Klemmkes erstes Mal

Erotikmagazin "Feigenblatt"

»Ich habe keine Lust mehr. Keine Lust auf Silikonbrüste, Stringtangas und ölige Blondinen in Hotpants, die sich auf Kühlerhauben räkeln. Auf der Suche nach Erotik erlebt man heute allzu oft Fleischbeschau, wo verhüllte Haut viel aufregender gewesen wäre«, schreibt die Herausgeberin Anja Braun in der ersten Ausgabe des Feigenblatts. Damit hat sie zweifellos Recht. Auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt herrscht zwar an Sexheften kein Mangel. Aber man kann lange suchen, bis man eines findet, das auch Frauen zu seiner Zielgruppe zählt und etwas anderes bietet als Schmuddelporno, geile »Dreilochstuten«, Sixpackmänner oder Supermodelsofterotik im Hochglanzformat.

Diese Lücke will das Feigenblatt schließen, indem es »anspruchsvolle Erotik« und »tiefere Sinnlichkeit« für »Menschen mit Geschmack und Verstand«, Frauen wie Männer, liefert. Sechs Aus­gaben des Magazins sind bisher erschienen.

Der Name des Hefts steht für den Anspruch, zu »enthüllen, ohne zu entblößen«. Denn im gutbürgerlichen Verständ­nis von Sexualität gilt gerade das Verbor­gene als erotisch. »Sinnlichkeit« und Ästhetisierung verdrängen dabei jedoch den Sex und transportieren noch dazu konventionelle Geschlechterbilder.

Die meisten Seiten werden von zuweilen etwas peinlichen erotischen Gedichten und Erzählungen sowie Aufnahmen von zum Teil namhaften Fotografen gefüllt. Auf den Bildern wurden zwar nicht mit Hilfe der digitalen Nachbearbeitung Hautfalten beseitigt, Zähne geweißt und Beine verlängert. Das ist schön. Dennoch sucht man eine rauere Ästhetik oder unkonventionelle Schönheiten vergebens. Und Männer sind auf den Fotos deutlich in der Minderzahl.

In der Rubrik »Aus dem Leben eines Feiglings« berichtet »Kasimir Klemmke« über peinliche Fehlschläge in der Tanzstunde oder beim »ersten Mal«. Der Name des Autors ist genauso lustig wie seine Ausführungen. Als Beitrag zu der vom Bürgertum stets ersehnten Verschulung der Sexualität liefert die »Hausaufgabe zum Sammeln« so originelle Erotiktipps wie: »Nehmen Sie sich viel Zeit! Wählen Sie, wer die aktive und wer die passive Rolle einnehmen soll!« Wer das Bedürfnis hat, Augenbinden, aphrodisierende Düfte, Federn und Eiswürfel ins Liebesspiel zu integrieren, dazu aber eine Anweisung braucht, ist hier richtig.

Es gibt allerdings auch interessante Texte, wie das Interview mit der Prostituierten Lolette. Sie hat den Beruf erst mit 49 Jahren ergriffen und dadurch ihre manisch-depressive Erkrankung bewältigt. Vergleichsweise lesenswert ist auch ein informativer Artikel über die weib­liche Ejakulation und den G-Punkt.

Breiter Raum wird den Produktbesprechungen eingeräumt. Hier erscheint das Magazin als Promotion-Plattform des längst florierenden, »gehobenen« Erotikmarkts. Ein Unternehmen, das teure Erotikprodukte für Frauen verkauft, wirbt im Feigenblatt und vertreibt die Hefte in seinen Läden.

Nach wie vor fehlt also das Pornoheft für Frauen, das schmutzig und hart Körper als Sexobjekte zeigt, die nicht die Maße von Arno Brekers Skulpturen haben. Es fehlt ein Magazin, das vor allem ohne schwülstige Gedichte auskommt.