Man sendet deutsch

Die Deutschen lassen ihre Medien nicht gern von Ausländern kaufen. Zuletzt verursachte der Versuch Berlusconis, die Sendergruppe ProSiebenSat1 zu kaufen, große Empörung. von wibke bergemann

Wird ein Beispiel für eine Bananenrepublik gesucht, ist man schnell bei Italien. Korruption! Vetternwirtschaft! Mafia! Und dann dieser Berlusconi – ein Mann, der sich bei seinem steilen Aufstieg vom Sänger auf einem Kreuzfahrtschiff zum reichsten Italiener und mehrfachen Ministerpräsidenten bekanntlich hat schmieren lassen, stets engste Kontakte zu Politik und Mafia pflegte und überhaupt selten etwas auf legalem Weg ergattert hat! Seine Vergehen sind gut dokumentiert, und dennoch läuft der Mann noch immer frei herum! Ungeklärt bleibt nur die Frage, ob Silvio Berlusconi vor allem seine Medien­macht für politische Zwecke nutzt oder ob er umgekehrt in die Politik gegangen ist, um sein Medienimperium weiter ausbauen zu können. Was für Zustände! Gerne zeigt man hierzulande mit dem Finger auf Italien. Denn dagegen ist bei uns ja noch alles bestens!

Entsprechend laut war die Empörung vergangene Woche, als Berlusconi den Versuch unternahm, sich in den deutschen Fernsehmarkt einzukaufen. Dienstags hatte sein Medienkonzern Mediaset ein »unverbindliches« Interesse an einer Übernahme der zum Verkauf stehenden Sendergruppe ProSiebenSat1 bekundet. Die darauf folgenden Reaktionen vor allem aus der Politik waren derart heftig, dass der derzeitige Mehrheits­eigentümer, eine Investorengruppe um den US-Milliardär Haim Saban, binnen zwei Tagen Ber­lusconi als Bewerber wieder ausschloss. Als aussichtsreiche Anwärter gelten nun die politisch weniger belasteten Finanzinvestoren Apax in einem Konsortium mit Goldman Sachs, sowie Permira gemeinsam mit KKR.

Tatsächlich ist Berlusconis Doppelrolle als Politiker und Inhaber eines Medienkonzerns einzigartig in Europa. Schätzungen zufolge kontrolliert der ehemalige italienische Ministerpräsident über seine Fininvest-Holding und den Konzern Mediaset inzwischen 70 ­Prozent der ita­lienischen Medien. Zum Imperium gehören neben den drei nationalen Kabelsendern Rete 4, Italia 1 und Canale 5 auch Publitalia, ein konzerneigener Fernsehvermarkter, der den italienischen Werbemarkt beherrscht, sowie die großen Verlagshäuser Einaudi und Mondadori, die neben Büchern auch zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften verlegen.

In Spanien hat sich der Privatsender Tele­cinco nach der Übernahme durch Mediaset vor vier Jahren inzwischen zum Marktführer entwickelt. Auf dieser Grundlage erfolg­te der Versuch, auch auf dem deutschen Fernsehmarkt Fuß zu fassen.

Mit einer so umfassenden Ablehnung in Deutsch­land dürfte Berlusconi nicht gerechnet haben. Parteiübergreifend wurde sogleich der Un­tergang der deutschen »Fernsehkultur« beschworen. Die kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag etwa, Grietje Bettin, warn­te vor einer einseitigen Berichterstattung, sollte Berlusconi die Sender übernehmen: »Wenn Ber­lusconi Parteipolitik machen will, indem er bei­spielsweise mehr über die CDU als über die SPD berichtet, wird ihm das gelingen.« Auch in der Union sorgten die italienischen Übernahmepläne für Unbehagen. Es müsse im Interesse aller medienpolitisch Verantwortlichen sein, »dass auch bei privaten Fernsehanbietern ein Mindest­maß an qualitativ guten und politisch unabhän­gigen Programmen gewährleistet ist«, sagte Rein­hard Grindel (CDU), der im Ausschuss »Kultur und Medien« des Bundestages sitzt.

Doch unterscheiden sich die Sender Berlusconis eigentlich so sehr von anderen privaten? Mit Italia 1, Rete 4 und Canale 5 hat Berlusconi seit Mitte der neunziger Jahre das italienische Fern­sehen »modernisiert«. Wie beinahe überall zählt seitdem nur noch eins: die Quote. Entsprechend haben sich die Programme, egal ob privat oder staatlich, inhaltlich verändert. Und insofern unterscheidet sich das italienische Fernsehen lediglich in zwei Punkten maßgeblich vom deutschen: Zum einen findet auf Berlusconis Kanälen keine kritische Berichterstattung über Berlusconi statt. Die andere italienische Besonderheit ist das infla­tio­näre Auftreten von leicht bekleideten Blondinen. Ob Musik­show oder Polittalk, Abend für Abend bevöl­kern Unmengen von ihnen, zur Dekoration degradiert, den Bildschirm.

Eher zweitrangig dürfte daher die Sorge um die vermeintliche Qualität des deutschen Fernsehens gewesen sein. Die angeblichen Wächter über das Niveau bei ProSieben und Sat1 reagierten vielmehr nach einem bekannten Muster. Jedes Mal, wenn ein ausländisches Unternehmen Anteile an den deutschen Medien erstehen will, ist man beunruhigt. Das war nicht anders, als der aus Australien stammende Rupert Murdoch vor einigen Jahren in den deutschen Fernsehmarkt einsteigen wollte. Als Haim Saban nach der Pleite von Leo Kirch im März 2003 ProSiebenSat1 kaufte, wurde der Ruin der Sendergruppe herbeigeschrieben. Und bevor der Ire David Montgomery nach der Hamburger Morgenpost die Berliner Zeitung kaufte, streikte die Redaktion zum ersten Mal, um eine solche »Heuschrecken«-Übernahme zu verhindern.

»Mir wäre ein nationaler Investor lieber«, sagte der Generalsekretär der CSU, Markus Söder, der auch den Vorsitz der CSU-Medienkommission innehat, der Süddeutschen Zeitung. Dem nationalen Reflex folgend, wünschte sich vergangene Woche mancher Unionspolitiker gar den Springer-Verlag als möglichen Käufer von ProSiebenSat1 zurück. »Es kann nicht sein, dass sich ausländische Unternehmen hier frei einkaufen können und nationale Unternehmen wettbewerbs- und kartellrechtlichen Schranken unterliegen«, sagte Grindel. Springer war vor einem Jahr mit seinem Angebot gescheitert, weil Kartellamt und Medienaufsicht eine Medienkonzentration befürchteten.

Die Medienkommission der SPD schlug vor, ausländischen Medienunternehmen lediglich eine Min­derheitsbeteiligung zu gewähren. Ausländische Inves­toren seien »herzlich willkommen, aber sie sollten sich nur mit bis zu 25 Prozent an deutschen Unternehmen beteiligen dürfen«, forderte der Kommissionsvorsitzende Marc Jan Eumann.

Der Vorschlag dürfte nicht nur in der EU auf wettbewerbsrechtliche Bedenken stoßen. Er ist auch reich­lich einseitig, wenn man die zumeist ungestör­ten Aktivitäten deutscher Medienunternehmen in Osteuropa betrachtet. Vor allem Axel Springer, die WAZ-Gruppe, Bertelsmann und die Verlagsgruppe Passau haben dort, neben anderen westlichen Inves­toren, die ehemals staatlichen Medienmonopole in Oligopole verwandelt.

Nach einer Studie des Internationalen Journalismus-Zentrums befinden sich in manchen Ländern bereits 80 bis 90 Prozent der Medien in westeuropäischer und dabei vor allem in deutscher Hand. Die Klagen osteuropäischer Journalisten darüber, dass ausländische Verlagshäuser über die Inhalte der Sender bestimmen, bleiben hierzulande jedoch weitgehend ungehört.