Die Stunde der blauen Hunde

Nach der republikanischen Wahlniederlage muss Präsident Bush sich mit den Demokraten arrangieren. Der Rücktritt von Verteidigungsminister Rumsfeld könnte das erleichtern. von william hiscott

Die Wahl schön zu reden, wäre wie »ein Schwein zu schminken«, gab George W. Bush am Tag nach der Niederlage der Republikaner zu. Vielmehr sei es schlicht eine »Abreibung an der Wahlurne« gewesen, erkannte der Präsident. Zum ersten Mal seit 1994 kontrollieren die Demokraten beide Häuser des Kongresses. Im 435 Abgeordnete zählenden Repräsentantenhaus haben sie nun eine Mehrheit von 15 Sitzen, in der zweiten Parlamentskammer stellen sie 51 von 100 Senatoren. Sechs Gouverneursposten fielen an die Demokraten, auch in den Gemeinden wurden dieses Mal mehr Demokraten als Republikaner gewählt. Damit bleibt den Republikanern allein die Sperrminorität im Senat.

Die Republikanische Partei insgesamt wurde durch die Wahl deutlich geschwächt, doch erlitt vor allem der moderate Wirtschaftsflügel Verluste. Insbesondere Frauen und Angehörige der suburbanen Mittelschichten verweigerten den Republikanern ihre Stimme. Die Demokraten stärkten ihre Macht in ihrer Hochburg im Nordosten und machten Fortschritte im Mittelwesten und in einigen bislang republikanisch geführten Bundesstaaten wie Colorado, deren Bevölkerungsstruktur sich in den vergangenen Jahren durch die interne Migration und die Etablierung einer Latino-Wählerschicht geändert hat.

Innerparteilich hat die Niederlage die Konservativen und christlichen Fundamentalisten bei den Republikanern gestärkt. Einige ihrer Kandidaten fielen durch, wie Rick Santorum bei der Senatorenwahl in Pennsylvania. Doch die kleinere Parlamentsfraktion der Republikaner wird mehr als zuvor von Abgeordneten aus den Südstaaten und dem so genannten Bibelgürtel dominiert. Das neue Profil der Partei ist unübersehbar weiß, männlich, ländlich, christlich und konservativ. Überraschend ist es daher nicht, dass der Demokrat Harold Ford jr. es in Tennessee nicht schaffte, der erste schwarze Senator aus einem Südstaat zu werden.

Immerhin wird nun wohl erstmals eine Frau, die Demokratin Nancy Pelosi, das dritthöchste Amt in den USA bekleiden. Pelosi, die designierte Sprecherin des Repräsentantenhauses, ist eine linksliberale Berufspolitikerin aus San Fransisco. Doch obwohl ihr Progressive Caucus die stärkste Gruppierung bei den Demokraten im Kongress stellt, wird sie keine linke Politik machen können. Dafür sind die Zentristen um den Democratic Leadership Council und die Wertkonservativen der »Blue Dog Coalition« zu stark.

Die Fraktionen sind bei den Demokraten zahlreicher, aber deshalb auch weniger einflussreich als bei den Republikanern. Als Sammlungsbewegung besteht die Demokratische Partei aus vielen kleineren Macht­zentren, die untereinander Bündnisse schließen müssen. Unklar bleibt zum Beispiel, wie der über 40 Mitglieder zählende Congressional Black Caucus oder die den Gewerkschaften nahe stehenden Demokraten auf Richtungsentscheidungen, die im Repräsentantenhaus getroffen werden, Einfluss nehmen können. Im Senat ist einiges klarer: Wegen der äußerst knappen Mehrheit und der Sperrminoritätsregel müssen die Demokraten unter dem designierten Mehrheitsführer Harry Reid sowieso kompromissbereit sein.

In den Tagen nach der Wahl haben sowohl der Präsident als auch die neue Mehrheitsführung im Kongress wiederholt ihre Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit bekundet. Bush selbst nannte auf einer Pressekonferenz einige Arbeitsbereiche, in denen aus seiner Sicht Einigkeit erzielt werden könne. Er sprach sich beispielsweise für eine Erhöhung des Mindestlohnes aus, eine zentrale Forderung der Demokraten, die in den vergangenen Jahren gegen die Mehrheit der Republikaner nicht durchgesetzt werden konnte. Bush, der eine relativ liberale »umfassende« Immigra­tions­reform anstrebt, dürfte für seine Pläne bei den Demokraten sogar mehr Unterstützer finden als in seiner eigenen Partei. Da auch immer mehr Konservative und republikanische Wähler sich für den Umweltschutz interessieren, erklärte Bush sich bereit, über die Subventionierung von alternativen Energieunternehmen zu verhandeln.

Doch wie lange Republikaner und Demokraten nett zueinander sein werden, ist ungewiss. In Wa­shing­ton überdauern solche »unheiligen Allianzen« gewöhnlich nur wenige Wochen. Beide Seiten dürften allerdings Gründe haben, diesmal so lange wie möglich kooperativ zu sein oder wenigstens zu erscheinen. Die Demokraten müssen sich vor der Präsidentschaftswahl 2008 als regierungsfähig präsentieren. Bush fängt sicherlich an, an sein historisches Erbe zu denken, und in Texas gilt er als respektabel, gerade weil er als Gouverneur erfolgreich mit dem demokratisch geführten Parlament arbeitete. Die Kooperation mit den Demokraten könnte für den geschwächten Präsidenten zudem das einzige Mittel sein, um sich vor allzu neugierigen Untersuchungsausschüssen zum Irak-Krieg und anderen brisanten Themen zu schützen.

Als ein erster Schritt in diese Richtung kann der Rücktritt des umstrittenen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld gewertet werden. Der 74jährige »Rummy« wird geopfert, weil er als der Hauptverantwortliche für den misslungenen Feldzug im Irak gilt. Die Demokraten können dies als Bestätigung ihrer Kritik verstehen, zudem konnte wohl nur noch so die Unzufriedenheit im militärischen, geheimdienstlischen und außenpolitischen Establishment gemildert werden. Wenige Tage vor der Wahl hatte das Magazin Military Times, das inoffizielle Presseorgan der Militärbürokratie, die Entlassung Rumsfelds verlangt, der von den meisten seiner Untergebenen als autokratisch und inkompetent angesehen wird.

Sein Nachfolger soll Robert Gates werden, ein ehemaliger CIA-Direktor, der der außenpolitischen Schule der »Realisten« zugerechnet wird. Bush zeigt den Demokraten damit seine Kompromissbereitschaft, gibt implizit zu, dass im Irak nicht alles gut gelaufen ist, und deutet eine Abkehr von den ambitionierten Plänen zur Demokratisierung des Nahen und Mittleren Ostens an. Gates ist Mitglied der Iraq Study Group unter dem gemeinsamen Vorsitz von James Baker, dem Berater des Bush-Clans, und dem Demokraten Lee Hamilton. Mit der Ernennung von Gates zum Verteidigungsminister wird die Gruppe aufgewertet, die in einigen Wochen einen Bericht über die Strategie im Irak veröffentlichen will.

Bis dahin wird wohl viel diskutiert werden, vor allem bei den Demokraten, die keine klare Alternative zur Strategie Bushs haben und sich nicht darüber einig sind, ob und wie schnell die Truppen abgezogen werden sollen, die zukünftige Politik jedoch mit verantworten müssen. Zweierlei dürfte aber sicher sein: Der Einsatz im Irak wird bis auf weiteres weitergehen, und die Demokraten werden nach ihrem Wahlsieg die Hoffnungen vieler Europäer gründlich enttäuschen.