Arbeit oder raus!

Reform des Zuwanderungsrechts

180 000 Menschen gelten in Deutschland als geduldet. Das bedeutet, sie haben nicht das Recht, hier zu leben, sondern genießen lediglich einen zeitlich begrenzten Schutz vor Abschiebung. Sie sind die Hauptbetroffenen der Reform des Zuwanderungsrechts, auf die sich die Große Koalition Ende März geeinigt hat. Noch vor Ostern soll das Gesetz den Bundestag passieren.

Die bedeutendste Änderung besteht in der so genannten Altfallregelung. Sie gewährt Geduldeten, die seit mindestens acht Jahren oder mit Familie und Kindern seit sechs Jahren in Deutschland leben, eine befristete Aufenthaltserlaubnis auf Probe. Sie erlaubt ihnen die Arbeitssuche im ganzen Bundesgebiet, vorausgesetzt, sie haben sich keine Straftat zu Schulden kommen lassen und der Verfassungsschutz hegt keine Bedenken gegen sie.

Nach Ablauf der zweieinhalbjährigen Probezeit erhalten sie Ende 2009 eine Aufenthaltserlaubnis, falls sie einen Arbeitsplatz oder eine feste Zusage nachweisen können. Wer wegen seines Alters oder Gesundheitszustands erwerbsunfähig ist, erhält nur dann eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, wenn eine andere Person die Lebenshaltungskosten übernimmt.

Der Chance, bei wirtschaftlicher Verwertbarkeit dem strapaziösen Status der Duldung zu entgehen, stehen eine Reihe von Maß­nahmen entgegen, die die Einbürgerung erschwe­ren. Wer aus dem Ausland zu seinem in Deutsch­land lebenden Ehepartner ziehen möch­te, muss künftig bereits vor der Einreise einfache Deutschkenntnisse nachweisen. Um Zwangsehen Minderjähriger zu verhindern, müssen außerdem beide Ehepartner mindestens 18 Jahre alt sein.

Auch die Einbürgerung junger Erwachsener zwischen 18 und 23 Jahren erschwert das neue Zuwanderungsgesetz. Um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten, müssen sie nachweisen, dass sie ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe finanzieren können. Außerdem verschärft sich die materielle Situation für Flüchtlinge. So müssen Geduldete und Asylbewerber künftig vier Jahre lang, statt der bisherigen drei Jahre, von einer um 30 Prozent gekürzten Sozialhilfe leben. Auf Wunsch Bayerns und Niedersachsens haben die Länder die Wahl, stattdessen Sachleistungen auszugeben.

Mangelnde Teilnahme an Integrationskursen zieht ebenfalls empfindliche materielle Einbußen nach sich. Wer keinen solchen Kurs besucht, erhält 30 Prozent weniger Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld II. Unentschuldigtes Fernbleiben kann ein Bußgeld bis 1 000 Euro nach sich ziehen.

So wird aus einem Gesetz, das die Große Koalition als den EU-Richtlinien entsprechend und als Chance für langjährig Geduldete anpreist, eine weitere Verschärfung für den Großteil der meist ohnehin unter prekären Verhältnissen in Deutschland lebenden Flüchtlinge. Die Reform trägt die Handschrift der CSU: Wer Deutschland mit seiner Arbeitskraft nutzt, darf bleiben, alle anderen sollen spüren, dass sie unerwünscht sind.

Zweifellos bietet die »Altfallregelung« eine Chance für Menschen, die bereits seit vielen Jahren mit Ungewissheit über ihren weiteren Verbleib hier leben. Angesichts der vielen Ausschlusskriterien und der schlechten Situation auf dem Arbeitsmarkt insbesondere für Einwanderer gehen antirassistische Initiativen allerdings davon aus, dass ein Großteil der Geduldeten die Anforderungen nicht wird erfüllen können.

Eine grundsätzliche Lösung bietet die einmalige »Altfallregelung« ohnehin nicht, da sie ausschließlich Geduldete betrifft, die vor August 2001 nach Deutschland gelangt sind.

carsten schnober