Krieg den Hütten, Razzien in den Palästen

Die Übergangsregierung in Bangladesh geht rigoros gegen korrupte Politiker vor. Doch die angestrebte politische Neuordnung wird mit autoritären Maßnahmen durchgesetzt. von christoph s. sprung

Für viele Politiker und Geschäftsleute in Bangladesh sind es ungewohnt raue Zeiten. Es geschieht nicht selten, dass ein Regierungschef eine Kampagne gegen die Korruption ankündigt, wie es Fakhruddin Ahmed Ende Januar tat. Seitdem aber wurden mehrere Dutzend hochrangige Politiker verhaftet, 15 ehemalige Minister sitzen im Untersuchungsgefängnis. Ihre Luxuslimousinen wurden beschlagnahmt, ihre Bankkonten gesperrt, und in der vergangenen Woche beschloss die Regierung, dass keiner von ihnen gegen Kaution freigelassen werden darf.

Fakhruddin Ahmed wurde Mitte Januar zum Leiter der Übergangsregierung ernannt. Nach monatelangen Unruhen und Straßenschlachten zwischen den Anhängern der beiden größten Parteien war der Aus­nahmezustand verhängt worden. Sein Vorgänger hatte die für den 22. Januar geplanten Parlamentswahlen auf unbestimmte Zeit verschoben und war zurückgetreten. Fakhruddin Ahmed will nun mit einem rigorosen »Kampf gegen die Korruption« die Voraussetzungen für freie Wahlen schaffen.

Die Konfrontation zwischen der Bangladesh Na­tio­na­list Party (BNP) Khaleda Zias und der von Sheikh Hasina Wajed geführten Bangladesh Awami League (BAL) prägte 16 Jahre lang das politische Leben. Kandidaten anderer Parteien, die ebenfalls zumeist Gruppierungen sind, die sich um eine charismatische Führungspersönlichkeit versammeln, wirkten wie unbedeutende Statisten. Die Rivalität von BNP und BAL polarisierte die Gesellschaft und wurde von den Anhängern in Straßenkämpfen ausgetragen. Diese Polarisierung setzte sich auch inner­halb von Gewerkschaften, Studentenorganisationen und auf allen Ebenen der Staatsverwaltung fort. Mit jedem Regierungswechsel drohte eine Entlassung der Anhänger der jeweils unterlegenen Partei aus der Verwaltung.

Die Härte der Konfrontation lässt deutliche programmatische Unterschiede vermuten, doch zwischen den beiden Parteien existieren keine wesentlichen ideologischen Differenzen. Der Wettbewerb um politische Pfründe wird verschärft durch eine heftige Feindschaft zwischen den beiden Parteiführerinnen. Die beiden Begums, wie muslimische Frauen in Südasien ehrenhalber genannt werden, sind die unangefochtenen politischen Erbinnen ihrer ermordeten Familienpatriarchen, zweier ehemaliger Präsidenten.

Begum Zia leitete vom Herbst 2001 bis zum ver­gan­genen Oktober eine Koalitionsregierung, der erstmals auch Islamisten angehörten. Die maßgeblich von Begum Sheikh Hasina Wajeds Awami League ge­führte Opposition glänzte während der Legis­laturperiode weitestgehend mit Abwesenheit im Parlament. Vornehmlich organisierte sie als hartals bezeichnete Streiks. Im Unabhängigkeitskampf richteten sie sich gegen die britische Kolonialmacht, sie dienen derzeit nicht der Durchsetzung wirtschaftlicher oder sozialer Forderungen, sondern ermöglichen es der bei den Wahlen unterlegenen Partei, Druck auf die Regierung auszu­üben.

Hartals und Straßenkämpfe machten die Abhaltung der Wahlen unmöglich, viele Bürger, aber auch die Geberländer und -organisationen begrüßten den Amts­antritt der Interimsregierung des ehemaligen Zentralbankchefs Fakhruddin Ahmed deshalb voller Hoffnung. Die Europäische Union drängt in dem überdurchschnittlich korrupten Staat seit Jahren auf eine bessere Regierungsführung.

Doch Fakhruddin Ahmed als »provisorischem Premierminister« wurde ein aus Offizieren bestehender »Nationaler Sicher­heitsrat« an die Seite gestellt. Eine Machtübernahme des Militärs, das 15 Jahre lang die Regierungsgeschäfte führ­te, wünschen die westlichen Staaten jedoch nicht. Wohl auch in Hinblick auf der­artige Befürchtungen forderte der Armeechef Moeen U Ahmed die Übergangsregierung zu Reformen und zur Stärkung der Demokratie auf. Dies sei unabdingbar, be­vor Neuwahlen anberaumt werden könnten.

Um die gewünschte Neuordnung durch­zusetzen, bedient sich Ahmed jedoch des Militärs. Die Armee agiert zwar im Hinter­grund, doch viele Maßnahmen der Übergangsregierung sind autoritär. Die Medien werden staatlich kontrolliert, und rechtsstaatliche Garantien für Verhaftete werden auch rückwirkend außer Kraft gesetzt. Viele Bürger dürften das mit einer gewissen Schadenfreude betrachten, sofern es die Reichen und Mäch­tigen trifft. So ließ das ­Regime am 7. März Tarique Rahman verhaften. Der Sohn von Begum Zia war unerhört schnell immens reich geworden. Wegen Korruptionsvorwürfen droht dem führenden BNP-Politiker nun eine Verurteilung vor einem Schnellgericht.

Die Regierung Ahmeds ordnete im Laufe der Er­mittlungen mehrmals Durchsuchungen des Hauses von Hasina an, des Sudha Sadan, das faktisch die Parteizentrale der BAL ist. Diese Razzien wurden von einigen Parteimitgliedern öffentlich kritisiert. Das Regime reagierte darauf mit einer allgemeinen Verschärfung der Repression. Das Verbot aller öffentlichen politischen Aktivitäten wurde umgehend um das Verbot aller politischen Aktivitäten in geschlossenen Räumen erweitert. Deshalb mussten mittlerweile die Büros aller politischen Parteien schließen. Sheikh Hasina nahm das zum Anlass für eine ­einmonatige Reise in die USA. Beim Abflug hatte die Begum Mühe, ihre Landsleute und internationale Pressevertreter davon zu überzeugen, dass sie nicht ins Exil gehe, sondern dort nur ihre Kinder besuchen wolle.

Betroffen von »Säuberungen« sind nicht nur Politiker und Geschäftsleute. Erstmals wurden Ende Januar illegal errichtete Hütten und Geschäfte in mehreren Slums zerstört. Allein in der Hauptstadt Dhaka gibt es seither über 50 000 neue Obdachlose. Nach Angaben der Menschen­rechtsorganisation Odhikar starben in den ver­gangenen zwei Monaten bereits 50 Menschen im Zuge der »Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung«.

Die Hälfte kam in der Haft durch das paramilitärische Rapid Action Battalion (RAB) zu Tode. Angaben von Human Rights Watch zufolge sind seit der Gründung des RAB im Jahr 2004 bereits 350 Menschen außergerichtlich von Mitgliedern der Eliteeinheit ge­tötet worden. Gerade weil es Opfer aus allen politischen Frak­tionen gibt, deutet die blutige »Säuberungswelle« darauf hin, dass die Übergangs­regierung tatsächlich eine Neuordnung erzwingen will.

Von dieser Neuordnung könnte ein New­comer profitieren. Muhammad Yunus, Friedensnobelpreisträger und wohl der populärste Bür­ger Bangladeshs, erregte in der vergangenen Woche durch die Gründung einer neuen Partei Aufmerksam­keit. Der »Ökonom der Armen«, dessen Bank Mikrokredite vergibt, will die Armut im Land bis zum Jahr 2030 beseitigen. Ob und wann er zu den Parlamentswahlen antreten kann, wird allerdings nicht zuletzt das Militär entscheiden.