Countdown für Conté

Der Generalstreik in Guinea von bernhard schmid

Diplomatisches Auftreten ist nicht die Stärke Lansana Contés. »Ich werde euch töten«, drohte der 73jährige Präsident vier Gewerkschaftsführern bei einem Treffen am Freitag der vorletzten Woche. »Ich habe bereits getötet, ich kann es wieder tun.« Doch auch diese Drohung bewegte die Gewerkschafter nicht dazu, den seit dem 10. Januar andauernden Generalstreik zu beenden.

Als am Montag voriger Woche rund 30 000 Menschen in der Hauptstadt Conakry demons­trierten, eröffneten Soldaten das Feuer und töteten rund 30 Personen. Auch in anderen Städten wurde auf Protestierende geschossen. Amtlichen Angaben und Informationen aus den Krankenhäusern zufolge wurden seit dem Beginn des Generalstreiks 59 Menschen getötet.

Die Streikenden fordern eine Teilhabe an den Ressourcen des Landes. Unter dem Boden Guineas lagern zwei Drittel aller Vorräte an Bauxit, aber auch Eisenerz, Uran und Diamanten. Doch die ausländischen Konzerne zahlen nur geringe Abgaben für die Rohstoffausbeutung, und diese werden größtenteils für die Zahlung der Auslandsschulden ver­wen­det oder verschwinden in den Taschen korrup­ter Politiker. Auch von der Privatisierungspolitik profitierten vornehmlich Günstlinge des Regimes, während die durchschnitt­liche Lebenserwartung seit 1984, dem Beginn der Präsidentschaft Contés, um 10 auf 48 Jahre sank.

Der Anlass für die Ausrufung des Generalstreiks war der eigenwillige Umgang Contés mit einem besonders spektakulären Korruptionsfall. Mamadou Sylla, Multimillionär und persönlicher Freund des Präsidenten, gilt seit über 20 Jahren als Symbolfigur für die Verbindung von Politik und Geschäft. Er ist offizieller Importeur von Waffen für die Armee und hält zahlreiche Einfuhrmonopole. Im Westen wird er oft als Beispiel für erfolgreiche »Privatinitiative« gehandelt, die Stadt New York verlieh ihm die Ehrenbürgerwürde. Doch in Guinea wurde im vorigen Jahr der Druck aus der Bevölkerung und der politischen Klasse so groß, dass Sylla am 16. Dezember hinter Gittern landete. Sehr zum Unwillen Contés, der die Freilassung seines Freundes anordnete und Kritikern beschied: »Die Justiz bin ich.«

Daraufhin brach der Protest erneut aus. Den Generalstreik organisierten vor allem die beiden Gewerkschaftsverbände CNTG und USTG, die darin bereits Erfahrung haben. Bei den Ausständen Ende 2005, im März und im Juni 2006 forderten sie eine Anhebung der Löhne und der Renten auf das Vierfache. Da 90 Prozent der abhängig Beschäftigten gewerkschaft­lich organisiert sind, konnte sich das Regime den Forderungen nicht ganz verschließen, Löhne und Renten wurden immerhin um 55 Prozent erhöht.

Mittlerweile hat sich die Bewegung radikalisiert, im Zentrum steht die Forderung nach dem Rücktritt des Präsidenten. Abdanken will Conté offenbar nicht, doch scheint er sich zu Kompromissen gezwungen zu sehen. In der vergangenen Woche verhandelte Henriette Conté, die diplomatisch begabtere First Lady (der Präsident hat noch zwei weitere Ehefrauen) mit den Gewerkschaftsführern, am Samstag kam es zu einer vorläufigen Einigung.

Präsident Conté stimmte der Einsetzung eines Premierministers zu, der »im Konsens« bestimmt werden und umfangreiche Voll­mach­ten erhalten soll. Teil der Übereinkunft ist auch die Senkung der Preise für Reis und Benzin. Die Einigung wurde auf den Straßen Conakrys gefeiert, doch bleibt ungewiss, ob Conté wirk­lich bereit ist, der autokratischen Herrschaft zu entsagen. In dieser Woche werden die Guineer wieder zur Arbeit gehen, der Gewerkschaftssprecher Ibrahima Fofana betonte jedoch, es handle sich nur um eine »Un­terbrechung« des Streiks.