»Wir brauchen globale Lösungen«

Ein Gespräch mit dem Klimaforscher mojib latif über Ursachen und Konsequenzen des Klimawandels

Mojib Latif ist Meteorologe und Professor am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel. Er war einer von rund 2 500 Forschern, die am Bericht des UN-Klimarats mitgewirkt haben.

Das American Enterprise Institute stellt jedem Forscher 10 000 Dollar in Aussicht, wenn er den Klimabericht des IPCC widerlegen kann. Wird sich jemand diese Belohnung verdienen?

Jedenfalls nicht durch eine seriöse Arbeit. Es gibt keine wissenschaftliche Studie, die die Erwärmung des Klimas ernsthaft bestreitet oder die nachweist, dass es sich dabei um ein natürliches und nicht von Menschen geschaffenes Phänomen handelt. Öffentlich behaupten kann man alles Mögliche, aber man muss seine Thesen begründen und überprüfbare Forschungen vorlegen. Und das ist nicht so einfach.

Alle ernsthaften Zweifel daran, dass die Erwär­mung von Menschen verursacht ist, sind aus der Welt?

Ja, davon gehe ich aus.

Können Sie das einem Laien erklären?

In den vergangenen 100 Jahren hatten wir eine Erd­erwärmung von 0,74 Grad. Von diesen 0,74 Grad gehen ungefähr 0,5 Grad auf das Konto des Menschen, der Rest hat natürliche Ursachen. Und die von Menschen bewirkte Erwärmung wird zunehmen.

Wer wird am stärksten betroffen sein?

Vor allem die Küstenregionen. Aber alle Messungen zeigen, dass wir, wenn wir so weiter machen wie bisher, es mit der schnellsten Klimaveränderung, seit es Menschen gibt, zu tun bekommen werden. Es gibt kaum ein Lebewesen, das von den Folgen nicht betroffen wäre.

Manche Leute witzeln, sie hätten nichts dagegen, wenn in Deutschland mediterrane Zustände einkehren würden.

Damit nehmen leider auch die Wetter­extreme zu, und das heißt, dass wir viel häu­figer mit heftigen Gewittern zu rechnen haben, mit langen Trockenperioden und mit sehr milden Wintern, in denen es kaum noch Frost und Schnee gibt.

Kein Schnee und mehr Sonne, das klingt nicht nach allzu schlimmen Folgen.

Die wird es aber geben, etwa in Form extremer Überschwemmungen, die schon in den letzten Jahren Milliarden gekostet haben. Und die lang­en Trockenperioden im Sommer haben nicht nur Folgen für die Landwirtschaft, sondern auch für die Energieversorgung. Wenn die Flüsse zu wenig Wasser führen und kein Kühlwasser vorhanden ist, müssen Kraftwerke abgeschaltet werden.

Manche halten angesichts des Klimawandels die Atomenergie für unabdingbar.

Davon halte ich nicht viel. Die einzige Möglichkeit, die Energieprobleme der Menschheit langfristig zu lösen, sind erneuerbare Energien, allen voran die Solarenergie. Das ist ein Zukunftsmarkt, bei dessen Entwicklung wir vorne dabei sein sollten, anstatt uns wieder der Kernenergie zuzuwenden.

James Lovelock, ein Wissenschaftler und Vordenker der Umweltbewegung, meint, die erneuerbaren Energien würden nicht genügen. Und er hält die Risiken der Atomenergie im Verhältnis zu den Folgen des Klimawandels für hinnehmbar.

Das hieße in der Konsequenz, die Kernenergie weltweit einzusetzen und überall aufzurüsten. Das kann keiner wollen, zumal wir nicht wissen, was wir mit dem Atommüll machen sollen.

Die Bundeskanzlerin unterstützt die Autoindus­trie gegen eine Abgasverordnung der EU.

Dass oft wirtschaftliche Interessen den langfristigen Interessen der Umwelt entgegenstehen, ist richtig. Aber das Problem sind nicht nur das kurzfristige Gewinnstreben der Wirtschaft und das Versagen der Weltpolitik, sondern auch das Konsumverhalten der Bürger.

Haben Politiker und Bürger das Ausmaß des Problems begriffen?

Ich glaube, die Politiker schon. Aber das reicht nicht. Wir brauchen globale Lösungen, wir müssen auch die Amerikaner und die Chinesen einbeziehen. Das Klimaproblem wird nur weltpolitisch zu lösen sein.

Können wir noch etwas machen?

Wir müssen versuchen, den weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 zu halbieren und bis 2100 um etwa 90 Prozent zu reduzieren. Das würde die Erwärmung bis 2100 unterhalb von zwei Grad belassen, was als akzeptabler Grenzwert gilt. Das ist eine immense weltwirtschaftliche und weltpolitische Herausforderung.

interview: deniz yücel