Das ultimative Finale

Der 41. Superbowl steht im Zeichen eines Daumens, gewinnen wird das Football-Finale zum ersten Mal ein schwarzer Cheftrainer. von boris mayer

Champions sind die Indianapolis Colts und die Chicago Bears, die beiden Football-Teams, die am kommenden Sonntag im Super Bowl stehen, schon längst. Denn sie haben vor zwei Wochen jeweils ihre Spiele gewonnen, die in Deutschland gerne als Halbfinale bezeichnet werden, in Wirklichkeit jedoch offizielle Championship Games sind – das der National Football Conference (NFC) und das der American Football Conference (AFC).

Der Grund dafür liegt in der Geschichte, denn die heutige National Football League (NFL) ging aus der Fu­sion der damals konkurrierenden Ligen NFL und AFL hervor. Bevor die beiden Ligen 1970 zusammengelegt wurden, war schon vier Jahre lang das Endspiel der beiden Meister, das in den beiden ersten Ausgaben noch das AFL-NFL World Championship Game war, ausgetragen worden. Ab 1968 hieß das Spiel offiziell Super Bowl, und auch die beiden ersten Ausgaben bekamen nachträglich diesen Namen.

Natürlich gibt es für so ein Spiel auch einen Pokal. Ursprünglich hieß er World Championship Game Trophy, wurde aber 1970 nach dem gerade verstorbenen Coach der Green Bay Packers, Vince Lombardi, der mit seinem Team die ersten beiden Super Bowls gewonnen hatte, in Vince Lombardi Trophy umbenannt. Die Trophäe ist, wie in den meisten anderen Sportarten üblich, kein Wanderpokal, sondern wird jedes Jahr vom Juwelier Tiffa­ny’s neu angefertigt, das Sieger-Team darf den drei Kilo schweren und 55 Zentimeter hohen Football aus massivem Silber behalten. Eine Einzelanfertigung ist der Pokal allerdings nicht, denn sicherheitshalber werden in jedem Jahr zwei Exemplare hergestellt – falls eines bei den Feierlichkeiten kaputt geht.

Doch was macht die 41. Ausgabe des Super Bowl, den Super Bowl XLI, so besonders? Eine Premiere steht an: Zum ersten Mal, das ist bereits klar, wird ihn ein afro­amerikanischer Cheftrainer gewinnen, denn diesmal sind gleich beide Head Coaches Afroamerikaner.

Tony Dungy, der Coach der Colts, hat nur als Spieler Erfahrung im Super Bowl. Er gewann mit den Pittsburgh Steelers den Super Bowl XII, als Coach war sein bestes Ergebnis bisher das Erreichen des Championship Games der NFC. Sein Gegenüber, Chicago-­Bears-Coach Lovie Smith, war als Trainer für die Offensive schon einmal im Super Bowl, verlor aber.

Die beiden Männer kennen einander sehr gut. Smith war vier Jahre lang Linebacker-Coach bei den Tampa Bay Buccaneers, während Dungy dort Head-Coach war. Sie sind befreundet, und Tony Dungy gilt als Smiths Mentor, beide sind Spezialisten für die Defensive. Tony Dungy lässt bei den Colts die gleiche defensive Strategie spielen, die er einst, gemeinsam mit Smith, in Tampa entwickelte. »Ich kenne die Ausrichtung der Teams, die Tony aufs Feld schickt«, sagt Smith, »eine abgebrühte Verteidigung, und wir alle wissen, was uns offensiv erwartet.« Entsprechend werde das große Finale »eine Herausforderung für uns, aber so soll es ja sein. Es wird ein großartiges Spiel. Dass ich einen guten Sitzplatz haben werde, steht ja nun mal fest, und ich kann es kaum erwarten, mir das anzusehen.«

Beide Teams sind allerdings nicht gerade Stammgäste im großen Finale. Die Indianapolis Colts gewannen bisher nur den Super Bowl V, damals noch als Baltimore Colts, und kamen danach 35 Jahre lang nicht mehr in das Endspiel, die Chicago ­Bears gewannen bei ihrer ersten und einzigen Finalteilnahme im Jahr 1982 den Super Bowl XX.

Für die Spieler ist es schon ein Höhepunkt der Karriere, überhaupt in einem Super Bowl zu spielen. Sie geben alles, um vielleicht als siegreiches Team vom Platz zu gehen und einen Super-Bowl-Ring an einen Finger stecken zu können. Einer von ihnen wird der MVP werden, der Most Valuable Player, und gewinnt damit die Pete Rozelle Trophy, die größte Ehrung für einen Einzelspieler im American Football.

Auch die Show wird nicht zu kurz kommen. In der Halbzeitpause, die speziell für den Super Bowl von 15 auf 27 Minuten verlängert wird, wird Prince auftreten. Die obligatorische Nationalhymne vor dem Spiel wird von Billy Joel gesungen, mit weiteren Stars darf gerechnet werden.

Es ist aber auch das Spiel des Kommerzes. Voriges Jahr kostete ein 30sekündiger Werbespot während des Matches in den USA 2,5 Millionen Dollar. Die Reklamefilmchen werden speziell für das Ereignis gedreht, sind extrem originell und entsprechend beliebt, bereits Tage vor dem Finale wird über den Inhalt der einzelnen Spots fast genauso heftig spekuliert wie über die Taktiken der Teams.

Für die Spieler ist es gar nicht so leicht, sich auf das Spiel zu konzentrieren. Raheem Brock, ein Defensive Tackle der India­na­polis Colts, hat beispielsweise einen Cousin verpflichtet, sich um eingehende Nachrichten zu kümmern. »Es ist verrückt, ich kann mich noch nicht einmal um alle meine Anrufe kümmern. Es rufen mich Leute an, mit denen ich schon zehn Jahre nicht mehr gesprochen habe, von denen ich nicht einmal weiß, woher sie meine Telefonnummer haben. Sie wollen Tickets, jeder will Tickets«, sagt Brock. Die Ablenkungen müssen aus dem Kopf. »Es ist schwie­rig, zielgerichtet zu bleiben, aber man muss einfach wissen, dass dies eine Geschäftsreise ist«, sagte Adam Vinatieri. Er ist Kicker der Colts, stand bereits viermal mit den New England Patriots in einem Super Bowl und gewann dreimal; er muss also wissen, wovon er spricht.

Ein weiteres kleines interessantes Detail ist, dass einer der großen Helden des Super-Bowl-Triumphes der Chicago Bears, Emery Moorehead, Tightend im Super Bowl XX und in Chicago noch immer sehr verehrt, in diesem Spiel für die Colts ist: Sein Sohn Aaron Moorehead ist Wide Receiver bei den Colts.

Doch was die Medien eine Woche vor dem großen Ereignis am meisten beschäftigte, ist ein Daumen. Er gehört dem Quarterback der Colts, Peyton Manning, der ihn sich beim Sieg gegen die New England Patriots im AFC Championship Game verletzte. Bei einem Wurfversuch war er mit der Hand gegen den Helm seines Mitspielers Tarik Glenn geknallt, einen Tag später war der Finger geschwollen und verfärbt. Herauszufinden, wie geschwollen, wie verfärbt und wie verletzt der derzeit berühmteste Daumen der USA nun genau ist, gehört seither zu den wichtigsten Zielen der Football-Reporter. Manning heizte die Spekulationen zusätzlich an, denn er lehnt es ab, auf Fragen zu antworten, die sich auf seinen Finger beziehen. Da er aber inzwischen in neun Saisons alle 156 Spiele auf dem Feld begonnen hat, wird erwartet, dass er dabei ist, auch wenn es vielleicht noch ein bisschen weh tut.

Trotzdem rechnen Experten mit einem Sieg der Indianapolis Colts mit sieben Punkten Vorsprung. Das Team lieferte schließlich vor 14 Tagen im Championship Game ein Spiel ab, das als eines der besten aller Zeiten gehandelt wird. Doch auch Chicago macht sich durchaus berechtigte Hoffnung auf den Sieg, denn das Team hat in der regulären Saison ein Spiel mehr gewonnen als das aus Indianapolis, und in den meisten Fällen hat das in der regulären Saison erfolgreichere Team auch den Super Bowl gewonnen.

Hunter Hillenmeyer, der Linebacker der Chicago Bears, erklärte: »Wir müssen einfach gewinnen. Man kommt nicht so weit, um dann nicht zu gewinnen.« Das gilt allerdings für alle Beteiligten.