeckt er den vermeintlichen Mann in sich, als er eigenhändig einen 600 Jahre alten Baum fällt oder sich aus einiger Höhe aus dem Hubschrauber der Antidrogenpolizei abseilt. Dafür erhält er die Anerkennung seiner Gastgeber. Der Waschlappen kann also, wenn er nur will.

Um gestrauchelte Männer kümmert sich der »Moneycoach« in der gleichnamigen Serie. Der Rechtsanwalt und Finanzexperte Michael Requardt hilft Menschen in Geldnot. Ein verschuldeter Betreiber eines Handyladens steht nach einer Woche, in der er vom »Moneycoach« betreut wurde, mit einem neuen Arbeitsplatz und 7 000 Euro Schulden weniger da. Der väterliche Rechtsanwalt leistet aber nicht nur konkrete Lebenshilfe. Er weiß auch, worauf es wirklich ankommt: »Wir wollen keine guten Verlierer sein. Wir wollen gewinnen!«

Wer sich diese Sendungen angesehen und vor dem Fernseher die stahlharte Ausbildung zum »echten Kerl« durchlaufen hat, ist bereit für das restliche Programm des Senders. Die Macher haben sich mehrere Sparten ausgedacht. In der Rubrik »Real Life« geht es »um Charaktere, Ent­deckun­gen, Leistungen und den täglichen Kampf ums Über­leben. Große Geschichten von großen Männern«. Diese Männer treiben sich jedoch vor allem auf Schrottplätzen und in Werkstätten für Autos und Motorräder herum. Die Sendungen »Rides – Heiße Öfen, coole Kisten« und »Die Ludolfs – Vier Brüder auf dem Schrottplatz« halten, was ihre Namen versprechen. Die erfolgreichste Serie des Senders kommt ebenfalls aus dieser Sparte. Sie heißt »American Chopper«. In ihr bauen die von jahrelangem Bodybuilding entstellten männlichen Mitglieder einer US-amerikanischen Familie ihre eigenen Motorräder zusammen. Doch meist geraten sie sich dabei derart in die Haare, dass die zeitlichen Anteile von Herumschreien und Herumschrauben jeweils ungefähr gleich sind.

Die Rubrik »Männerwelten« ist den Hobbies gewidmet. Natürlich zeigt eine Sendung das Neueste aus der Welt der Automobile. Doch gleich zwei Sendungen befassen sich mit einer Freizeitbeschäftigung, die nicht unbedingt im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit steht: Rex Hunt verrät in seiner Show die Tricks seiner ausgebufften Angeltechnik. Und in »Fish’n’Fun« angeln Profis und Laien um die Wette. Dafür gibt es keine Fußballsendung!

Die Sparte »Tech Plus« hingegen »zielt direkt auf das Hirn«, wirbt der Sender. Ob bei einem Volltreffer etwas vom Hirn übrig bleibt? Das ist nicht unbedingt nötig. Denn »Experimente am Limit« kann man ohne gedankliche Anstrengungen verfolgen. Die Moderatoren gehen in der Show z.B. den Fragen nach, ob man mit dem Motor eines Rasenmähers ein Go-Cart bauen oder ob man tatsächlich mit Dynamit fischen kann. Daneben laufen in der Rubrik auch populärwissenschaftliche Formate wie »Spiegel TV Wissen« und »D Tech«.

Und auch mit Prominenten kann man werben. Der Schauspieler Ewan McGregor fährt in der Serie »Long way round – Ein wahres Abenteuer« auf seinem Motorrad um die Welt. Jack Osbourne, der Sohn von Ozzy Osbourne, mutet sich in seiner Show stets aufs neue irgendwelche Herausforderungen zu.

Das Konzept des Senders scheint aufzugehen. Nach seinen Angaben sind 75 Prozent der Zuschauer Männer im Alter von 14 bis 49 Jahren. Im ersten Monat seines Bestehens hat er deutlich höhere Quoten als sein Vorgänger erreicht. Der schlecht laufende Sender XXP wurde im Januar von Discovery Communications gekauft. Für den Neubeginn hat man sich auf ein anderes Programm verlegt: DMAX ist der erste »Fac­tual-Entertainment-Kanal für Männer«, der gebührenfrei im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wird. Neu ist die Form des Factual Entertainment nicht. In den Neunzigern nannte man sie Infotainment. Und so wie damals funktioniert sie auch heute: Sie vertreibt dem Zuschauer die Zeit und suggeriert ihm dabei auch noch, er habe etwas Wichtiges dazugelernt.

Einen solchen Sender nur für Männer einzurichten, ist aber wirklich neu. Doch bei der Frage, welche Männer das Programm anzieht, dürften die Macher des Kanals irren. Nach eigenen Angaben hat man es auf einkommensstarke Männer mit hoher Konsumbereitschaft und wachsender Kaufkraft abgesehen. Doch diese haben wohl kaum Zeit, den ganzen Tag fernzusehen. DMAX ist eher etwas für den Hartz-IV-Empfänger. Wenn er Sendungen wie »Raus aus meinem Haus«, »Moneycoach« oder »Jobs für echte Männer« sieht, kann er sich stets auch selbst ein wenig gepiesackt fühlen. Danach kann er bei »Superhomes« und »Globe Trekker« Häuser und Orte bestaunen, die er nie bewohnen und bereisen wird. Und lernen kann er auch etwas: Selbst schuld, du Waschlappen!