Das Territorium verteidigen!

Proteste gegen US-Militärbasis in Italien von catrin dingler, rom

Im Norden Italiens gibt es furchtbar langweilige Kleinstädte. Vicenza zum Beispiel: ordent­lich katholisch und streng konservativ. Dort sieht derzeit die einheimische Bevölkerung ihr Idyll durch die Anwesenheit der 173. US-Luftlandebrigade bedroht. Bereits im Herbst vergangenen Jahres sorgten die amerikanischen Pläne, den Militärstützpunkt Ederle zu erweitern und den zivilen Flughafen Dal Molin für die militärische Nutzung auszubauen, für Aufregung. Als nun Ministerpräsident Romano Prodi Mitte Januar erklärte, dass sich die Regierung dem amerikanischen Vorhaben »nicht entgegenstellen« werde, wuchs der Protest zur Massenbewegung. Ersten spontanen Protestkundgebungen folgte ein organisierter Fackelzug und ein eintägiger Schul­streik. Vor dem Flughafengelände wurde ein riesiges Zelt aufgebaut, Sitz der rasch eingerichteten ständigen Vollversammlung. Für den 17. Februar soll zu einer nationalen Demonstration aufgerufen werden.

Die Vergrößerung der amerikanischen Airbase wird aus mehreren Gründen abgelehnt: Der Flughafen läge zu nahe an der Innenstadt, die Wasserressourcen der Umgebung würden unverhältnismäßig belastet, die anfallenden Ausgaben, die die staatlichen Kassen zu übernehmen hätten (41 Prozent der Baukosten), seien nicht zu rechtfertigen. Vor allem aber solle Vicenza nicht zum logistischen Zentrum des amerikanischen global war werden. Italien solle endlich seine »natio­nale Souveränität« behaupten.

Zufrieden registrieren die Vertreter der globalisierungskritischen Bewegung den Eintritt in eine »neue Phase«. Im »neuen Kampfzyklus« gehe es vor allem um das lokale »Territorium«. In Vicenza wird dieses jedoch seit Jahren von den rechten Parteien, vor allem von der rechts­populistischen Lega Nord, kontrolliert. Deren Anhänger versammeln sich ebenso zahlreich unter dem Zeltdach vor dem Flughafengelände wie die Jugendlichen der postfaschistischen Alleanza Nazionale. Doch das gesamte linke Spektrum stört sich nicht weiter an den »etwas komischen Subjekten«. Man gibt zu, dass es sich um »unbequeme Genossen« handelt, freut sich aber ansonsten über den »frischen Wind«, der durchs Städtchen weht und die Bevölkerung zu einer einzigen großen »Gemeinschaft« zusammenballt.

Auch in anderen Regionen hat sich die radika­le Linke in den vergangenen Jahren bedenken­los lokalen Bürgerbewegungen angeschlossen. Die Kampagne »No Dal Molin« sieht sich in der Tradition der süditalienischen Bewegung gegen den Bau der Brücke über die Meerenge von Messina (»No Ponte«) und der Kampagne gegen den Bau einer Hochgeschwindigkeits­trasse des europäischen Zugnetzes im pie­mon­tesischen Val di Susa (»No Tav«).

Da an Ort und Stelle die politische Abgrenzung aufgegeben wird, muss die Linke versuchen, sich auf nationaler Ebene zu profilieren. In den kommenden Wochen steht in Rom die Finanzierung des italienischen Militärkontingents in Afghanistan zur Abstimmung. Kommu­nisten und Grüne fürchten den Druck ihrer Anhängerschaft. Denn durch den Protest in Vicenza hat die Antikriegsbewegung neuen Auftrieb bekommen. Drei Minister, die sich der radikalen Linken verpflichtet fühlen, haben deshalb am Donnerstag vergangener Woche dem von der Regierung vorgelegten Dekret zur Finanzierung nicht zugestimmt. Prodi muss sich um seine Koalition dennoch keine Sorgen machen. Bis zur Abstimmung in den Kammern ist noch genug Zeit, um eine Formulierung zu finden, die es der Linken erlaubt, im Parlament für den italienischen Militäreinsatz zu stimmen und gleichzeitig in Vicenza gegen den amerikanischen Militärstützpunkt zu demonstrieren.