Komplexer Fall

Die Premier League produziert ­laufend neue Affären

Der englische Fußball ist erneut von einem Skandal betroffen. Nicht einmal zwei Monate nach der Schmiergeldaffäre in der Premier League, bei der es um Handgelder in Millionen­höhe bei Spielertransfers ging, und knapp acht Monate nach Unregelmäßigkeiten im Wettbüro Betfair, bei dem vermutlich von Insidern 24 Millionen Euro auf die Rückkehr von Coach Harry Redknapp nach Portsmouth gesetzt worden waren, gibt es erneut Korrup­tions­vorwürfe, die Trainer und Spieler der englischen Liga betreffen.

Die Informationen über diesen neuen Skandal stammen von einem ehemaligen Mitarbeiter des Buchmachers Victor Chandler Ltd., eines Offshore-Unternehmens, das seinen Hauptsitz im als Steueroase und als Heimat windiger Unternehmen bekannten Gibraltar hat.

Gleich vier Trainer von Clubs der ersten eng­lischen Liga haben demnach bei Chandler regelmäßig sehr hohe Fußballwetten platziert. Allein die Wetteinsätze eines dieser Coaches während eines Jahres wurden mit 12 Millionen britischen Pfund, umgerechnet 17,5 Millionen Euro, beziffert. Finanziell gelohnt hat sich dies für ihn allerdings nicht, er verlor insgesamt 415 000 Pfund, etwas über 600 000 Euro.

Neben den vier Trainern seien, so der ehemalige Angestellte, auch Spieler von Erstliga­vereinen als Wetter in Erscheinung getreten.

Die Namen der Beteiligten wurden allerdings nicht veröffentlicht. Die Anwälte von Victor Chandler reagierten schnell und erwirkten eine dahingehende einstweilige Verfügung beim High Court, dem obersten britischen Zivilgericht. »Wir wollen damit das Recht auf Privatsphäre schützen«, erklärte ein Sprecher des Wettbüros.

Nun ermittelt der britische Fußballverband Football Association (FA), ob und durch wen Regeln verletzt wurden. Auf Mithilfe von Victor Chandler dürfen sie nicht hoffen, denn anders als das Wettbüro Betfair hat Victor Chandler kein Abkommen mit der FA unterzeichnet und muss deshalb auch die Transaktionen der betroffenen Personen nicht offenlegen, es sei denn, es würde sich tatsächlich um verbotene Geschäfte handeln.

Rasche Ergebnisse werden die Ermittler der Football Association allerdings nicht liefern können. Acht Monate dauern die Unter­suchun­gen in der Betfair-Affäre um Redknapp bereits an, es sei eben »ein sehr komplexer Fall«, erklärte Lord Stevens, der mit den Vorgängen federführend beschäftigt ist. Denn Redknapp spielt auch im von der BBC aufgedeckten Schmier­geldskandal eine führende Rolle – allerdings dürften er und die weiteren Beschuldigten in der Handgeld-Affäre mit den nun aufgedeckten Wettgeschäften nichts zu tun haben, wie die FA bestätigte.

Viel mehr steht über die Trainerwetten denn auch nicht fest, die Verwirrung ist so groß wie die Menge der bekannten Fakten gering. Letztlich gibt es nur die Aussagen des nament­lich nicht genannten ehemaligen Mitarbeiters des Buchmacher-Unternehmens. Max Clifford, Pressemann von Victor Chandler, geht davon aus, dass »keine Regeln gebrochen wurden«. Zudem seien »nur zwei Trainer der Premier ­League betroffen, auch wenn in manchen Berichten von vier die Rede ist«.

Nach den Regeln der FA ist es Spielern und Trainern lediglich verboten, Geld auf Wettbewerbe zu setzen, an denen sie direkt beteiligt sind. Einen Verstoß gegen diese Regeln zu beweisen, wird schwierig werden, solange die Unterlagen von Victor Chandler über die genauen Transaktionen, wer wann welche Sportwette platziert hat, nicht zur Verfügung stehen.

daniel mayer