Das Gesetz der Famiglia

Eine minimale Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sorgt in Italien für heftige Debatten. Nicht nur die katholischen Hardliner sehen darin eine Bedrohung für die Familie. von catrin dingler, rom

Die blau-weiß-rote Trikolore flatterte im warmen Märzwind, doch revolutionäre Früh­lings­stimmung wollte nicht aufkommen. Am vorletzten Wochenende versammelten sich in Rom mehrere zehntausend Menschen auf dem Platz vor der französischen Botschaft, um für eine rechtliche Gleichstellung aller Lebenspartnerschaften zu demonstrierten. Sie brachten ihre Wecker mit und ließen sie klingeln. Die italienischen Politiker sollten »aufwachen« und begreifen, dass es an der Zeit sei, unverheiratete hetero- und homosexuelle Paare zivilrechtlich anzuerkennen.

Wenige Tage zuvor hatte Ministerpräsident Romano Prodi erklärt, dass der vom Kabinett vorgelegte Gesetzesentwurf zu den »Rechten und Pflichten von Personen, die dauerhaft zusammenleben« (in der italienischen Abkürzung: Dico), nicht mehr zu den Prioritäten seiner Regierung zähle. In der Hoffnung, das Dekret möge im Verlauf des langwierigen Gesetzgebungsverfahrens irgendwie in Vergessenheit geraten, sollte es dem Senat zur weiteren Ausarbeitung überlassen werden.

Doch der Erfolg der Demonstration, die von feministischen und schwul-lesbischen sowie Transgender-Gruppen initiiert und von den kleinen Parteien des linksliberalen Spektrums unterstützt wurde, zeigt, dass die Dico nicht so einfach von der politischen Tagesordnung zu streichen sind.

Die Forderung nach rechtlicher »Gleichheit« ist freilich nicht sehr revolutionär. Für den liberalen Flügel des Mitte-Links-Bündnisses würde bereits die Durchsetzung des bescheidenen, von den beiden Ministerinnen für Familie und Frauengleichberechtigung ausgearbeiteten Entwurfs als Erfolg gelten. Die Dico sehen vor, dass hetero- und homosexuelle Paare beim Einwohnermeldeamt ihr »Zusammenwohnen« anzeigen und dann entsprechend der nach­gewiesenen Dauer ihres »gemeinsamen Haushalts« verschiedene Rechte erhalten können, die bisher nur für verheiratete Paare gelten. Anstatt nach dem Vorbild des viel zitierten französischen Pacs (»Pacte civil de solidarité«) eine rechtliche Angleichung zu schaffen, betont das italienische Gesetz auch weiterhin die Differenz zum traditionellen Ehevertrag.

Das laute Weckerklingeln kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass für die klerikalen Hardliner die letzte Stunde noch lange nicht geschlagen hat.

Anders als 1974, als das Scheidungsrecht per Volksentscheid erzwungen wurde, genießt das katholisch-konservative Lager heute größeren gesellschaftlichen Rückhalt: Erst im vergangenen Jahr trat nach einem gescheiterten Referendum ein Gesetz zur künstlichen Befruchtung in Kraft, in dem das in der aktuellen Diskussion so aggressiv verteidigte traditionelle Familienmodell den einzig gültigen Maßstab abgibt.

Immerhin liegen der im Senat zuständigen Justizkommission inzwischen neun weitere Gesetzesentwürfe vor. Der von Maria Luisa Boccia (Rifonda­zione Comunista) eingereichte Vorschlag zielt nicht auf die rechtliche »Gleichheit« von Paaren. Vielmehr geht es um die »Freiheit« der Einzelnen, mit anderen eine Beziehung einzugehen. Diese Beziehungen sollen rechtlich anerkannt, nicht aber auf die Familiennorm reduziert werden.

Da kein Gesetz je in der Lage sein wird, der in der Gesellschaft sehr stark verbreiteten Homophobie entgegenzuwirken, bedarf es jedoch vor allem einer politischen Praxis, die sich nicht auf die Forderung von Rechten beschränkt. Einige schwul-lesbische Gruppen suchen neuerdings den Kontakt zur historischen Frauenbewegung. »Nicht glauben, dass man Rechte hat«, war einer der Slogans, mit dem sich der Mailänder Frauenbuchladen schon früh vom vermeintlich emanzipativen Kampf um »Gleichstellung« distanzierte, um sich mehr Freiheit auf anderem Weg zu erkämpfen. Ob es dieser neuen Allianz gelingen wird, das christdemokratische Kontinuum der italienischen Geschichte zu unterbrechen, bleibt fraglich.